Neu in Greifswald – das muss nicht heißen, dass zuerst die Clubs der Stadt „begutachtet“ werden müssen. Viele kommen dank der hier niedrigeren Kosten, die das Studium so mit sich bringt, aus ferneren Sphären der Bundesrepublik zu uns. Na ja, und wenn man schon einmal hier ist… In Bayern die Berge, hier das flache Land am Meer. Schnell werden sie merken, also die an der Region Interessierten, dass es hier mehr gibt als den alten Campus der Uni.
Von einigen Erasmus-Leuten hörte ich schon, dass sie sich wünschten, nicht durch das Land gefahren zu werden. Überregionale Weihnachtsmärkte sind ja häufig sehr beliebte Ausflugsziele. Vor der Haustür waren sie nie. Von Greifswald und der schönen und spannenden Umgebung bekommen sie in der Regel nicht so viel mit. Nein, das abgedroschene Alibi-Argument des Sauf-Touristen – „Wir wollen Land & Leute kennenlernen!“ – ist für manch einen Studierenden von weit her keine leere Worthülse.
Der Oktober brachte uns noch viele sonnige Tage. Einen nutzte ich für das Gräberfeld, das mit seinen bootsförmigen Gräbern „wirbt“. Über die Bundesstraße 109 ist man ziemlich schnell vor den Toren Anklams. In Ziethen geht es nach rechts. Wenn die Augen nach 3 km Feld das Ortseingangschild von Menzlin sehen, dann nimmt die Fahrt (35 km) ihr Ende. Ziemlich sicher leiten die Schilder zum Parkplatz am Peene-Ufer. Rechter Hand gibt es auf dem Feld sogar noch ein Relikt aus dem Kalten Krieg zu bestaunen. Dieses merkwürdige Gebilde diente der Luftraumbeobachtung. Baugleiche Brüder stehen noch überall im Osten verteilt herum.
Nun muss man sich entscheiden. Zuerst das Gräberfeld? Vor einem lockt die Peene aber zu sehr. Ok, schauen wir uns das einmal an. Im Sommer kann man hier ein paar Taler gegen fahrbare Untersätze für das Wasser tauschen, die dann temporär genutzt werden können. Das hohe Schilf kann die große Wasserfläche nicht verstecken, obwohl es recht gut gedeiht. Hier wurden bei hohem Wasserstand die Wiesen geflutet, und das sind die Überreste, die jetzt vielen gefiederten Freunden Lebensraum bieten. Den Rundweg spare ich mir heute, da ich noch mehr vorhabe. Aber sechs Kilometer sollten keine Hürde darstellen. Die Wege hinter dem ersten Aussichtsturm, der einen super Blick auf die scheinbar unberührte Natur der Peene schenkt, werden dann schon etwas schmal. Es sieht nach Abenteuer aus. Das kann man auch auf der Peene erleben. Schon ab fünf Euro werden Canadier und Kajaks angeboten. Auch Floßfahrten sind möglich. Dabei den Biber beobachten. Im Winter ist das allerdings schwieriger.
Ein Feldweg führt mich zum Gräberfeld. Das zu finden ist nicht so schwer. Das ganze Areal, was heute ziemlich ruhig lebt, war wahrscheinlich ein emsiger Handelsplatz größeren Ausmaßes. Relikte aus verschiedenen Teilen Europas und Asiens wurden ausgegraben. Slawen und Skandinavier lebten hier friedlich vereint. Und ja, das Highlight sind diese mysteriösen Gräber. Die verbrannten Leichen waren einst durch eine Düne bedeckt, auf der jetzt das kleine Wäldchen wächst. Diese Art von Bestattung war lange Zeit nur aus Dänemark und Schweden bekannt. Zu den verbrannten Überresten wurden diverse Grabbeilagen gegeben. Viel ist davon nicht mehr übrig geblieben, denn wir befinden uns hier irgendwo im 8. oder 9. Jahrhundert. Diebe gab es auch damals schon. Ein paar Funde aus Menzlin liegen noch in Stralsund und auch hier in Greifswald. Jedenfalls ist der Anblick der geschichtsträchtigen Steine schon die Reise wert. Wer die Steine nicht mag, kann auf der Bank verweilen und in Richtung des Flusses schauen, der später das nahe Anklam und Wolgast passieren wird.
Der große Nachteil von Menzlin ist leider die Anbindung für Leute, die kein Auto haben. Vom Bahnhof in Anklam ist es einfach zu weit. Aber für alles gibt es einen Weg.
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Bilder: Michael Fritsche
Schöner, positiv herausstechender Artikel!