Aller guten Dinge sind drei. Noch treffender: Mancher mag es, wenn es komplett ist. Ich muss das natürlich präzisieren, worum es geht. An Greifswald ziehen drei Flüsse vorbei. Dem Ryck und der Peene widmete ich mich bereits. Nummer 3 im Bunde ist nun die Schwinge. Ziemlich schnell findet man im Netz ihrer Quelle ungefähre Lage. Die Mündung in die Peene ist sowieso nicht kompliziert. Kartenmaterial gibt es, nicht das beste; aber immerhin soviel, dass nicht auf das Karten-Depot der Greifswalder Geologen zurückgegriffen werden muss. Der Startschuss ist also erfolgt, los geht’s!
Die Karte verrät mir einen Punkt südlich von Behrenhoff, der einzig als Quelle infrage kommen kann. Von der Hansestadt aus also auf die B96 und ziemlich einfach zwei Mal abbiegen. Der Graben zeigt sich deutlich durch seine Begleiter – Bäume: Weide, Pappel, Ahorn. Von einem Baum herab beobachtet mich ein Habicht. Etwas grimmig, ein klein wenig majestätisch. Nach zehn Minuten stehe ich dann vor der Quelle. Wasser sickert in den Boden, sammelt sich und tritt dann dort bei Behrenhoff aus der Erde. Spektakulär ist anders. Aber schlimmer geht’s immer. Der Ryck grüßt. Die letzten Herbstsonnenstrahlen geben dem ganzen Szenario aber noch eine ganz brauchbare Stimmung. Sehr angenehm.
Über viele Kilometer ist die Schwinge danach ein kleiner unscheinbarer Graben. Sie passiert die A20 und schlängelt sich durch die Felder der Gegend, die wesentlich interessanter als dieses Gewässer zu sein scheinen. Linker Hand sehe ich auf dem Acker ein gut erhaltenes weit vorchristliches Hügelgrab. Bei Pustow gibt es dann zweimal die Gelegenheit, die Schwinge zu überqueren. Dichtes Grün säumt hier ihren Lauf. Die schwarze Eule auf gelbem Grund verwundert da nicht. In diesem ruhigen Naturschutzgebiet, in dem nur das Plätschern des inzwischen zum Bach aufgestiegenen Gewässers die Ruhe stört, steht eine der fünf Mühlen. Eher der Rest. Die Mühlenteiche sind allesamt schon verlandet. Zu meiner Überraschung ist an dieser Stelle zwischen Pustow und Damerow sogar noch ein Fundamentrest zu sehen. Die Sonne nähert sich schnellen Fußes dem Zenit. Den Rest vertage ich auf morgen. Einen netten Abschluss des Tages bildet noch der Anblick eines der am besterhaltensten Großsteingräber in Vorpommern. Der goldene Schleier des Feuerballs schafft eine Atmosphäre, die romantischer fast schon nicht mehr sein kann. Eine kleine Idylle eben – kitschig, aber total schön.
Der nächste Tag beginnt so, wie der vorherige endete – mit viel Sonnenschein. Über die Landstraßen führt die Fahrt Richtung Loitz. Ich wurde von Vorpommern schon belehrt, dass hier in diesem Fall das „oi“ als langes „ö“ gesprochen wird. Das nochmalige Studieren der Satellitenfotos zwingt mich schnell zur Aufgabe. Keine Chance. Die Mündung in die Peene ist nicht so einfach erreichbar. Nutzen und Aufwand stehen in keinem Verhältnis, um am Ende dann doch vor undurchdringbarem Rohr kapitulieren zu müssen. Außerdem sind Peene-Wiesen und Schwingetal ohnehin Naturschutzgebiete. Wenn da keine Wege sind, dann geht da nichts.
Loitz stand mit auf meiner Liste, weshalb ich mich dann gleich dorthin begebe. Zugegeben wusste ich nicht, was es hier alles gibt, als ich mal ein Spiel der Loitzer Eintracht besuchte. Durch die Ortsumgehung und allgemein durch die A20 halten hier kaum noch Touristen, obwohl der 4000-Einwohner-Ort sich erstaunlich attraktiv zeigt. Die Gedanken kommen mir schon in den Sinn, wie die Marina und das Peene-Ufer bei Dauerregen wirken würden. Ob dann der Bericht weniger euphorisch klingen würde?
Die Klappbrücke, der Speicher, der Kleinbahnhof und auch die vielen Gebäude, die sich im schlechten Zustand befinden, aber durch offizielle Graffiti bemalt wurden, um dem tristen Bild an einigen Stellen des mittelalterlichen Stadtkerns doch noch etwas Schönheit zu geben, erscheinen im Sonnenlicht beschaulich. In der Tat wurden einigen Fenstern und Wänden Figuren verpasst, um dem Ganzen hier etwas mehr Leben einzuhauchen.
Entlang des Ufers gibt es ein paar Angler, sonst sieht man so viele Leute auf der Straße wie Studierende in Skandinavistikseminaren. Zu den Blickfängen der Stadt gehören noch das Stadttor, der Stadtpark mit den Denkmälern, die Badeanstalt und das Rathaus. Als ich das Stadttor passiere, endet auch die Stadt. Wie der Schwinge-Oberlauf plätschert hier der Stadtgraben, der durch die darüber wachsenden Bäumchen, die jetzt im Herbstgewand angezogen sind, golden schimmert. Ganz so wie das Großsteingrab am gestrigen Abend, nur anders. Hier gibt es also doch viele Gründe, um hier Wurzeln schlagen zu können. Die Realität steht dann im nächsten Schaufenster. Ein Handwerker wird für einen Stundenlohn von etwas mehr als 8 Euro gesucht. Arbeit gibt es hier wenig. Das ist der Knackpunkt. In die Liste der üblichen städtischen Arbeitgeber reihen sich kaum weitere ein. Früher war Holz hier ein begehrter Rohstoff für die Weiterverarbeitung. Die übliche Geschichte der kleineren Orte in Vorpommern.
Das Tagesziel ist erreicht, ich schwinge mich ins Auto und erreiche nach ein paar Kilometern wieder die Hansestadt.
Fotos: Michael Fritsche
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