Eine Legislatur geht zu Ende. Mit der heutigen konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments geben die alten Stupisten ihre Mandatsverantwortung ab und ein neues Jahr der Greifswalder hochschulpolitischen Zeitrechnung beginnt. Ein Nachbericht über die vergehende Amtszeit und ihre Nachwirkungen.
Es war nicht immer schön, es ging nicht immer schnell und vor allem hat es selten dazu gereicht, die Studierenden davon zu überzeugen, dass das Argument, die Hochschulpolitik habe keine Relevanz und sei sowieso nur ein „Spaßverein“, Quatsch ist. Die vergangene Legislatur kleckerte eher vor sich hin, als mit Qualität zu klotzen. In Zahlen bedeutet das Folgendes: Auf siebzehn Sitzungen wurden 278 Beschlüsse gefasst. Es wurde an zwei Sitzungsorten insgesamt rund 3.420 Minuten lang getagt. Das macht immerhin einen beschlossenen Antrag alle zwölf Minuten. Die längste Sitzung dauerte über sechs Stunden, die kürzeste nicht einmal eine. 20 Geschäftsordnungsanträge wurden in den Protokollen festgehalten, wobei die Dunkelziffer hier um ein Vielfaches höher liegen dürfte. Gerade die zahlreichen persönlichen Erklärungen sind nur selten bis nie in den Protokollen gelandet. Die beeindruckenste Zahl ist jedoch ohne Zweifel, dass es keine einzige Sitzung gab, auf der alle Mitglieder des Studierendenparlamentes (StuPa) anwesend waren. Nicht bei einer einzigen Abstimmung konnte alle 27 Stimmen gezählt werden. Ob das am mangelndem Interesse der Stupisten an der Hochschulpolitik selbst liegt oder einem schlechten Timing zwischen Sitzungszeiten und Vorlesungen Mittwochmorgens, muss sich jeder selbst beantworten. Spitzenreiter in der traurigen Statistik ist Niklas Abele. Auf ganzen zweieinhalb Sitzungen ehrte der Sieger der Gremienwahlen 2015 mit seiner Anwesenheit.
Im Rechtsstaat nichts Neues.
Neben umzuräumenden Stühlen in akustisch schlechten Hörsälen und leeren Plätzen mussten sich die Freizeitparlamentarier auch mit anderen Problemen auseinandersetzen. Ein wichtiger Punkt war der Streit mit dem Justiziariat der Universität. Mehrere Anträge wurden unter der Überschrift „Übersteigt das hochschulpolitische Mandat“ nicht genehmigt. Das Studierendenparlament sollte die Beschlüsse, welche sich im Gros gegen rechtes Gedankengut aussprachen und zu der Teilnahme an Demonstrationen gegen eben dieses aufriefen, zurücknehmen. Der Streit wurde bereits aus der vorhergehenden Legislatur verschleppt, drohte nun jedoch zu eskalieren. Von „Maulwürfen“ unter den Studierenden und „Zensur“ war die Rede. Auch das Parlament konnte sich zu keiner klaren Linie durchringen, zu tief waren die Gräben und zu unterschiedlich die Meinungen, inwieweit und wann das hochschulpolitische Mandat greife. Am Ende musste Jurist und Prorektor für Studium und Lehre, Prof. Dr. Wolfgang Joecks, zu einer Sitzung erscheinen, um zu schlichten. Nur so konnte ein Rechtsstreit mit der Universität abgewendet werden. Wer jetzt gewonnen hat, ist nicht ganz klar.
Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob das Präsidium aus rein politischem Interesse oder aufgrund mangelnder Bereitschaft möglicherweise besserer Kandidaten zusammengestellt wurde. Es war über weite Teile des vergangenen Jahres mehr ein Problemkind, als politisch und organisatorisch voranzugehen und die Marschrichtung vorzugeben. Dafür wurde zu oft den Themen hinterher gehetzt und zu häufig kam die Frage nach einem ausführlichen Rechenschaftsbericht oder den Protokollen der vergangenen Sitzungen auf. Zu selten konnte sich der Präsident im entscheidenen Moment durchsetzen und die Sitzung souverän leiten, zu oft wurde bei Problemen rechtzeitig interveniert. Das Gefühl, das Parlament fühle sich von seiner dreiköpfigen Vertretung nicht repräsentiert, sondern duldete sie nur, weil den Job sonst keiner machen wolle, ließ die gesamte Legislatur hindurch nicht nach.
