Die 112 feiert heute, am 20. September 2023, ihren 50. Geburtstag. Vor exakt 50 Jahren wurde in der BRD beschlossen, eine einheitliche Notrufnummer zu verwenden. Das Notrufsystem 73 trat in Kraft und brachte eine Vereinheitlichung, die für uns heute selbstverständlich ist. Der Weg dahin ist jedoch durch eine tragische Geschichte geprägt.
Bereits seit 1948 konnte man durchaus Feuerwehr und Polizei unter den bekannten Nummern 112 und 110 erreichen – allerdings nicht überall. Die Nummern galten nur Regional und nicht verbindlich. Zusätzlich bestanden zu dieser Zeit noch keine Leitstellensysteme, wie wir sie kennen. In den meisten Regionen war es somit vollkommen normal, die nächste Wache anzurufen, wenn man einen Notfall hat. Das jedoch bedeutet auch, dass es notwenig war, diese Telefonnummer bei sich zu tragen.
Ein failendes System
Am 3. Mai 1969 kam es in der BRD zu einem tragischen Unfall: Der Achtjährige Björn Steiger wurde auf dem Nachhauseweg auf seinem Fahrrad von einem Auto angefahren. Der Rettungsdienst benötigte damals über eine Stunde, um entsprechende Hilfe vor Ort zur Verfügung zu stellen. Der Achtjährige starb noch während des Transports in Richtung Krankenhaus.
Seine Eltern gründeten in Folge des Todes ihres Sohnes die Björn Steiger Stiftung und setzten sich fortan für einen Ausbau der Notfallrettung in der BRD ein. Dinge, die für uns im Jahr 2023 vollkommen selbstverständlich sind, wurden durch die Stiftung erst forciert an die Politik herangetragen und teilweise durch die eigene Verschuldung der Eheleute erst ermöglicht.
Die Steigers legten im November 1969 den Innenministern der Länder einen offenen Brief mit einem 15-Punkte-Plan vor, um die Notfallrettung zu verbessern. Die 15 Forderungen kann man sich auf der Stiftungsseite durchlesen und staunen, wie viel Recherche hineingeflossen ist. Der Politik wurden da keine unmöglichen Forderungen gestellt, sondern bereits Lösungswege an die Hand gegeben.
Einheitlicher Notruf
Die Einführung von einheitlichen Notrufnummern wurde von Seiten der Politk mit „zu teuer“ abgelehnt. Siegfried Steiger fragte daraufhin selbst bei der Deutschen Bundespost an, wie teuer solch eine Einrichtung sei und hatte bereits nach einer Stunde ein Antwort.
Im September 1973 ist es dann endlich soweit: Bund und Länder beschließen das Notfallsystem 73. Dieses beinhaltet neben den einheitlichen Notrufnummern 112 und 110 auch wegfallende Telefongebühren. Denn bis dahin hat man noch für einen Anruf bei den Rettungsdiensten gezahlt. Aber auch Standorterkennung – sofern der Notruf über ein entsprechendes Notruftelefon bzw. einen Notrufmelder abgesetzt wurde – sind möglich, genauso die bekannte Fangschaltung, also eine Rückverfolgung der Verbindung.
Europaweite Notrufnummer und Ortung
Bisher haben wir nur von der BRD gesprochen. Doch auch in der DDR gab es einheitliche Notrufnummern. Ab 1976 erreichte man unter der Nummer 115 die Schnelle Medizinische Hilfe (SMH). Mittels 110 erreichte man dort jedoch schon zuvor die Polizei und über die 112 die Feuerwehr. Mit der Wiedervereinigung wurden auch hier die Systeme vereinheitlicht und angepasst.
Seit 1991 gilt die 112 europaweit als Notrufnummer. Die Nummer ist aus diesem Grund auch als Euronotruf bekannt. Doch mit der 112 kommt man nicht nur in Europa sehr weit: auch andere Staaten setzen diese Nummer für den Notruf ein. In einigen Ländern, in denen der Euronotruf nicht gilt, ist zudem eine Umleitung in das entsprechende geltende Notrufsystem eingerichtet.
Bereits seit 2012 sind die Mobilfunkbetreiber verpflichtet, Ortungsdaten an die Leitstellen zu übertragen. Dass eine automatische Anrufortung stattfinden muss, wurde jedoch erst 2018 durch das Europaparlament beschlossen. Dadurch sind zumindest die Mitgliedstaaten gezwungen, ein solches System aufzubauen und die Ortung zu ermöglichen. Direkt im Anschluss wurde das sogenannte Advanced Mobile Location (AML) System eingeführt. Google hat das System bereits 2016 als Emergency Mobile Location in seinen Betriebssystemen integriert, Apple hat 2018 nachgezogen. Das System wird aktuell in 223 von 234 Leitstellen in Deutschland genutzt. Problematisch ist, dass AML nur funktioniert, wenn auch Netz verfügbar ist. Solltet ihr also in einem Funkloch sein und den Notruf brauchen, kommt ihr um eine detaillierte Umschreibung leider nicht herum.
Notfallortung durch die Steiger Stiftung
Bereits im Jahr 2006 nutzten einige Leitstellen eine Ortungsfunktion. Diese wurde von der Björn Steiger Stiftung zur Verfügung gestellt. 2016 wurde diese Plattform eingestellt, da Änderungen im Telekommunikationsgesetz bevorstanden, die die Ortung von staatlicher Seite voranbrachten.
All we need is gute Notfallreform
Aktuell steckt das gesamte System durchaus in einer Krise. In den Großstädten sind immerhin noch 95% der Rettungswagen innerhalb der Frist am Einsatzort. Doch für den ländlichen Raum sieht das Ganze schlechter aus. Dennoch sieht es in der Bundeshauptstadt Berlin nicht besonders gut aus: Vielleicht erinnert sich jemand an den Abend als bei der Berliner Feuerwehr kein Rettungswagen mehr zur Verfügung stand? Dort gehen in den Leitstellen schlichtweg zu viele Notrufe ein. Auch Notrufe, die eigentlich gar keine sind. Unser gesamtes Gesundheitssystem ist an der Belastungsgrenze angekommen. Die Politik versucht nun mittels Krankenhausreform sowie Notfallversorgungsreform dagegen vorzugehen.
Die Probleme sind vielschichtig und komplex: steigende Einsatzzahlen, Personalmangel, zunehmende Gewalt gegen Rettungskräfte, Notrufmissbrauch – um nur ein paar zu nennen. Besonders hervorheben muss man hier jedoch die Nutzung des Notrufs für Krankheitsbilder, die definitiv keine Notfallrettung benötigen. Hierfür gibt es die Nummer des ärztlichen Notdienstes: 116 117.
Was mache ich, wenn es dann doch passiert:
Wo befindet ihr euch?
Was ist geschehen?
Wie viele Verletzte?
Welche Art der Verletzungen?
Warten auf Rückfragen!
Keine Sorge: Falls ihr etwas vergesst oder unklar ist, kommen Rückfragen. Aus diesem Grund ist das Warten auf (potentielle) Rückfragen auch essentiell. Für den Fall, dass nach dem Auflegen noch Fragen kommen oder dem Personal etwas unklar ist, erhaltet ihr einen Rückruf von der Leitstelle.
Beitragsbild: Laura Schirrmeister