Heute vor 500 Jahren ist der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama, Graf von Vidigueira, in Cochin, dem heutigen Kochi, in Indien gestorben.
Seine Entdeckung des Seewegs von Portugal nach Indien entlang der afrikanischen Küste kann als hohe nautische Leistung betrachtet werden und ermöglichte einen deutlich günstigeren Handel zwischen Westeuropa und Ostasien. Sie bildete aber auch den Auftakt für europäische Gewalt und Expansion in Übersee und somit auch für den späteren europäischen Kolonialismus. Informationen über den großen Seefahrer da Gama und seine ambivalenten Leistungen liefert dieser Artikel.
Adeliger Seefahrer
Da Gama kam aus einer portugiesischen Adelsfamilie, wobei Teile seiner Verwandtschaft aus England kamen, und hatte mindestens vier Geschwister. Wie sein Vater war er Mitglied eines christlichen Ritterordens, wodurch er Einnahmen durch die Verwaltung von Ordensbesitz erwerben konnte. 1492 war er im Auftrag König Johanns II. von Portugal für einen Kampf gegen französische Piraten verantwortlich.
Erste Seereise nach Indien
1497 begann die von da Gama geleitete Seereise nach Indien entlang der afrikanischen Küste. In der Forschung ist umstritten, ob da Gama diesen Posten aufgrund bereits gezeigter seemännischer Leistungen oder wegen seiner guten Beziehungen zu König Johann II. und dessen Nachfolger, König Manuel I. von Portugal, erhielt. Die Schiffe fuhren von Lissabon aus auf den Atlantik und folgten in größerem Abstand der afrikanischen Westküste. Nach etwa vier Monaten umfuhren sie das Kap der Guten Hoffnung, die Südspitze Afrikas, und folgten der afrikanischen Ostküste. Hier kamen sie in Gewässer, die zuvor noch nie von Europäer*innen befahren worden waren. Etwa ein halbes Jahr später erreichten sie die Hafenstadt Malindi, deren Sultan da Gama einen Navigator zur Verfügung stellte. Mit dessen Hilfe konnten sie rund einen Monat später nach fast elf Monaten Seereise die indische Malabarküste erreichen. Damit waren sie als erste europäische Seefahrer*innen entlang der afrikanischen Küste bis nach Indien gefahren. Drei Monate später waren die Handelsgeschäfte abgeschlossen und sie begannen, mit teuren Gewürzen als Fracht die Rückreise nach Portugal, die erneut etwa elf Monate dauerte.
Weitere Seereisen nach Indien und Seekrieg
Auf da Gamas erste Seereise nach Indien folgten noch weitere von ihm und anderen. Das führte verstärkt zu Konflikten mit arabischen und indischen Seehändler*innen, die im Indischen Ozean zuvor einen Handelsmonopol besessen hatten. So kam es zu gewaltsamen Konflikten. Bei der vierten portugiesischen Indienreise, der zweiten von da Gama, im Jahr 1502 ließ er militärische portugiesische Stützpunkte an der afrikanischen Ostküste errichten. Vor der indischen Küste gewann er eine Seeschlacht gegen eine sich ihm entgegenstellende indisch-arabische Flotte. Angekommen in Indien, beendete er den Widerstand der lokalen Herrscher*innen gegen die neue portugiesische Handelspräsenz, indem er brutal Gewalt anwendete und die verschiedenen miteinander verfeindeten lokalen Herrscher*innen gegeneinander ausspielte. So erreichte Portugal schnell eine Monopolstellung im indischen Seehandel.
Portugiesischer Kolonialherr
Zudem entstand eine portugiesische Kolonialherrschaft an der indischen Küste, die jedoch von Misswirtschaft geprägt war. Um das zu ändern, entsandte König Johann III. von Portugal da Gama zu einer dritten Seereise nach Indien und ernannte ihn zu dessen Vizekönig. Nach ersten Maßnahmen starb da Gama jedoch nur drei Monate nach seiner Ankunft an Krankheit oder Altersschwäche. Seine Gebeine wurden später nach Portugal überführt.
Europäische Expansion
Die Entdeckungsreise da Gamas fällt in die Zeit der europäischen Expansion. In dieser Epoche reisten Europäer*innen in ihnen bis dahin unbekannte Weltregionen in Ostasien, nach Amerika, in das Landesinnere von Afrika und später nach Ozeanien und Australien. Hintergrund waren vor allem wirtschaftliche Interessen. Reisen nach Ostasien ermöglichten es, die dortigen Produkte zu deutlich günstigeren Preisen in Europa zu verkaufen als bei einem indirekten Handel mit arabischen Händler*innen, bei dem diese auch Gewinn machen wollten. Von den Europäer*innen entdeckte Gebiete wurden aber vielfach auch ausgebeutet und die indigenen Bevölkerungen unterdrückt, um ihre Reichtümer nach Europa zu schaffen. Legitimiert wurde die europäische Expansion mit der Verbreitung des christlichen Glaubens. Zeitlich ist sie sehr grob im 15. bis 17. Jahrhundert zu verorten. Sie war damit vor der Epoche des europäischen Kolonialismus und dem durch pseudo-naturwissenschaftliche Vorstellungen und Charles Darwins Evolutionstheorie geprägtem Rassismus, kann aber als Vorstufe dessen betrachtet werden. Die Entdeckung und Ausbeutung anderer Weltregionen durch die Europäer*innen bildeten die Grundlage für deren spätere Kolonialisierung. Zudem wurden die indigenen Einwohner dieser Regionen bereits zu diesem Zeitpunkt als „barbarisch“ betrachtet, auch wenn dies anderen Argumentationsmustern folgte als dem späteren Konzept des Rassismus.
Insgesamt kann man da Gamas Leistungen als ambivalent bewerten. Seine Leistung, als erster Europäer mit einem Boot um die afrikanische Küste nach Indien zu fahren, war für die Seefahrt von enormer Bedeutung und ermöglichte für Portugal gute Handelsbeziehungen. Sie stellt aber auch einen Startpunkt ausbeuterischer Praktiken durch Europäer*innen in Übersee dar. Weitere Einschätzungen zu den Leistungen da Gamas können gerne in den Kommentaren geschrieben werden.
Titelbild: Vanessa Finsel
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