Menschenleben retten und gegen Menschen hetzen: Bei einem Bummel durch die Innenstadt trennten nur wenige hundert Meter diese Gegensätze.

Bereits zum dritten Mal fand heute im Rahmen der bundesweiten „Aktionswoche der Wiederbelebung“ die Stadtwette der Universitätsmedizin statt, bei der erfolgreich 500 Greifswalderinnen und Greifswalder zeitgleich an Reanimationspuppen die Herzdruckmassage übten. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war anwesend und konnte im Zuge der morgigen Bundestagswahl ein letztes Mal ihren Wahlkreis besuchen.

Zusammen mit den Initiatoren und dem Sozialdezernent Dirk Scheer (links im Bild) legte sie selbst auf der Bühne zum Song „Stayin‘ Alive“ von den Bee Gees Hand an. In einer kurzen Rede bedankte sich die Kanzlerin, dass sie heute dabei sein darf und betonte die wichtige Arbeit der Rettungskräfte, bei der „jede Minute zählt“ und es gerade in „ländlichen Regionen nicht immer so einfach“ ist, möglichst schnell nach Notrufabsetzung vor Ort zu sein. Die Universitätsmedizin Greifswald wird nach der erfolgreichen Wette dem Förderverein Kinderhospiz Leuchtturm e.V. 500 Euro spenden. 

Protest gegen Menschenhetze

Im Vorfeld der heutigen Stadtwette auf dem Marktplatz fand nur wenige hundert Meter weiter ein Wahlkampfstand der Alternative für Deutschland (AfD) statt, woraufhin sich eine spontane Protestaktion gegen Menschenhetze positionierte, die sich auf geäußerte Zitate der AfD-Chats bezog. Stillschweigend hoben die Anwesenden Schilder und Transparente hoch, auf denen Passagen der Chatprotokolle zu lesen waren. Neugierig wurden nicht nur die vorbeilaufenden Stadtbummler: die anwesenden AfD’ler ließen es sich nicht nehmen, jeden einzelnen Protestteilnehmer abzufilmen. Grund genug, auch weiterhin die Öffentlichkeit zu dieser Thematik zu sensibilisieren und das menschenverachtende Treiben im Blick zu behalten, finden Anne Wolf und Gregor Kochhan, die auch im Bündnis Greifswald für alle aktiv sind. Sie erklären ihre Beweggründe zum heutigen Protest gegen die Menschenhetze:

Wir wollten die Öffentlichkeit darüber aufklären, was AfD-Politiker so äußern, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. (Anne Wolf)

Die Zitate zeigen, dass die AfD keineswegs harmlose Kümmerer sind, sondern gefährliches Gedankengut verinnerlicht hat. (Gregor Kochhan)

Bereits vor einigen Wochen veröffentlichten die taz. und der NDR Chatprotokolle von führenden AfD-Vertretern aus Mecklenburg-Vorpommern, darunter Holger Arppe, der kurz darauf aus der Fraktion und der Partei austrat, um weiteren Schaden abzuwenden*. Nach Recherchen des Fleischervorstadt-Blogs sei die „Causa Holger Arppe kein Einzelfall„. Vielmehr dokumentieren die Gespräche „weiterhin die Verbindungen zwischen AfD, Identitärer Bewegung und MVGIDA„. Aus einem Chat-Ausschnitt vom 15. Juli 2015 zitiert der Greifswalder Blog u.a. die Landtagsmitglieder und Burschenschaftler Sandro Hersel („Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression, sondern ein Akt der Verzweiflung gegen Beschlüsse von oben„) und den Greifswalder Bürgerschaftskandidaten Philipp L. („Das einzige was heute noch hilft und womit man Deutschland retten kann, ist, Volk ans Gewehr“ oder „Einfach erhängen„).  Die öffentliche Wahrnehmung zur Thematik scheint, mit dem Rücktritt Holger Arppes und der geschlossenen Distanzierung seiner Parteikollegen von diesen Aussagen, vorerst gestillt zu sein. Doch das Problem mit menschenverachtenden Aussagen ist dadurch nicht gelöst. Der Fleischervorstadtblog hält (Anmerkung des Autors: zurecht) abschließend fest: „Die Causa Arppe ist kein Einzelfall — sie ist ein alarmierendes Symptom.„. 

Den Artikel des Fleischervorstadt-Blogs könnt ihr HIER nachlesen.

Weiterführende Links zur Thematik findet ihr bei der taz und beim NDR:

  • Protokolle eines AfD-Politikers (taz, 31.08.2017)
  • „Gut gefüllter Waffenschrank“ (taz, 31.08.2017)
  • „Recht hat er“ (taz, 01.09.2017)
  • Alle gegen Arppe (taz, 08.09.2017)
  • Reservisten im Verdacht (taz, 15.08.2017)
  • Rassistische Chats: Fraktionsvize verlässt AfD (NDR, 31.08.2017)
  • Fall Arppe: Das Schweigen der Abgeordneten (NDR, 01.09.2017)

*tagesschau Bericht vom 01.09.2017

https://www.youtube.com/watch?v=kYnAWQGPowA

 

(Fotos: Paul Zimansky, Beitragsbild: Magnus Schult)