Die meisten Unternehmen leben von unterbezahlten und überarbeiteten Arbeitskräften. So sieht es auch an unserer Universität aus. Egal, ob ein Blick auf die studentischen Hilfskräfte oder die Ehrenämter geworfen wird – überall fehlt es an Personen und Geld. Es ließen sich massenweise Artikel über die Fehlstände an deutschen Universitäten schreiben. Heute wollen wir uns aber auf Greifswald beschränken und einen genaueren Blick auf das Studierendenparlament der Universität Greifswald werfen. In diesem wird dieser Mangel an Geld und Personen seit Beginn dieser Legislatur nämlich noch durch Unfreundlichkeit ergänzt. Und das von allen Seiten.
Ein Kommentar von Caroline Rock
Für diejenigen, die sich nicht aktiv in der Hochschulbubble befinden, hier kurz eine Erklärung dazu, was das Studierendenparlament (StuPa) eigentlich ist. Dieses besteht vor allem aus Stupist*innen, die von den Studierenden gewählt werden. Diese kommen zusammen, um über die aktuellen Themen zu diskutieren und die Stellen der Universität, wie den AStA, unterschiedliche AGs, aber auch die moritz.medien unter die Lupe zu nehmen. Das StuPa hat eine besondere Kontrollfunktion, weil wir durch die Gelder der Studierendenschaft entschädigt werden. Wir legen einmal im Monat Rechenschaft gegenüber der Studierendenschaft ab, fertigen einen Bericht darüber an, was wir die letzten Wochen getan haben und stellen uns den Fragen und der Kritik bezüglich unserer Arbeitsweise.
Nun ist es so, dass wir von den moritz.medien sehr regelmäßig in jeder Legislatur etwas zu beanstanden haben. In der letzten war es die andauernde fehlende Beschlussfähigkeit, weil nicht genug Stupist*innen anwesend waren. Diese Legislatur gibt es ganz viele Stupist*innen, die regelmäßig da sind, was uns sehr freut! Dafür finden wir die Umgangsformen momentan sehr unangenehm. Wir wissen, dass wir da nicht die einzigen sind, denn es haben schon Menschen frühzeitig das StuPa verlassen, weil sie keine Lust mehr auf die Art und Weise des Umgangs hatten. Außerdem merkte Marie (AStA-Referentin für Fachschaftsfinanzen) bereits zu Beginn der Legislatur in der 4. Sitzung an, dass ein freundlicher und respektvoller Umgang miteinander sehr wünschenswert wäre. Da wurde wohl nicht so genau zugehört, denn dieses Verhalten ging genau so weiter und wurde immer lästiger. Komischerweise von Menschen, bei denen sich annehmen ließe, dass sie die nötige Erfahrung besäßen, um mit einer solchen Anmerkung korrekt umzugehen.
Auf der 10. Sitzung der diesjährigen Legislatur kam es nun zur Aufnahme des TOP Debattenkultur und Arbeitsweise. Einführend erklärten Krissi (AStA-Geschäftsführung), Robert (AStA-Vorsitz) und Tom (AStA-Referent für Finanzen & Personal), dass sich die letzten Wochen und Monate über einige Mitglieder des AStA nicht mehr in den Sitzungen des StuPa wohlfühlen würden. Grund hierfür sei das unfreundliche Klima, was die Kritikkultur betrifft. Es ging anscheinend soweit, dass manche Mitglieder keine Motivation und eigentlich schon Bauchschmerzen hatten, wenn eine Sitzung des StuPa anstand. Angenehme Arbeitsverhältnisse also.
Es folgt eine fast schon unspektakuläre Debatte, in der die Stupist*innen dem AStA recht gaben und davon berichteten, dass es ihnen selbst ebenso ergehen würde. Zum Beispiel kommt seitens der Stupist*innen die Frage auf, weshalb die Befragungen an den AStA teilweise wie Kreuzverhöre rüberkämen. Wer wie was gesagt hat, könnt ihr genauer in unserem Ticker nachlesen. Eine Stupistin äußert aber auch ihr Bedenken, dass sie sich teilweise sehr genau überlege, was sie sage, weil sie Sorge vor komischen Blicken auch seitens des AStAs habe. Ironischerweise folgen Einwürfe von unterschiedlichen Personen, die wieder einen sehr anstrengenden Tonfall haben. Das mutet dann schon lächerlich an und führt die geführte Debatte fast ad absurdum.
