Die letzte Sitzung der Bürgerschaft für dieses Jahr hatte wieder einiges zu bieten.
Die Tagesordnung war wie gewohnt wieder sehr lang. Ganze vier DIN A4 Seiten umfasste sie dieses Mal. Einen großen Teil davon umfassten die Neubesetzungen der Gremien, 22 TOPs waren alleine dafür eingeplant. Damit hält sich die Bürgerschaft aber traditionell nie lange auf, gestern umso mehr. Zu wichtig waren die anderen anderen Tagesordnungspunkte, die schnellstmöglichst abgearbeitet werden mussten: Einen großen Brocken stellt in jedem selbstverwaltenden Gremium bekanntermaßen der Haushalt dar. Im Gegensatz zum Stupa werden solche Punkte nicht einfach durchgewunken. Was auch zu einem Skandal führen würde, der Haushalt ist schließlich keine Kleinigkeit. Alleine Band I des Doppelhaushaltes umfasst bereits knapp 700 Seiten, neben dem eigentlichen Haushaltsplan umfasst dieser unter anderem auch die Haushaltssatzung, den Vorbericht sowie den Stellenplan und das Investitionsprogramm. Also deutlich mehr als die bekannten Teilpläne A und B der Studierendenschaft.
Die Erstellung des Haushaltes für den Doppelhaushalt 2017/2018 stand unter einem denkbar schlechten Stern: Der langjährige Kämmerer der Stadt, Dietger Wille, hatte Mitte 2016 seinen Hut genommen und in den Landkreis gewechselt, weil ihn dort die Herausforderung reizte. Die Stadt musste daraufhin einen neuen Kämmerer finden, am Ende wurde es Tino Ringhand. Zufrieden schien man mit dieser Wahl aber nicht, in der Sitzung des Hauptausschusses im Dezember wurde der Beschluss gefasst, seinen Vertrag aufzulösen. Zu dem Zeitpunkt befand sich Ringhand noch in der Probezeit. Die Stadt stand also erneut ohne Kämmerer da, befand sich aber gerade in der Phase, in der der neue Haushalt aufgestellt werden sollte. Brisant dabei: Wer einen Haushalt aufstellt, muss natürlich einen Haushaltsabschluss vorlegen können. Die Planungen für ein Jahr müssen also mit den Ist-Zahlen am Ende des Haushaltsjahres abgeglichen werden. Nur so kann der tatsächliche Bedarf der einzelnen Bereiche festgestellt und überhaupt erst eine Planung für die kommenden Jahre stattfinden. Eigentlich. Denn was seit dem Weggang von Wille bekannt geworden ist: Seit 2013 fehlen die Jahresabschlüsse der Stadt, der Abschluss von 2012 steht auf der Kippe. Was dann passieren kann, weiß man bereits aus der Hochschulpolitik: Die Aufsicht (hier Innenministerium) genehmigt den vorgelegten Haushaltsplan nicht, Ergebnis ist eine vorläufige Haushaltsführung. Soweit wird es in Greifswald vermutlich nicht kommen.
Um nun die Haushaltsplanungen weiter fortsetzen zu können, musste jemand kurzfristig den Posten des Kämmerers übernehmen. Geworden ist es jetzt Gero Maas, der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes. So einfach geht es natürlich nicht, vom Rechnungsprüfungsamt zum Amtsleiter für Finanzen zu wechseln. Zunächst musste er dafür von seinen Aufgaben im Rechnungsprüfungsamt entbunden werden. Zu Beginn der Sitzung musste dafür noch die Tagesordnung geändert werden. Hätte die Bürgerschaft diese nicht geändert, wäre es dazu gekommen, dass der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes den Haushalt eingebracht hätte. Zeitgleich sollten auf der Sitzung zwei Stellen im Rechnungsprüfungsamt ausgeschrieben werden. Dabei kam es zu leichten Irritationen: Zwei Mitarbeiter scheiden nächstes Jahr aus dem Amt aus. So hieß es zumindest bei der Einbringung der Vorlage. Allerdings ist der Leiterin des Rechtsamts, Frau Demuth, keine endgültige Entscheidung dazu bekannt, die Kollegen haben lediglich angedeutet, in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu wollen. Die Stellen könnten deshalb nicht ohne weiteres ausgeschrieben werden, man könne höchstens weitere Stellen dort schaffen. Zum Ende der Debatte bat der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, der den Antrag eingebracht hatte, darum, die Vorlage zurück in die Ausschüsse zu verweisen und sie im Rahmen der Haushaltsdebatte zu berücksichtigen. Dem konnte sich die Bürgerschaft anschließen.
