Jedes Halbjahr aufs Neue, da steht sie plötzlich vor der Tür, als hätte sie sich leise und heimlich angeschlichen, um dich zu überraschen. Wie ein alter Lover, den du eigentlich nie wiedersehen wolltest, doch die Botschaft scheint auf der anderen Seite noch nicht angekommen zu sein. Die Klausurenphase.
Ein Gastbeitrag von Anja Tomschitz.
Also bleibt dir nichts anderes übrig, als langsam zur Tür zu gehen und den Gast hereinzubitten. Ihr wart euch einmal sehr vertraut – vor einem halben Jahr, um genau zu sein – doch die gemeinsame Zeit ist dir nur grau und verschwommen in Erinnerung geblieben. Zu bunt war der Sommer, und zu heiß. Du hast quasi alle Erinnerungen herausgeschwitzt.
Vor lauter Studentenleben, Partys und 1-2 Vorlesungen die Woche hattest du noch gar keine Zeit deine Wohnung besuchertauglich zu machen, also bittest du den Gast Platz zu nehmen und machst dich erst einmal ans Aufräumen.Und du bist gründlich! Die Dusche war noch nie so sauber, deine Regale werden abgestaubt und neu sortiert. Du ölst sogar die Türen! Du tust alles, um noch ein bisschen Zeit für dich allein herauszuschinden.
Irgendwann kommst du nicht mehr umhin, dich neben deinen Gast an den Tisch zu setzen und mit ihm ins Gespräch zu kommen. Die Stimmung in der Luft wirkt befremdlich. Du weißt, die nächsten Wochen werdet ihr gemeinsam verbringen, ob du willst oder nicht, also versuchst du das Beste daraus zu machen. Du servierst Tee und literweise Kaffee, fütterst dich selbst mit allerlei Infos und Wissen und versuchst, deinen Gast bei Laune zu halten. Und du musst sagen, du hast das Gefühl, ihr versteht euch immer besser. Klar, jede Bekanntschaft (denn von Freundschaft wollen wir hier noch nicht sprechen) durchlebt ihre Höhen und Tiefen, aber wie das nun mal ist, wenn man viel Zeit miteinander verbringt, gewöhnt man sich aneinander. Trotzdem bist du erstaunt, als sich nach einer durchzechten Nacht dein Gewissen meldet und dir vorwirft, du hättest jetzt, da du nicht mehr allein bist, eine Verantwortung zu tragen. Wo bist du da nur hineingeraten?
Ihr wandelt zusammen durch die unterschiedlichsten Gefühle. In einem Moment hasst du sie abgrundtief, im nächsten, wenn sie dir dieses verschmitzte Lächeln zuwirft, steigt in dir schon wieder der Wille empor, diese Herausforderung zu meistern. Aber seien wir ehrlich: Die Klausurenphase ist eine Bitch! Am Anfang wirkt sie charmant, noch kaum bedrohlich, doch je weiter sie fortschreitet, desto mehr zwingt sie dich in die Knie. Sie schottet dich von deinen Freunden ab, fordert so viel Zeit für sich ein wie sie nur kriegen kann, massiert dir statt deinem Rücken, der dir vom vielen Sitzen wehtut, nur die Nerven, um dich dann am Ende wieder auszuspucken und ohne ein Wort des Abschieds sitzen zu lassen.
Nicht, dass du enttäuscht wärst, nein!
Denn du hast endlich wieder Zeit. Viel Zeit… Und die wird genutzt!
Beitragsbild: Magnus Schult, bearbeitet