Ein weiterer zu besprechender Punkt stellt die Form der Rechenschaftsberichte dar. Gäbe es eventuell eine andere Möglichkeit, Rechenschaft abzulegen, sodass es nicht wieder zu solchen Situationen kommt? Die Diskussion wird auf das nächste Treffen des StuPa verschoben. Sicherlich könnte ein anderes Format der Rechenschaftsberichte die Situation verändern. Es stellt sich aber die Frage, wie förderlich dies wirklich für die Debattenkultur wäre. Aus den letzten StuPa-Sitzungen lässt sich mitnehmen, dass die unfreundlich geübte Kritik oft Prozesse betreffen, die der AStA demokratisch gemeinsam beschlossen hat, nachdem er für etwas beauftragt wurde. Diese Entscheidung daraufhin aber fünfmal durch unterschiedliche Stupist*innen zermürbend in Frage zu stellen, ist jedoch eine Verhaltensweise, die bleibt, wenn sich nicht jede*r von uns etwas in würdevoller Zurückhaltung übt. Es ist ja nicht so, als kämen nach dem fünften Anprangern andere Ergebnisse heraus oder als wäre solch ein Verhalten auf irgendeine Art und Weise konstruktiv. Mehr als das Feedback mitzunehmen, können die kritisierten Personen dann auch nicht.
Abseits der StuPa-Sitzungen wurde oft gesagt, dass das ja im Bundestag und in unterschiedlichen Hochschulgruppen auch so sei und das jede*r sich nun mal daran zu gewöhnen habe. Mir scheint, als würde vergessen, dass jegliche Arbeit hier im Kontext eines Ehrenamts geleistet wird. Abgesehen davon, dass es unsinnig ist, etwas auf eine Art zu handhaben, weil das woanders ja auch so sei oder weil ihr einfach „schlecht im Ausdruck“ seid, wäre es sinnvoll, solche Aussagen generell infrage zu stellen. Eventuell wäre es zielführend, sich Gedanken darüber zu machen, ob diese Verhaltensweise in euren Hochschulgruppen und im Bundestag ebenso dazu führen könnte, dass Menschen mit Bauchschmerzen zu den Veranstaltungen gehen. Das bedeutet nicht, dass Kritik nicht willkommen ist und wir uns alle in Watte packen müssen. Es bedeutet nur, dass wir alle vielleicht zwischendrin mal innehalten und überlegen, ob unsere Anmerkungen noch notwendig und sachdienlich sind. Am Ende ist das erklärte Ziel eine konstruktive Zusammenarbeit untereinander.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Alle danken dem AStA für die viele Arbeit, die er macht und alle wollen sich bezüglich ihres Tonfalls bessern. Na dann schauen wir mal, was wird.
Beitragsbild: Mohamed Hassan auf Pixabay
was wird.
Ich finde den Anspruch an die Hochschulpolitik gut, auch hier bei den Arbeitsverhältnissen auf Mental Health, gutes Arbeitsklima und eine Abwesenheit von kapitalistischem Leistungsdruck zu setzen. Denn den haben es in Arbeitswelt schon zu oft. Andererseits existiert aber die Hopo nicht in einem idealen, luftleeren Raum, sondern in unserer Welt. Sie verwaltet unser (nicht ihr) Geld, sie vertritt die Hochschule unseren öffentlichen bzw. teilweise auch privaten Raum. Die Hochschulpolitik (nicht StuPa und AStA allein) kann etwa durch Ihre Entscheidungskompetenz über die Wohnheime das Studierendenwerk über diese entscheiden. Sie regiert damit quasi in die Privatsphäre der dort lebenden Studis hinein, die Wohnungen sind also kein sicherer, privater, unpolitischer Raum frei von der Möglichkeit über politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Der kann aber auch positiv sein, etwa wenn ein Mieterhöhung wegfällt oder einer Mietsenkung möglich ist. So gerne ich in einer Welt ohne Geld leben würde, müssen wir, bis wir sie erreicht haben, die vorgefundenen verbessern. Und in dieser Welt sind die für die Studierendenschaft wichtigsten Gremien das StuPa und der AStA. Während der AStA die Verwaltung und Organisation von Projekten der Studierendenschaft übernimmt, ist das StuPa für rechtlichen Beschlüsse und für die Wahl, Abwahl und Kontrolle des AStA zuständig. Und in dieser Situation erscheint es mir legitim, dass das StuPa den AStA kontrolliert, überprüft ob er seine Arbeit macht und Verbesserungsvorschläge ausspricht. Die machen das schließlich auch ehrenamtlich neben dem Studium.