Zum Glück war nicht alles schlecht in der vergangenen Legislatur. Die stetige Positionierung gegen rechte Strukturen an der Universität, eine einstimmige Solidarisierung mit Geflüchteten über das Normalmaß hinaus, sowie realuniversitäre Probleme, wie etwa der Sozialausschuss und ein Fahrradreifenautomat waren ebenfalls Ergebnisse der Sitzungen. Auch sind die Mandatsträger relativ einstimmig und souverän mit der notwendigen Beitragserhöhung umgegangen und verteidigten diese vor der Vollversammlung. Auch Finanzanträge wurden, bis auf den Eklat um das Sommerfest 2015, in weiten Teilen und gerade im kulturellen Bereich genehmigt. So konnten auch beide Haushalte, der für 2015 und jener für 2016 auf einer Sitzung beschlossen werden. Etwas, das keinem StuPa vorher gelang.
Alles AStA?
Einen nicht unwesentlichen Beitrag zu der eher unbefriedigenden Legislatur leistete das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) und StuPa. Ob nun Atommüllfässer auf Partys oder fragwürdige Rechenschaftsberichte, in denen von Kuchenverkostungen die Rede war, das Parlament konnte sich über 17 Sitzungen hinweg nicht durchringen, seiner Kontrollfunktion gerecht zu werden. So war es zu den letzten Sitzungen auch egal, dass nicht mehr alle AStA-Referenten zu den Sitzungen anwesend waren. Fragen bei dem wichtigen Tagesordnungspunkt „Berichte“ gab es nur in den seltensten Fällen. So blieb auch die zeitweilige Schließung des AStA-Büros zu den festgelegten Öffnungszeiten ohne weitere Konsequenzen. Ob der Grund dafür schieres Desinteresse oder doch eine Ohnmacht, wurzelnd in Ahnungslosigkeit über die Aufgaben und Arbeit des AStA waren, oder die Situation in persönlichen Befindlichkeiten begründet war, kann wohl nicht mehr vollständig nachvollzogen werden. Nachdem die AStA-Struktur ordentlich durchrüttelt worden war, bildete sich das Interesse an der Arbeit stetig nach. Vielleicht gerade dadurch konnte sich die oberste Verwaltungsebene des AStA einmal zu oft über die Köpfe des Parlamentes hinwegsetzen und Entscheidungen ungerügt durchsetzen. Auch die neugeschaffenen Autonomen Referate – mit Ausnahme des Referates für Lehramt – konnten nicht wirklich greifen.
Die leider logische Konsequenz daraus war, dass der AStA begann autark zu arbeiten, ohne wirkliche Beauftragungen oder Reglementierung durch das Parlament.Den vorzeitigen Höhepunkt fand dieser Zustand im Streit mit den Fachschaftsräten um deren Konten und die Verwaltung. Diese erfolgte dem AStA zu unregelmäßig und die Abrechnungen waren unvollständig und falsch. Deswegen sperrte der AStA die Konten eigenmächtig, nicht ohne eine Lösung zu präsentieren. Die Fachschaften sollten alleine über ihr Geld entscheiden können, der AStA es auf Antrag auszahlen. Die Sperrung wurde durch das Studierendenparlament aufgehoben, mit der zusätzlichen Satzungsänderung der Finanzordnung, dass der Finanzreferent des AStA sich in Zukunft vorbehalten kann, die Konten der Fachschaften bei groben Unregelmäßigkeiten zu sperren.
Trotz alldem wurden zwei Ersti-Wochen auf die Beine gestellt und es gab ein Gremienwahlheft – zwar mehr Schlecht als Recht in der Art und Weise der Ausführung, in den letzten Jahren aber nichts Selbstverständliches. Erwähnenswert ist auch die Arbeit des AStA in verschiedenen anderen Bereichen. So beispielsweise die Etablierung des Sozialausschusses, gemeinsam mit dem Parlament, die antirassistische und internationale Arbeit, sowie das starke Engagement im Bereich des Lehramtes, was aus einer starken Lobbyarbeit für das Studienfach aus Parlament, AStA und Universitätsleitung fruchtete.
Bleibt zu hoffen, dass die kommende Legislatur von einer gemeinsamen Zusammenarbeit und vor allem einem Interesse an der Legislatur geprägt sein wird. So könnte vielleicht mehr Transparenz und eine bessere Stimmung für die gesamte Studierendenschaft geschaffen werden und es würde ein positiveres Bild auf die verfasste Studierendenschaft geworfen. Gerade in Zeiten, in denen ein Rechtsstreit mit dem Finanzamt droht und wichtige Entscheidungen bevorstehen, scheint das wichtiger denn je.
Fotos: Philipp Schulz
Information: Der schreibende Redakteur war bis zum 12. Oktober 2015 selbst Mitglied des Studierendenparlamentes, wendete sich dann aber komplett dem webmoritz. zu. |