Bald hast du ja dein 5-jähriges Jubiläum, laut flickr. Wie siehst du dich in weiteren 5 Jahren? Möchtest du diese Arbeit so fortsetzen oder siehst du da Erweiterungs- oder Veränderungsbedarf?

Was ihr alles recherchiert, ey! Danke erstmal für den Hinweis, dass ich das seit 5 Jahren mache. Ich weiß es immer nicht so genau. (lacht) Ich werde auf jeden Fall weiter so machen. Ich werde genau das so in der Form machen, wie ich es bis jetzt gemacht habe. Ich werde daran auch nichts großartig was ändern. Weder am Output noch an der Art und Weise wie die Fotos schlecht aussehen. Vielleicht mal gucken, dass ich meinen Horizont ein bisschen erweitere. Mal was anderes fotografieren. (…) Dass ich über die Deutschlandgrenze auch mal hinausgehe. Viele Möglichkeiten bleiben mir auch nicht. Also ich werde mich jetzt nicht zurückziehen. Ich wüsste auch nicht warum, würde auch nicht viel bringen, die Nazis vermissen mich ja dann auch so ein bisschen.


An- und Abreise zu Neonazidemonstrationen bedeuten ja nicht nur Gefahren für AntifaschistInnen, sondern auch für PresseverterInnen, gerade in eher schwierigeren Regionen in M-V oder Sachsen. Gab es schon mal heikle Situationen, bei dem du deine körperliche Unversehrtheit in Gefahr gesehen hast? Welche Ratschläge kannst du JournalistInnen mit auf den Weg geben, um sich bestmöglich darauf vorzubereiten bzw. sich selbst zu schützen und nicht unnötig in Gefahr zu begeben? 

Ratschläge kann ich nicht geben. (…) Ich würde auch keine Ratschläge geben wollen, weil die Nazis müssen sich nicht vorbereiten. (…) Es gab eine Situation die war jetzt doch recht akut brenzlich, aber auch unausweichlich, leider. (…) Als Journalist mit dem Fachbereich Neonazismus weiß ich, was für einer Gefahr ich mich aussetze. Und ich weiß, was passieren kann. (…) Es war eine ungünstige Situation, aufgrund meiner eigenen Dummheit, weil ich einmal nicht auf meine Sicherheit geachtet habe, mich zu sicher fühlte, das passiert jetzt einfach nicht mehr in Zukunft. Es war eine nicht coole Situation. (…) Aber ich denke, so eine Situation musste es irgendwann geben, weil es gab genug Ansagen, die die Nazis mir gegeben haben. Am Rande von ‘nem AfD-Aufmarsch hat ein Nazi zu mir gesagt, dass es interessant ist, wo ich überall alleine hinfahre und irgendwann kriege ich mal eine vorn Kopp. Dann hab ich gesagt, ja, so ist halt das Leben und so ist auch das Leben. Wenn du Fachjournalist bist, d.h. also nicht wenn du die Tagesschau moderierst, sondern wenn halt auch du draußen in der Wildnis bist, wenn du in Schneeberg bist, in Freital bist, in Heidenau bist oder meinetwegen auch in Demmin, in Ueckermünde bist, dann musst du damit rechnen was passiert. Klingt hart, klingt scheisse. (…) Ich weiß einfach, was ich mache. (…) Ich finde es manchmal bisschen absurd, wie sich Leute in diese Gefahr bringen und sich dann wundern, dass Nazis gewalttätig werden. Das ist der Kern der Ideologie, des Neonazismus, ist Vernichtung, Vernichtung von Menschen. (…) Ich habe keine Angst vor Nazis.


Ohne soziale Netzwerke geht heutzutage gar nichts mehr. Du selbst nutzt ja beispielsweise Facebook, Twitter und Instagram. Gerade auf Demonstrationen nutzt du Zweiteres für deinen Ticker. Welche Bedeutung haben für dich die einzelnen sozialen Plattformen? Siehst du darin eine Erweiterung deiner journalistischen Arbeit?

