Das Historische Institut, das es schon seit ca. 155 Jahren in Greifswald gibt und u.a. durch die Schlachtfeldausgrabungen im Tollensetal, den Anklamer Silberschatz und durch das Brasilien-Projekt von sich reden machte, befindet sich auf dem alten Campus-Gelände neben dem Prüfungsamt, der alten Physik und der Slawistik.

Der Internetauftritt ist sehr übersichtlich, und somit finden wir auch leicht das Studienangebot. Demnach kann man in Greifswald den Master für Geschichtswissenschaft machen, Geschichtslehrer werden oder ein Bachelorstudium absolvieren. Das letztgenannte Angebot schauen wir uns einmal genauer an. Wohin soll die Reise gehen? Wir betrachten, welche Informationen es bezüglich dieses Studiengangs auf der Homepage gibt, und vergleichen das Greifswalder Angebot mit den Angeboten aus Marburg, Rostock, Wien und Kraków.

Greifswald vs. Marburg

Dem Flyer im Netz entnehmen wir, dass das Historische Institut anscheinend gut vernetzt ist, was angegebene Kontakte mit internationalen Unis sowie mit Archiven und Museen im Umkreis zeigen sollen. Die Ausbildung wird daher als praxisnah bezeichnet. Ebenso gibt es einen Ausblick in die Berufswelt nach dem Studium. Alles ist ziemlich offen gehalten und durch die Nutzung des Verbs „können“ verstärkt. Kann man nun mit einem Bachelor-Studium in Greifswald sofort als Archivar arbeiten? Kleinere sollten sich da schon ergeben. Benötigt der Absolvent für größere Tätigkeiten vielleicht doch noch weitere Zusatzqualifikationen? Sehr wahrscheinlich. Als Vergleich dient an dieser Stelle mal ein Einblick in die Studienordnung der Archivschule in Marburg. Zugegeben, dieser Vergleich hinkt etwas, da es hier um den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst geht, aber so gibt der Plan doch eine kleine Orientierung. Nach einer Einführung ins Fach Archivwissenschaften liegt in Marburg der Ausbildungsfokus der angehenden Archivare zunächst eher im IT-Bereich. Dieser Bereich kann hier in Greifswald in diesem Umfang während des Studiums (ohne Selbststudium) überhaupt nicht abgedeckt werden. Um den Umgang mit dem Sammelgut geht es in Marburg im zweiten Abschnitt der Ausbildung. Im Greifswalder Bachelor-Studium ist der Einblick in die Archivarbeit nur über ein Fachpraktikum möglich – Übungen zur Archiv-Arbeit (z.B. mit dem „Pommerschen Landesarchiv“) gibt es laut Vorlesungsverzeichnis zurzeit nicht. Über die General Studies sind auch kleine Einblicke in die Betriebswirtschaftslehre und die Verwaltung möglich, nur umfasst dieser Bereich im Studium in Marburg weitaus mehr. Im nächsten Abschnitt geht es um die Hilfswissenschaften. Dieser Bereich unterteilt sich neben der obligatorischen Einführung u.a. in Veranstaltungen zur Chronologie, Sphragistik, Heraldik, Rechtsgeschichte und Paläographie. Paläographie wird laut Vorlesungsverzeichnis im Sommer 2018 in Greifswald gar nicht mehr angeboten. Ab WS 18/19 ist es wieder im Angebot. Ähnlich sieht es auch mit den Inschriften aus (abgesehen von der höchst informativen Seite der Greifswalder Forschungsstelle bzw. Arbeitsstelle Inschriften). Aktuell gibt es dazu keine Lehrveranstaltung. Der Arbeitsbereich existiert aber noch. Danach geht es in Marburg um ein intensives Befassen mit Schriftgut sowie Veranstaltungen zum Management. Unter dem Strich ist das „Marburger Studium“ ein ziemlich facettenreiches Studium. Und was müssen die „Hessen“ alles leisten? Sie schreiben z.B. Hausarbeiten, Klausuren, erstellen Portfolios, legen mündliche Prüfungen ab, erklären, was sie im Praktikum gemacht haben. Das kennen wir aus Greifswald auch.

