In Mecklenburg-Vorpommern startet am kommenden Montag eine zweiwöchige Aktion gegen Antisemitismus.
Eine Antwort der hiesigen Landesregierung auf eine kleine Anfrage bezüglich antisemitischer Übergriffe in M-V zeigt: 2016 wurde ein neuer Höchstwert erreicht. 39 antisemitisch motivierte Straftaten wurden im vergangenen Jahr zur Anzeige gebracht. Der Verfassungsschutzbericht 2016 spricht von 37 antisemitischen Straftaten „im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich „Rechts““. Damit verdoppelt sich fast die Zahl gegenüber zum Vorjahr (19). In Berlin waren es 2016 beispielsweise 174. Bundesweit 1300, die über die Kriminialstatistik erfasst wurden.
Wenn darunter auch keine Gewalttat ist, so ist der Trend als Alarmzeichen zu werten. Offensichtlich gerät das Judentum hierzulande wieder verstärkt in das Zielfeld von Rechtsextremisten.
(Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern 2016)
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es durchschnittlich 3 antisemitische Straftaten pro Monat, die zur Anzeige gebracht werden und über die Kriminialstatistik laufen. So berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass die Dunkelziffer deutlich höher liege und sich viele Betroffene nach Erfahrungen der Berliner „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias)“ oft nicht bei antisemitischen Vorfällen an die Polizei wenden würden. Das Problem ist aber auch die Feststellung einer antisemitischen Straftat:
Die Zahl der tatsächlichen antisemitischen Vorfälle wird auch dadurch systematisch unterschätzt, dass bei jedem Vorfall, bei dem es zu mehreren Delikten gekommen ist (z.B. Beleidigung, Raub, Körperverletzung), nur das Delikt mit der höchsten Strafandrohung gezählt wird. Die Einordnung einer Straftat als antisemitisch hängt von der Wahrnehmung und von den Kriterien ab, nach denen eine Tat eingestuft wird. Die Polizei scheint doch immer wieder zu Vermeidungsstrategien zu neigen. Selbst bei der Offensichtlichkeit des Tatmotivs verweist sie häufig auf alternative, nicht politische Tathintergründe.
Antisemitismus ist jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem, wie auch der Bericht des unabhängigen Expertenkreises des Bundestages weiter konstatiert. „Ein großes Problem ist die fehlende Einsicht in der Bevölkerung, dass Antisemitismus ein aktuelles Problem ist.“, fasste Patrick Siegele, Leiter des Anna-Frank-Zentrums und Koordinator des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus bei der Vorstellung des zweiten Berichtes zusammen.
Landesweite Aktionswoche gegen Antisemitismus
Der Bund deutscher PfadfinderInnen in M-V wurde 2009 als gemeinnütziger Verein gegründet und ist ein Zusammenschluss von unabhängigen und selbstverwalteten Gruppen. Gemeinsam mit dem Verein „Context | Bausteine für historische und politische Bildung e.V.“, der 2011 gegründet wurde und fachliche Expertise und Erfahrungen im Bereich politischer Bildung anbietet, werden in den kommenden zwei Wochen in verschiedenen Orten Mecklenburg-Vorpommerns Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus angeboten. Man möchte „eine kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus im Alltag ermöglichen“ und die Notwendigung im hiesigen Bundesland hervorheben.
Insbesondere junge Menschen kennen Antisemitismus ausschließlich aus dem Schulunterricht und den Geschichtsbüchern. Dass antisemitische Ressentiments jedoch nach wie vor en vogue sind und Antisemitismus ein brandaktuelles Problem, wird von Lehrkräften häufg nicht erkannt und behandelt.
(Aufruf zur landesweiten Aktionswoche gegen Antisemitismus in M-V)
Ein Überblick der Veranstaltungen in Greifswald:
- Ernst Moritz war & ist nicht allein. Antisemitismus gestern & heute.
10. November 2017 | 20:00 Uhr | Koeppenhaus Greifswald, Bahnhofstraße 4-5
Referent: Dr. Matthias Heyl, Leiter der Pädagogischen Dienste der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten - Linker Antisemitismus
13. November 2017 | 19:00 Uhr | IkuWo Greifswald, Goehtestraße 1
Referent: Wolfgang Seibert, Jüdische Gemeinde Pinneberg - Antisemitische Verschwörungsmythen
18. November 2017 | 19:00 Uhr | Greifswald, Raum wird noch bekanntgegeben
Referent: Florian Eisheuer, Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA)
Weitere Veranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern können HIER und HIER nachgelesen werden. Alle Veranstaltungen werden im Rahmen der bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung und des Anne Frank Zentrums organisiert. Untersützung gibt es durch die Doris Wuppermann Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und den AStA Universität Rostock.
(Beitragsbild: Landesweite Aktionswoche gegen Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern, 2017)
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