Dario Seifert präsentiert sich als heimatverbundener Kämpfer für Vorpommern. Doch seine Vergangenheit und seine Verbindungen zur extremen Rechten werfen Fragen auf. Kann jemand mit einer solchen Biografie glaubwürdig für demokratische Werte eintreten?
Von Konstantin Ochsenreiter
Der weiße VW-Caddy fällt auf. Einige schauen hin, andere weg. Schwarz-rot-goldene Fähnchen und Warnlichter flackern auf dem spärlich gefüllten Hafenplatz. Der Wagen ist schmutzig, die Aufkleber trotzig: „Deutschland stirbt! Schluss mit der Politik gegen das eigene Volk!“ – flankiert von Deutschlandfahnen.
Ein Symbol des Aufbruchs? Wohl kaum. Doch Dario Seifert, AfD-Bundestagskandidat für Greifswald (Wahlkreis 15: Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald I), hofft darauf. Er lädt zum Bürgerfest – rund 100 der 8.500 Barther kommen. Aber wer ist der Mann, der hier spricht?
Dario Seifert gibt den modernen Rechten
Das Bürgerfest (Zwei Pavillons, ein Transporter, ein Grill) füllt an diesem Abend etwa ein Drittel des Festplatzes am Hafen. So jedenfalls könnte man es aus der Perspektive der Veranstalter sehen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung: Dario Seifert.
Der selbsternannte „Heimatverbundene“ gibt sich mit seinen 30 Jahren selbstbewusst jugendlich – Lederjacke, Schal, Sechstagebart. In den sozialen Medien inszeniert er sich nahbar und dynamisch. Vier Wochen ist er auf Wahlkampftour, begleitet Infostände, Grillfeste und Bürgerdialoge. Doch diese Fassade bekommt erste Risse. EXIF-Recherche veröffentlichte Fotos, welche ihn mit Waffe und dem militanten Neonazi Ivan Kormilitsyn zeigen, damals einem Mitglied der Jungen Alternative.
Zwischen Ostseeidylle und Extremismus: Seiferts widersprüchliche Vergangenheit
“Aufgewachsen zwischen Bodden und Ostsee, habe ich früh gelernt, wie wichtig starke Gemeinschaften und faire Perspektiven sind, damit Vorpommern ein Ort bleibt, an dem Familien, Studenten und junge Berufstätige gern leben“, erklärt er auf Anfrage der moritz.medien.
Wo genau Seifert diese „starken Gemeinschaften“ kennengelernt hat, ist eine nicht unerhebliche Frage. Wer seine politischen Anfänge sucht, stößt schnell auf eine Vergangenheit, die wenig mit dem bürgerlichen Image gemein hat, das er nach außen pflegt.
Laut Berichten des Nordkuriers begann Seiferts politische Laufbahn in der rechtsextremen Szene Mecklenburg-Vorpommerns. Er bestätigte der Zeitung, zwischen 2012 und 2014 Mitglied der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der NPD, gewesen zu sein. „Ich habe im Alter von 17 Jahren ein politisches Betätigungsfeld gesucht und war knapp zwei Jahre als passives Mitglied bei den Jungen Nationaldemokraten aktiv“, erklärte er.
Fotos des Nordkuriers zeigen ihn 2014 auf einem „Trauermarsch“ der NPD in Stralsund. Wie passiv die Teilnahme an einem solchen Marsch beurteilt werden kann, ist jedoch fraglich. Einer Quelle des Nordkuriers zufolge soll Seifert enge Kontakte zu den mittlerweile verbotenen Nationalen Sozialisten Rostock – einer Neonazi-Kameradschaft – besessen haben.
Das Innenministerium MV begründet das Verbot der Kameradschaft damit, dass diese als eine zentrale Struktur der rechtsextremen Szene in Rostock gelte. Auf Anfrage des Nordkuriers bestreitet Seifert die Darstellung der Quelle: „Ich war zu keinem Zeitpunkt Mitglied irgendeiner Kameradschaft und pflege auch keinen Kontakt zu solchen Gruppierungen.“
Was bleibt, ist ein Widerspruch. Dario Seifert gibt sich als moderner Konservativer: volksnah und im besten Sinne bürgerlich. Seine Vergangenheit erzählt jedoch eine andere Geschichte.
