Heute ist der 1. Dezember und damit nicht nur der Tag, an dem das erste Törchen im Adventskalender geöffnet werden darf, sondern auch Welt-AIDS-Tag. webmoritz. hat von Prof. Dr. med. Michael Jünger, dem Leiter der Hautklinik der Universitätsmedizin, erfahren, was AIDS bedeutet und wie es in Mecklenburg-Vorpommern um diese Erkrankung steht.
Zu Beginn der 1980er Jahre erreichte eine lebensbedrohliche Krankheit Europa: AIDS (Acquired Immuno-Deficiency Syndrome). Dabei handelt es sich um einen Symptomkomplex, der infolge einer Infektion mit dem Humanen Immunschwäche-Virus (HIV) – früher oder später – einhergeht. Die Folge ist eine schrittweise Zerstörung des Immunsystems, die unbehandelt zum Tode führt. Allerdings bedeutet dies auch, dass eine HIV-Infektion nicht mit AIDS gleichzusetzen ist. Zwar führe diese unbehandelt fast immer zum Ausbruch von AIDS, aber durch Behandlungsmöglichkeiten der modernen Medizin, wie eine tägliche cART (combined Anti-Retroviral Therapy) würde die Infektion selten AIDS auslösen, so Jünger.
Wie aber bemerkt man, dass man sich infiziert hat und was sind die ersten Symptome?
Jünger: „Oft bleibt die Infektion zunächst unbemerkt. Die ersten Symptome können denen eines grippalen Infektes entsprechen. Die Lymphknoten können anschwellen. Die Erkrankung wird häufig als Zufallsbefund entdeckt, beispielsweise bei der Vorbereitung einer Geburt, eines medizinischen Eingriffs oder bei der Blutspende. Manche Patienten entwickeln die klinischen Zeichen der Immunschwäche, wie zum Beispiel Pilzbefall des Rachens, sowie der Atemwege und der Speiseröhre oder virale Erkrankungen der Haut, oft im Genital oder Analbereich. Oder die Patienten fallen wegen den klinischen Zeichen einer schweren Erkrankung auf – mit Gewichtsverlust, Schwäche, Fieber. Unter den Laborwerten können die typischen Befunde der Sepsis [Blutvergiftung] oder der fehlenden Immunantwort auffallen.“
Damit eine Infektion mit dem Immunschwächevirus erst gar nicht zustande kommt, ist es unumgänglich sich, vor allem beim Geschlechtsverkehr, dagegen zu schützen. Einem besonderen Risiko unterlägen homosexuelle Männer, berichtet Jünger. Auch Promiskuität mit Ausübung ungeschützten Geschlechtsverkehrs sei ein besonderer Risikofaktor. Stattdessen sollte Wert auf Safer Sex gelegt werden. Auch sei es wichtig, die Übertragung menschlicher Sekrete, wie beispielsweise Blut, zu vermeiden. Infizierte trügen auch durch ihre Behandlung mit einer cART dazu bei, die Ansteckungsgefahr zu verringern. Denn durch diese würde die Masse der Viren im Körper des infizierten verringert und damit die Übertragungsgefahr durch Sekrete gesenkt, so Jünger.
Noch vor einigen Jahren waren HIV-Infizierte gebrandmarkt für’s Leben. Das habe sich mittlerweile etwas geändert.
Jünger dazu: „In der Zwischenzeit ist das Risiko der Stigmatisierung geringer geworden, sowohl die Laien in der Gesellschaft als auch die medizinischen Berufe kennen die Risiken der Erkrankung. Die im medizinischen Bereich Tätigen wissen, wie mit infizierten Personen umgegangen werden muss, zum Beispiel im Rahmen einer Geburt. Der oft zu Beginn vorhandene „Schock“ legt sich, wenn ich den klinischen Verlauf unter Therapie erkläre und auf die gute Prognose hinweise. Zur Vermeidung einer Übertragung der Infektion ist einerseits die Aufklärung der Umgebung und des Sexualpartners über die Infektion von besonderer Relevanz. Andererseits sollte auf geschützten Sex geachtet werden. Dann muss eine konsequente cART zur Verringerung der Ansteckungsgefahr durchgeführt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Einnahme der Medikamente regelmäßig, das heißt täglich und lebenslang, erfolgt. Dies ist entscheidend für die gute Prognose. Schließlich sollten unbeteiligte behandelnde Ärztinnen und Ärzte, wie etwa der Zahnarzt, über die Infektion benachrichtigt werden.“
Wesentlich gefährlicher hingegen sei es, wenn Patienten versuchten die Erkrankung zu verbergen. „Dies ist die für den Patienten gefährlichste Reaktionsform: Sowohl die Umgebung, als auch der Hausarzt sind nicht informiert. Wegen der nicht-Informiertheit der behandelnden Ärzte kann es zu Unverträglichkeiten und Unwirksamkeiten der cART kommen.“, teilt Jünger mit.
webmoritz. wollte weiterhin wissen: Unterscheidet sich die Prävalenz von HIV beziehungsweise AIDS in Vorpommern von der bundesdeutschen? Gibt es bestimmte „Gefahren-Gebiete“?
Jünger: „Die betroffenen Personen in meiner Schwerpunktpraxis haben bei der ersten Vorstellung in der Sprechstunde im Vergleich zu einer sehr großen Patientenkohorte in Berlin eine schlechtere immunologische Situation, es sind mehr heterosexuelle Frauen betroffen.“