Schon wieder Arndt. Immer noch Arndt. Ein Name lässt die Stadt nicht los und hält einige Bewohner in Atem. Dabei geht es schon lange nicht mehr darum, wie die Universität heißt.

Wenn im kommenden Sommersemester die Politik- und Kommunikationsstudenten die Möglichkeit haben werden, ein neues Seminar über Populismusforschung zu besuchen, wird die Arndt-Debatte der vergangenen Wochen wie ein Handstreich wirken, der das Lehrmaterial unterstützend und anschaulich begleiten soll und Stoff für Hausarbeiten liefern kann. Allein die ausgerufene „Arndt-Woche“, das digitale Säbelrasseln und die Redebeiträge auf den Veranstaltungen an diesem Wochenende bieten genug Stoff. Nachdem wir nun Tage voll mit teils blindem Aktionismus erlebt haben, sollte ein zwiegespaltenes Gefühl in Bäuchen auf beiden Seiten zurückbleiben. Was wurde erreicht? Keiner wird ernsthaft behaupten können, sich so intensiv seiner eigenen Sache angenommen zu haben, ohne im Glauben gewesen zu sein, dass es Kollateralschäden und Wunden nach dem Kampf geben wird. Wer die Gräben ausgehoben hat, wird egal sein, wenn die Sache durchgestanden ist. Akteure auf beiden Seiten werden sich vorwerfen lassen müssen, dem jeweils anderen die Schaufel nicht aus der Hand genommen, sondern sie beim Buddeln noch angebrüllt zu haben, dass sie gerade einen Graben ausheben. All das passierte neben einer politischen Debatte, die zum Großteil ausblieb und dem legitimen Mittel des Rechtseinspruches, von dem die Pro-Arndt Seite nun schon mehrfach Gebrauch machte. Anstatt einer verbalen Konfrontation am runden Tisch, einer Debatte auf Augenhöhe, die zu keiner Zeit von keiner Seite gesucht wurde – da reichen auch keine offenen Briefe – wurde mit Ressentiment, Beleidigungen und mindestens fragwürdigen Vergleichen um sich geworfen, besonders von den aktiven Pro-Arndt Akteuren. Egal wie sehr es sich die Organisatoren der Menschenkette wünschen und es verteidigen, „Antisemitismus war damals eine Krankheit wie politische Korrektheit heute“ (Norbert Emting, Student)* und „Wir lassen uns nicht von politischer Korrektheit wegfegen“ (Philipp Amthor, CDU Direktkandidat btw17)* sind keine Argumente für den Namenspatron, sondern Ressentiments und Angriffe gegen politisch Andersdenkende. Unter diesen Gesichtspunkten kann sich auch kein Veranstalter auf die Fahnen schrieben, dass 500-1000 Demonstrationsteilnehmer, die eigentlich ihren Namenspatron wiederhaben wollen, solche Parolen unterstützen, nur weil sie ein Einzelner von der Bühne propagiert. Zudem sollte es doch zu denken geben, wenn die lokalen Redaktionen E-Mails von verwunderten Eltern bekommen, die es sehr irritieren würde, „wenn mein Kind in einer Stadt studiert, in der Kommunalpolitiker auch 28 Jahre nach der Wende noch Unterschiede zwischen Studenten und Mitarbeitern aus Ost und West machen.“ ** Wer diese Redebeiträge liest und den Veranstaltungen beiwohnt, muss sich fragen, ob es überhaupt einen Unterscheid zwischen „die von drüben“, „die da oben“ und der akademischen Arroganz gibt? Wenn es um den Namen einer Universität geht und wer über diesen verfügen kann, vielleicht. Ernst Moritz Arndt war aber nie mehr als ein traditionsstiftendes Symbol. Niemand, ob Greifswalder oder zugezogener Studierender, hat in seinem Leben wohl ernsthaft versucht, jemals nach den von Arndt proklamierten Maximen zu leben. Aber darum ging es nie. Vielmehr offenbarte die Debatte erneut, dass die Region nicht nur in der Fläche groß ist, sondern auch geladen mit vielen Problemen und Sorgen der Bevölkerung. In ihr schwingt die gleiche Wut, Frustration und Angst mit wie bei der Landtagswahl. Und wie bei den Landtagswahlen offenbart auch diese Debatte, dass sich rechte Kräfte wie die AfD, FFDG oder die Identitäre Bewegung unter die Bürger mischen und eine möglicherweise entstehende Debatte im Keim ersticken und durch Beleidigungen, rechtes Gedankengut und Nationalismus vergiften – leider wie so oft. Damals waren es eben „die von da oben“, die alles schlecht gemacht haben, jetzt „die von da drüben“ und jemand, der die Einheimischen um etwas berauben möchte – wie so oft. Wem man in einer solchen Situation ausufernden Polpulismus und Ressentiments vorwerfen will, dem tut man nicht unrecht, dem spricht man aber auch eine Partizipation ab. Natürlich ist ein Name nie mehr als ein Symbol, aber wer will entscheiden, für wen welches Symbol wichtig ist? Das gilt für diejenigen, die Studierende als „Heuschrecken der Geschichte“ (Sacha Ott, Bürgerschaftsmitglied)*** bezeichnen, als auch für den, der den Greifswaldern diese symbolische Bedeutung des Uninamens abspricht. Was bleibt, ist eine Frage und eine Erkenntnis. Wir müssen uns jetzt alle gemeinsam der Frage stellen, ob es das wert war. Und wenn sich der Staub einer Aktionswoche, von Facebookposts, die sich nicht löschen lassen und von einer Bürgerschaftssitzung, die für keinen wirklich zufriedenstellend war, gelegt hat, wird die Erkenntnis reifen, dass sich Türen, die eingetreten wurden, nicht wieder verschließen lassen – es sei denn, man beginnt sie gemeinsam zu reparieren. Das bedeutet aber nicht, dass ein Kolloquium über Arndts Wirken als Kitt reichen wird. Bis dahin ist die Tür aber offen und wie ein kalter Wind wehen nun die Tatsachen hinein. Die Tatsachen, dass die Mauer in den Köpfen wohl noch steht, dass „drüben“ immer noch „drüben“ ist und dass ein Schnitt durch die Gesellschaft geht, der tiefer klafft, als sich vor einem Jahr wohl noch viele haben träumen lassen.

*laut OZ-Ticker, 11.02.
**liegt vor
*** Redebeitrag, Bürgerschaftssondersitzung