Zwischen Gemeinplätzen und Geschichtsrevisionismus
Die moritz.medien fragten Dario Seifert direkt nach seinen Zielen für Greifswald. Seine Antwort klingt gefällig: „Ich setze mich dafür ein, Greifswald zukunftsfest aufzustellen: Die lokale Infrastruktur muss ausgebaut, der öffentliche Nahverkehr gestärkt und der Wohnungsmarkt entschärft werden, damit junge Menschen hier nicht nur studieren, sondern auch bleiben können.“
Um dies zu erreichen, wolle er sich im Bundestag für „gezielte Förderprogramme“ einsetzen. Digitalisierung und Start-up-Förderung sollen innovative Arbeitsplätze schaffen. Seifert wolle sich außerdem für neue Wohnprojekte, bezahlbare WGs und faire Mieten einsetzen. Zudem liege ihm die Schaffung hochwertiger Ausbildungs- und Arbeitsplätze am Herzen, damit Absolventen in Vorpommern bleiben.
In Deutschland sind Infrastruktur, Nahverkehr und der Wohnungsmarkt primär Aufgaben der Länder und Kommunen. Zwar stellt der Bund spezielle Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau, Digitalisierung und Unternehmensgründungen bereit, doch die konkrete Umsetzung und Verwaltung obliegen den regionalen Behörden. Warum Seifert dieses Verfahren nicht transparenter beschreibt, bleibt unklar.
Abseits von Presseanfragen findet Seifert deutliche Worte – besonders, wenn es um die deutsche Geschichte geht. Er erinnerte am Volkstrauertag 2024 „in tiefer Ehrfurcht an die tapferen Helden unseres Volkes“ – eine Formulierung, die sich laut NDR-Berichten auf Adolf Hitlers Wehrmacht bezog. An anderer Stelle des NDR-Berichts erklärte er: „Wir Patrioten setzen uns für ein würdevolles und aufrichtiges Gedenken der über 250.000 deutschen Opfer ein und machen uns frei vom antideutschen Tätermythos des linken Mainstreams.“
Diese Aussage nutzt deutsche Opferzahlen, um ein geschichtsrevisionistisches Narrativ zu bedienen. Sie stellt hierbei die Anzahl deutscher Opfer in den Vordergrund und relativiert somit die weiteren Opfer der NS-Verbrechen. Experten wie Deborah Krieg, (Bildungsreferentin der Bildungsstätte Anne Frank mit Schwerpunkt auf Antisemitismus, Rassismus und historische Bildung) warnen davor, dass solche Umdeutungen der Geschichte die Verantwortung für NS-Verbrechen relativieren. Der Verfassungsschutz stuft entsprechende Narrative als potenziell verfassungsfeindlich ein.
Glaubwürdigkeit und politischer Anspruch
Von bürgerlicher Modernisierungspolitik zu Geschichtsrevisionismus: Es stellt sich die Frage, inwieweit der Bundestagskandidat demokratische Werte vertritt.
Eine Frage, die sich scheinbar auch die AfD-MV stellte. Noch bis 2024 lief gegen Dario Seifert ein Parteiausschlussverfahren, wie die Ostsee Zeitung berichtete. Der Grund dafür liegt im Jahr 2019. Im Kreis Vorpommern-Rügen entbrannte ein Richtungsstreit zwischen den zehn frisch gewählten AfD-Mitgliedern.
Im Zentrum dieses Richtungsstreits stand Dennis Augustin. Dieser hatte seine ehemalige NPD-Mitgliedschaft verschwiegen und wurde 2019 aus der Partei geworfen. Seifert hielt dennoch zu seinem Kreistagskollegen. Nach Berichten der Ostsee Zeitung kam es zum Zwist zwischen dem gemäßigten und dem völkisch-nationalistischen Lager.
Auf Kreisebene fand der Konflikt noch im selben Jahr ein Ende. Doch in der Konsequenz wurde gegen Seifert ein Parteiausschlussverfahren angestrebt.
2024 dann die Entscheidung: Das parteiinterne Schiedsgericht verhängte keinen Ausschluss, sondern eine 2-jährige Ämtersperre. Die Sperre gelte für innerparteiliche Ämter, wie beispielsweise Vorstandsämter – so berichtet die Ostsee Zeitung. Repräsentative Ämter – etwa in einem Vorstand – sind laut Schiedsgericht mit Dario Seiferts Person nicht vereinbar.
Dennoch hält er an seinem Ziel fest, in den Bundestag einzuziehen – und damit nicht nur einen Kreisverband, sondern eine deutlich größere Wählerschaft zu vertreten. Rückendeckung erhält er dabei nicht nur aus der Jungen Alternative: Auch die AfD-Spitze stellte sich beim Landesparteitag hinter Seifert und signalisiert Unterstützung für seine Kandidatur.