Ich würde es einmal unterteilen. (…) Facebook dient für mich eher zur Diskussion und Twitter eher zum Informationsoutput. (…) Man kann sehr schnell Informationen verifizieren lassen, man kann sehr schnell Informationen austauschen. Auch für die Verbindung zu anderen Kollegen ist es durchaus positiv. (…) Ich finde bei Twitter sind manche Sachen schnelllebiger, als bei Facebook. Mein größtes Problem bei Twitter ist: ich benutze den Ticker, um meine Sicht der Dinge zu beschreiben, wenn halt Aufmärsche sind, das ist ja sehr wichtig, um eventuell danach auch eine Auswertung zu haben und vielleicht ein differenziertes Bild zu haben. (…) Ich finde bei beiden auch unterschiedlich, wie Nazis agieren. Nazis haben Twitter noch nicht so entdeckt. (…) Es ist halt auch aufwendig, diese Betreuung. Die Leute wollen ja auch was konsumieren, die Leute wollen was mitkriegen. Gleichzeitig musst du auch gucken, dass du dich und die Leute schützt. (…) Ich hab so eine Art Stafflung: das journalistische (…) ist die Facebookseite. Bei Twitter gibt’s ab und zu natürlich persönliche Tweets. Instagram ist noch ein Schritt persönlicher. Auf Instagram achte ich noch einen Schritt mehr darauf, wer mir folgen kann, deshalb ist der Account auch auf Privat gestellt. Du kannst mir auf Facebook folgen, per abonnieren, das kriege ich nicht mit und kann ich auch nicht verhindern. Die Likes, wenn ich sie mitbekomme, sehe ich durch und lösche auch oft genug Rechte. Du kannst auf Twitter sozusagen meine tweets angucken, die nächste Sicherheitsschranke ist aber, dass ich dich dort blockieren kann. Dann gibt’s Instagram, da ist die Sperre, dass ich gucken kann, wer rein kommt. (…) Der Instagramaccount dient nicht nur zur politischen oder journalistischen Arbeit, sondern zu Werbung für Veranstaltungen oder um die Leute an dem ,was ich sonst auch so mache, teilhaben zu lassen. Ich finde, das gehört dazu, wenn man in die Öffentlichkeit geht. Allerdings achte ich da sehr genau, wer mir folgen will.

Interview-Kohlhuber(2)


Neben Demonstrationen gehst du ja auch ins Stadion, wo man wöchentlich politische Slogans auf Bannern und Aktionen sehen kann. In verschiedenen Vereinen gibt es innerhalb der ULTRAS-Szene auch verschiedene politische Strömungen. Dahingehend beschäftigst du dich ja auch mit rechter und linker Fußballfanszenen, gerade im Raum Berlin/Brandenburg. In welcher Rolle siehst du dahingehend Fussballvereine und Fanzusammenschlüsse wie beispielsweise die ULTRAS? Welche Wirkung hat politische Fankultur auf Vereine und auf die Gesellschaft?

Vereine sind für mich wichtige Bestandteile der Gesellschaft. Sie sind Teil der Zivilgesellschaft, gerade in kleinen Ortschaften. Ich kenn das aus Bezirken in Berlin, dass eben Vereine bei der Refugees-Welcome Arbeit mit Flüchtlingen was zusammen machen, Jugendmannschaften aufbauen, Bälle spendieren etc. (…) viele Vereine sind einfach dumm, blöd, idiotisch und gerade viele Vereinsvorsitzende sind einfach vollkommen fehl am Platz, vollkommene Idioten. Die halt der Meinung sind, der Verein muss unpolitisch sein. Das ist totaler Schwachsinn, der Verein muss politisch sein. Er muss Politik ergreifen, er muss nicht für CDU oder SPD sein, er muss für die Demokratie und den demokratischen Zusammenhalt da sein, er muss für die Vielfältigkeit da sein. Dementsprechend sind gerade Vereine wichtig, besonders Fussballvereine, in Regionen wie Vorpommern, Erzgebirge, in Regionen wie Lausitz, die halt da existieren, wo es eben weh tut, ein Zeichen setzen. Problem: Fussball, gerade als Männersport, zieht halt einfach Unmengen an Nazis an. (…) Es gibt keinen unpolitischen Fussball. (…) Die Hansa ULTRAS sind zum Beispiel politisch, wenn sie sich für die S-Bahn einsetzen. (…) Politik ist immer beim Fussball da gewesen (…) Als Verein, als Eigentümer des Stadions, hast du die Möglichkeit das Hausrecht auszusprechen. (…) Du musst einfach rechte Pisser nicht dulden, da hat beispielsweise Werder Bremen auch eine klare Ansage gemacht. (…) Die Vereine haben die Möglichkeit etwas zu machen, die Frage ist: machen sie was? (…) Man muss aber auch, und das ist so ein Ding das an linke ULTRAS und Fans geht, auch manchmal ein bisschen pragmatisch rangehen und eine Entwicklung betrachten. (…) Viele Bilder die oft stattfinden, sind auch festgefahren. Man lebt in einer bipolaren Welt, inder man die Vereine unterteilt in Rechts und Links. Auf der linken Seite haben wir natürlich St. Pauli, Babelsberg, Bremen und auf der rechten Seite haben wir immer Rostock, Cottbus, Leipzig (Lok), aber man betrachtet nicht was in den Vereinen stattfindet. (…) Es sind halt einfach Imagesachen, die da eine Rolle spielen und da können ULTRAS, auf beiden Seiten, viel für tun. (…) Mehr als bei Verbänden. Es reicht halt nicht eine Rote-Karte Aktion aus. (…) Bei vielen Vereinen ist es so, wenn ich gegen Rassismus bin, bin ich politisch. Nein! Du bist erstmal nur demokratisch. Du machst erstmal nur das, was du eh machen sollst. Und das raffen viele Vereine nicht. (…) Eventuell findet dann auch mal irgendwann ein Umdenken statt, weg von diesem offensivem Unpolitischen, hin zu diesem: Ja zu Demokratie! Ja zu Antirassismus! Ja zu Antifaschismus!