Greifswald vs. Rostock

Das Leben eines Geschichts-Bachelors in HRO beginnt natürlich ebenso mit einer Einführung in die Geschichtswissenschaft (Bibliographieren, Hilfswissenschaften, Hilfsmittel usw.). Rostock klappert wie Greifswald die epochalen Themen ab. Dabei konzentriert man sich meist auf spezielle Themen, keine Überblicke. Dafür ist das Selbststudium da. Im Wahlpflichtbereich gibt es sogar die Ur- und Frühgeschichte, die in Greifswald nicht mehr existiert, obwohl ihre Verdienste nicht unerheblich für das Ansehen der Fakultät sind. Interessant ist die interdisziplinäre Ausrichtung ab dem zweiten Semester. Einen Exkurs in die Didaktik gibt es ebenso. Außerdem ist Paläographie ein fester Bestandteil im Lehrangebot. Die Paläographie ist so wichtig für die Tätigkeit im Archiv, wo noch viele in Sütterlin verfasste Akten liegen.

Greifswald vs. Kraków

Der große Knaller ist: Hier gibt es keine Hausarbeiten! Es gibt nur Klausuren und am Ende schreiben die Studierenden eine Bachelor-Arbeit ohne jegliche Erfahrung. Dafür bietet der Studiengang einen ziemlichen großen Überblick über das Fach Geschichte. An der Universität Kraków legt man gleich mit dem „Wissenschaftlichen Schreiben los”. Das gibt es in Greifswald auch, ist aber erst etwas später vorgesehen. In den ersten zwei Semestern stehen in Polen auch Archäologie, Hilfswissenschaften, Völker des Altertums, das Mittelalter und Latein auf dem Plan. Latein ist in Greifswald mit dem Abschluss „Latinum“ über die General Studies belegbar und im B.A. keine Pflicht. Die Lehrämter müssen aber durch dieses Nadelöhr, obwohl sie später im Berufsalltag vielleicht nur in den seltensten Fällen auf Lateinkenntnisse zurückgreifen müssen. Wie viele potenzielle Lehrer und Lehrerinnen vor dieser umstrittenen Hürde scheuten oder sie nicht schafften ist unbekannt. Zurück nach Kraków! Ebenfalls beinhaltet das Studium eine Veranstaltung zur Didaktik und zur Archivarbeit. Der Rest ist dem Greifswalder Angebot ähnlich.

Greifswald vs. Wien

In Wien werden Methoden und der Quellenkunde mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das Anschneiden der Chronologie hat über das komplette Studium hinweg einen eher geringen Anteil. Der Studienplan beinhaltet außerdem Lehrveranstaltungen zur Archivarbeit, Verlagswesen, Medien- und Kulturarbeit, Dokumentation, Arbeit von Organisationen, Ausstellungsorganisation und Tourismus. Unter dem Strich ist es vielfältiges, schreibintensives und auf die Anwendung im späteren Beruf ausgerichtetes Studium. Bemerkenswert: Es gibt eine Orientierungsseite im wiki-Format, falls es Fragen zum Studium gibt. Außerdem werden die Evaluationsresultate veröffentlicht. Demnach sind die meisten BA-Absolventen ganz zufrieden mit ihrer Wahl.

Zu welchem Schluss kommen wir? Ein Ranking zu erstellen ist in diesem Fall nicht so einfach. Wir erkennen aber, dass es doch ziemliche Unterschiede gibt. Vor allem überzeugt die Marburger Einrichtung, indem sie durch den hohen IT-Anteil zeigt, dass sie mit der Zeit geht. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Marburg speziell auf Archivarbeit ausgerichtet ist. Die Struktur des zielgerichteten Studiums in Wien ist stark auf Quellen und Methoden fokussiert. Die Anwendung dieser Methoden in der gut betreuten und vorbereiteten Bachelor-Arbeit (ab dem 4. Semester!) gefällt dem Großteil der Wiener Studierenden, wie es in den Evaluationsstatistiken nachlesbar ist. Praxis und Anwendung fehlen der Krakauer Universität im Studium der Geschichte nahezu gänzlich. Das überrascht an dieser Stelle, da doch die Krakauer Uni einen relativ guten Ruf genießt. Wer entscheidet nun, wo es besser ist? Es wurden einfach mal drei Stichproben genommen – also drei Studierende der Geschichte nach ihrer Meinung zum Angebot befragt. Das hat natürlich keine große Aussagekraft. In allen drei Fällen blickt man aber ziemlich neidisch auf Wien und Marburg. Krakau regte dann schon eher wieder zum Schmunzeln an.

Beitragsbild: Michael Fritsche