Bis zum Landesparteitag war Seifert überdies Vorsitzender der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative MV. Die Partei traut ihm also die Nachwuchsarbeit und ein Mandat im Bundestag zu – interne Führungsämter jedoch nicht. Ein Umstand, welcher Fragen aufwirft.
Die moritz.medien richteten deswegen eine Presseanfrage an die AfD Mecklenburg-Vorpommern. Darin fragten wir unter anderem, ob die Ämtersperre gegen Seifert weiterhin gilt, ob die Partei darin einen Widerspruch sieht und welche Gründe sie dennoch veranlassten, seine Kandidatur zu unterstützen.
Eine Antwort blieb bis heute aus.
Rechter Rand in bürgerlichem Gewand?
Dario Seifert inszeniert sich als bodenständiger Heimatverbundener, der sich für Vorpommern einsetzen will. Er spricht von Gemeinschaft, Tradition und Zukunftsperspektiven – doch seine Vergangenheit gibt dieser Erzählung einen besorgniserregenden Anstrich. Verbindungen zur extremen Rechten, geschichtsrevisionistische Aussagen und eine Vergangenheit bei den Jungen Nationalisten (JN) werfen Zweifel an seiner demokratischen Glaubwürdigkeit auf.
Die AfD selbst scheint sich dieser Widersprüche bewusst zu sein. Während sie Seifert als Bundestagskandidaten aufstellt, hält sie ihn gleichzeitig von innerparteilichen Führungsämtern fern. Die Partei überträgt ihm Verantwortung für die Jugend und eine potenziell breite Wählerschaft – doch für einen Vorstandsposten scheint das Vertrauen zu fehlen.
Seifert steht damit möglicherweise exemplarisch für einen innerparteilichen Spagat: Die AfD präsentiert sich als wählbare Alternative zum politischen Mainstream. Gleichzeitig treten in ihren Reihen immer wieder Kandidaten mit umstrittener Vergangenheit und fragwürdigen Verbindungen auf – Dario Seifert ist dabei kein Einzelfall.
So stellt sich Dario Seifert selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Dario Seifert: Mein Name ist Dario Seifert, ich bin 30 Jahre alt und ein heimatverbundener Mensch, der die Herausforderungen und Chancen unserer Region aus eigener Erfahrung kennt. Aufgewachsen zwischen Bodden und Ostsee, habe ich gelernt, wie wichtig starke Gemeinschaften und faire Perspektiven sind, damit Vorpommern ein Ort bleibt, an dem Familien, Studenten und junge Berufstätige gern leben. Deshalb möchte ich unsere Heimat aktiv mitgestalten und dafür sorgen, dass wir das Potenzial dieser einzigartigen Landschaft, unserer Kultur und unserer Menschen besser ausschöpfen. Mein Ziel ist es, das Miteinander zu stärken und Zukunft zu sichern.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Ich setze mich dafür ein, Greifswald zukunftsfest aufzustellen: Die lokale Infrastruktur muss ausgebaut, der öffentliche Nahverkehr gestärkt und der Wohnungsmarkt entschärft werden, damit junge Menschen hier nicht nur studieren, sondern auch bleiben können. Um dies zu erreichen, werde ich mich im Bundestag für gezielte Förderprogramme einsetzen, damit Investitionen aus Berlin in unsere Region fließen. Gleichzeitig möchte ich die Digitalisierung vorantreiben und Start-ups fördern, um innovative Arbeitsplätze zu schaffen. Greifswald soll so eine starke, lebenswerte Stadt für alle werden.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Studenten sind der Herzschlag der Stadt und prägen Greifswalds kulturelles und soziales Leben. Deshalb liegt mir besonders am Herzen, dass jede und jeder trotz begrenzter Mittel während des Studiums gut wohnen kann. Ich setze mich für die Schaffung neuer Wohnprojekte, den Ausbau bezahlbarer WGs und bezahlbare Mieten ein. Darüber hinaus möchte ich die Qualität und Vielfalt an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen stärken, damit Absolventen in Vorpommern bleiben können. Wer mich wählt, entscheidet sich für eine gerechte Bildungspolitik und nachhaltige Zukunftsperspektiven vor Ort.
Beitragsbild: Dario Seifert / Collage: Konstantin Ochsenreiter