Doch bevor es zu der Debatte um den Haushalt überhaupt kam, gab es noch einen emotionalen Punkt auf der Tagesordnung: Jörg Hochheim, der bereits seit Oktober 1993 in und für die Stadt Greifswald tätig ist, hört zum Ende des Jahres auf. Eine so lange Zeit geht natürlich nicht ohne einen entsprechenden Abschied zu Ende. In den Abschiedsreden zählten sowohl Stefan Fassbinder als auch Monique Wölk und Birgit Socher – die nicht anwesend sein konnte, aber durch ihren Stellvertreter einen Brief verlesen ließ – den Werdegang und die Erfolge des Noch-Baudezernenten und Vize-OB auf. In seiner Abschiedsrede ging Herr Hochheim darauf ein, welche Tätigkeit er in der Verwaltung ausführen durfte; die kurioseste Kombination an Aufgaben war seiner Meinung nach seine erste Planstelle als Sachbearbeiter für Rettungsdienst und Wahlen. Sein Weg führte ihn über einige Umwege schließlich über das Amt des Kämmerers 2011 zum Amt des Beigeordneten und Vize-OB, von dem er sich nun verabschiedet, um nach Schwerin zu gehen. Dort arbeitet er fortan im Innenministerium und ist unter anderem für die Genehmigung der Jahresabschlüsse zuständig. Ganz los von Greifswald kommt er damit nicht.
Nach der Verabschiedung konnte es dann fast schon zum Haushalt kommen. Vorher gab es noch einige Satzungen, die neu gefasst werden mussten, außerdem ein paar Beschlussvorlagen. Die einzige, die dabei für die Studierendenschaft interessant werden könnte: Der Oberbürgermeister soll sich mit dem Investor der Dompassage kurzschließen und ihn konstruktiv begleiten. Die Dompassage liegt immerhin mitten in der Innenstadt und so nahe am neuen Campus Loefflerstraße, dass sich eine Nahversorgung wie mit dem nah&frisch Markt derzeit geradezu aufzwingt. Danach konnte es dann auch endlich zur Einbringung des Haushaltes kommen. Stefan Fassbinder wies erneut auf die schwierigen Rahmenbedingungen hin, unter denen der Haushalt entstanden musste. Für die detaillierte Vorstellung ließ er dann Maas den Vortritt. Von Details konnte dann aber auch keine Rede sein, in den 14 Tagen, die Maas nun am dem Haushalt arbeitet, konnte er sich unmöglich in alle Bereiche des Haushaltes einarbeiten. Er bat deswegen um Verständnis, wenn er Fragen lieber schriftlich beantworten würde. Zu Beginn seiner Arbeit stand er zudem vor dem Problem, ob man mit der bereits begonnenen Arbeit fortfahren sollte oder wieder von vorne anfangen sollte. Das hätte den Prozess allerdings um zwei Monate nach hinten geworfen und das wollte man angesichts der anstehenden Investitionen dann doch nicht. Schließlich stehen einige große Investitionen an: Das Zentrum für Life Science und Plasmatechnologie soll gebaut werden, der Hansering saniert. Ebenso einige Schulen und auch der Ryck hat bessere Zeiten gesehen. Die Einbringung wurde von der Bürgerschaft ohne große Debatte zur Kenntnis genommen, die drängendsten Fragen werden in den nächsten Tagen wohl von den Fraktionen an die Verwaltung geschickt werden.
Mit dem Großteil der Tagesordnung war die Bürgerschaft dann auch schon durch, lediglich die Standardpunkte mussten abgearbeitet werden. Sascha Ott von der CDU hatte noch was zum Punkt ‘Fragen und Anregungen der Bürgerschaftsmitglieder’: Er habe etwas in der FAS gelesen, das er der Öffentlichkeit nicht vorenthalten wollte.
Eine Stadt in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel, die sich Greifswald nennt, bringt jedes Jahr den grauenhaftesten Weihnachtsmarkt hervor, der je auf Gottes Erdboden gesetzt wurde
stand dort. Ob man daran nicht etwas ändern könnte, wollte er wissen. Schlechte Presse hatte Greifswald weiß Gott schon genug in letzter Zeit. Multhauf winkte daraufhin nur ab, seines Wissens nach sei die FAS konservativ, da sind Irrtümer quasi vorprogrammiert. Damit endete dann der öffentliche Teil der letzten Sitzung diesen Jahres der Bürgerschaft, nicht ohne dass das Präsidium den Anwesenden frohe Weihnachten wünschte. Die letzte Überraschung des Abends kam, als auch der nicht-öffentliche Teil der Sitzung endete: Bereits vor acht Uhr war man fertig. Bei dieser Tagesordnung hätte damit niemand gerechnet.
Beitragsbild: Michael Sander
Guter Artikel! Ein Lichtblick!
Wille weg, Hochheim weg, wunderbar. Dann kann der grüne OB jetzt ja endlich Greifswald gestalten, jetzt wo die CDU-Verwaltungsgranden ihn nicht mehr behindern. Also. Hopp hopp. Fahrradreparaturstation am Bahnhof, beschwimmbarer Ryck, Mehr Züge von und nach Greifswald, Fährsnleger und Tagungshotellerie. Es sind keine 6 Jahre mehr, die der OB noch auf der Uhr hat bevor seine Versprechen Wirklichkeit sind. Das passende Personal dafür wird sich ja finden lassen. Braucht vielleicht nur ein paar Anläufe. Dann erstrahlt Greifswald endlich in voller Blüte und bleibt nicht das heruntergewirtschaftete Nest der letzten Jahre.