Apropo demokratisch: In unserem deutschen Mediendiskurs (zum Glück nicht bei den Moritzmedien) wird das gerne vereinfacht. Weil die Regierung die Parlamentsmehrheit hinter sich hat, sonst wäre sie nicht gewählt, stehen Mehrheitsbeschlüsse der Regierung schon fest. Dass das nicht stimmt, sehen wir in unserer aktuellen Bundesregierung. Jeder Koalitionspartner kann eigene Forderung stellen und sich damit gegen Abmachungen oder die Mehrheit der Regierung stellen. In der Regierung hat zwar das Kanzleramt mit seinem Kanzleramtsminister eine Richtlinienkompetenz, aber Gesetze brauchen im Parlament eine Mehrheit und die kommt ohne die Abgeordneten aller Koalitionspartner meist nicht zustande. Wenn also der AStA was beschließt braucht er die Rückendeckung seiner StuPa-Mehrheit. Praktisch zerbricht die Regierung auch nicht an ein, zwei Beschlüssen, die das Parlament nicht mitträgt. Aber wenn in der Mehrheit der Beschlüsse und Grundsatzfragen keine Einigkeit besteht ist die Zusammenarbeit von StuPa-Mehrheit und AStA arg gefährdet. Nebenbei sind die Parlamentsdebatten auch dazu da, der Opposition die Möglichkeit zu geben den AStA zu kritisieren. Im Bundestag wäre bei unserer Debattenkultur der Vorwurf „Man darf ja nichts mehr sagen“ geäußert worden. Unter diesen Bedingungen kann schon schnell Kritik aufkommen und für eine unangenehmes Arbeitsklima sorgen. Aber sich dann mit dem moralischen Appell an die Stupist*innen zu richten, doch mal freundlich zu sein, ist keine Lösung. Die haben schließlich auch eine Rechenschaftspflicht gegenüber ihre Wähler*innen bei der nächsten Wahl und müssen sicherstellen, das der AStA in ihrem Sinne funktioniert und ihre Projekte umgesetzt werden. Und sie sind vielleicht noch nicht bereit ihre politischen Grundsätze einfach aufzugeben wie das einige Berufspolitiker*innen z.B. in Fragen von Menschenrecht und Klimaschutz gerade tun. Und wenn sie ärmere Studis vertreten, werden sie nicht deren Geld für unzureichende Arbeit oder teure, zum Scheitern verurteilte Projekte ausgeben wollen, sondern lieber für bezahlbare Mieten in den Wohnheimen. Unter diesen Umständen ein freundliches Arbeitsklima im und gleichzeitig Kontrolle über den AStA aufrecht zu erhalten, erscheint mir schwierig.
Ich möchte auch keinen StuPist*innen oder AStA-Referent*innen unfreundliches Verhalten oder schlechte Arbeit unterstellen. Ich sehe hier eher grundsätzliche Probleme, die gelöst werden müssten, statt die fast jährlich wechselnden StuPist*innen und die alle Paar Jahre wechselnden Referent*innen zu kritisieren.
Falls ihr da Lösungsvorschläge für dieses grundsätzliche Problem habt, (jenseits von moralischen Appellen an den guten Willen der eine und/oder andere Seite) schreibt sie gerne in die Kommentare.
Ich finde vieles von dem was du gesagt hast nachvollziehbar und richtig. Wenn du dich mit der Aussage „Und wenn sie ärmere Studis vertreten, werden sie nicht deren Geld für unzureichende Arbeit oder teure, zum Scheitern verurteilte Projekte ausgeben wollen, sondern lieber für bezahlbare Mieten in den Wohnheimen.“ auf den Aktkalender beziehst. Dieser wurde unter Jubel bei der Vollversammlung beschlossen. Die Studierenden wollten also den Aktkalender. Das möchte ich gern noch einmal klarstellen.