Zeit und Geduld. Zwei Dinge, die oft untrennbar zusammenhängen. Gerade wenn jemand versucht, ein hochgestecktes Ziel zu erreichen, braucht man Zeit und Geduld. Geduldig und entspannt sind auch die letzten 7 Tage wieder ins Land gegangen – fast schon wieder Montag.

Schon Walter Ludin wusste, dass Tanzen die angenehmste Gelegenheit ist, um sich einander auf die Füße zu treten. Dabei ist das gegenseitige Malträtieren nicht ausschließlich auf die räumlich begrenzte Tanzfläche zurück zu führen. Greifswald hat Tanzen seit einiger Zeit als politisches Statement für sich entdeckt. Um ein Gewächshaus vor der Zerstörung zu bewahren, werden regelmäßig und seit einiger Zeit Veranstaltungen durchgeführt, bei denen Geld für eben dessen Erhalt gesammelt wird. Eben dieses wird durch das Erheben von einer Pro-Kopf Pauschale bei Betreten der jeweiligen Lokalität in der getanz wird, sowie den Verkauf von Alkohol generiert. Von den Gewächshäusern bekommen die Spender dabei nicht viel mit, was sich nicht nur mit dem ausgeschenkten Alkohol erklären lässt. Das Glashaus um den Botanischen Garten ist so baufällig, dass es nicht mehr betreten werden darf. Betreten werden durfte auch das Klex gestern Zeitweise nicht –  Stichwort Einlassstop. So begehrt ist es anscheinend, für sein Karma und Blumen zu tanzen. Jemandem zu unterstellen, er wusste gar nicht, zu welchem Zweck er sich gerade seine Leberwerte versaut, ist an dieser Stelle unpassend. Jedenfalls dürfen lediglich die Menschen, die sich liebevoll der Pflege der Planzen widmen, ihr Leben aufs Spiel setzen. Die Tanzwütigen müssen indes wie erwähnt eine andere Lokalität aufsuchen, um ihre Bestürzung über den drohenden Verlust Greifswalder Baukultur zum Ausdruck zu bringen. Und das wird Zeit kosten. Von mehreren Millionen Euro ist die Rede und um diesen Betrag zusammen zu feiern, brauchen selbst die rüstigen Pommern einen Moment. Geduld ist also angebracht in solchen Zeiten. Aber nicht nur, wenn man versuchen will, ein Glashaus im Tausch mit der eigenen Leber zu retten. Gelistet nach Geduld, die man beim Warten braucht: Wenn der NFL-Stream wieder nicht ordentlich lädt. Wenn man den Fehler gemacht hat, zur Stoßzeit gegen halb eins in die Mensa zu gehen. Wenn man sich nicht daran gewöhnen kann, dass die Freunde einfach nicht pünktlich kommen. Die Bestürzung, wenn man in der WG morgens als letztes ins Bad kann, aber eigentlich als Erster raus muss. Wenn man eigentlich ein Fischbrötchen wollte, aber das Boot selbst aussieht, als wollte es letzte Nacht im Klex die Gewächshäuser retten. Wenn man am Samstag Nachmittag hochschwanger über den Markt flanieren will, die Polizei dich aber für einen gefährlichen Linksextremisten hält – true Story! Sei es drum, die Bestürzung über die bereits erwähnten Gewächshäuser hatte zwischenzeitlich die Kreise der Universität, die Eigentümerin genannter Baukultur ist, verlassen und ist über die enge Verknüpfung der Universität mit der Stadt auf ebenjene übergesprungen. An der Alma Mater hat man eben auch nicht die Zeit und Geduld, sich mit jedem Bauwerk auseinander zu setzen. Als „Nationales Projekt des Städtebaus“ stellte die Stadt einen Förderantrag beim gleichnamigen Bundesprogramm. Der verwalterische Hintergrund dürften den Tanzenden allerdings egal sein, mit der Politik will sich niemand auch noch in den Nachtstunden beschäftigen. Dass bei jeder Veranstaltung nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein zusammenkommt, hält hier niemanden davon ab, es zu versuchen. Umso länger ist damit schließlich für einen Grund zum Tanzen gesorgt. Ist das Geld irgendwann zusammen, muss sich niemand Sorgen machen, dass aus Greifswald Anklam wird: Sollte das Beispiel Schule machen, wird Greifswald mit seinen oftmals im Ursprungszustand belassenen Gebäuden bald die feierwütigste Stadt werden. Ein Werbeeffekt, der sich schneller ausbreiten wird als S-Bahnen in Hamburg und Berlin fahren. Wir warten geduldig ab, ob der nächste Rave im IPK-Institut oder in der StraZe oder im Dom stattfindet. Über den historischen Wert der Gewächshäuser ließe sich auch hervorragend streiten, handelt es sich bei ihnen doch um eine Eisenkonstruktion, deren berühmtestes Exemplar die Silhouette der Stadt der Liebe ziert. Zur Greifswalder Silhoutte gehören die Gewächshäuser nicht und auch von Liebe kann man in Greifswald nicht sprechen. Das sinngemäße Zitat „Die haben einen schönen Schulhof, wofür brauchen die Grünflächen?“ eines konservativen Stadtvertreters fiel allerdings in einem anderen Zusammenhang. Oder, um es zeitgemäßer auszudrücken: „All bad things must come to an end.“ Wie auch diese Woche.