Nach Deutschland, deine Nazis“ ist vor deinem neuen Buch. Wann können wir ca. damit rechnen? Was machst du eigentlich zu deinem 5-jährigen Jubiläum am 24. September?

Am 24. September werde ich zum 5-jährigen Jubiläum sicherlich eine Lesung abhalten. Ich habe noch nicht den Ort, aber ich weiß, dass es so sein wird. Das nächste Buch heißt nicht mehr so wie der Arbeitstitel war „50 mal durch die Braune Zone“. (…) Der Titel kam nicht so gut in meinem Freundeskreis an. Jemand hatte einen Titel, der wesentlich besser passte zum Thema, und besser zum Titelbild was ich im Kopf hatte. Es wird jetzt  heißen: „Retrofieber – Wenn Neonazis die ostdeutschen Straßen zurückerobern“. Weil vieles von dem, was ich erlebt habe, waren halt Situationen, in denen man die Bilder im Kopf hatte von Rostock Lichtenhagen, von Hoyerswerda, von Cottbus. (…) Meine soziale Vergangenheit ist Lichtenhagen, ist Cottbus, ist Hoyerswerda, sind brennende Flüchtlingsunterkünfte in Berlin. Dementsprechend kann ich da nicht zugucken, wenn sowas wie Freital passiert. (…) Deswegen fand ich diesen Titel so treffend. (…) Wir reden von einer Situation, in der mehr Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte hatten, als ’91, ’92 und ’93. Wir reden von einer Zeit in der eine Partei, die nicht wie die NPD, sondern noch schlimmer ist und mit großen Prozenten in den Landtag in Brandenburg eingezogen ist. Wir reden über eine Zeit, die sehr schlimm ist. Wir haben eventuell keine Nazimorde mehr, ich befasse mich ja viel mit Gedenken. Aber die Gefahr, des gesellschaftlichen Umbruchs, ist wesentlich höher. Und deswegen dieses „Retrofieber“, die Leute haben ein Fieber, sind im Wahn und wollen ein völkisch-nationalistisches Aufbegehren, gerade auch seit der Weltmeisterschaft 2006. (…) Die Entwicklung ist kausal. (…) Mein Fokus lag im letzten Jahr darauf, Leute zu unterstützen. Wenn ich höre, dass in M-V die Leute Probleme haben, MVgida Aufmärsche zu begleiten, dann muss ich zum Beispiel nach Stralsund fahren. Wenn ich höre, dass ein Kollege in Rathenow angegriffen wird, dann bleib ich nicht Berlin, dann fahr ich dahin, um ihn zu begleiten und zu unterstützen. Ihm zu zeigen, er ist nicht alleine und dann kommt erst an zweiter Stelle das mit den Fotos. Und so unterscheidet sich das auch nochmal, wo ich wie gewesen bin. (…) Im Vergleich zum letzten Buch sind es eventuell doppelt so viele Seiten. Ich wollte eigentlich im Juni schon fertig werden, gehe momentan aber davon aus, dass es erst im September etwas wird. Und sprich zum neuen Herbst eine neue Tour, mit neuen Ort, aber eventuell auch mit Orten, die ich schon besucht habe. (…) Die Leute haben viel mehr Interesse an dem was 2015 passierte, als von 2014.


Wir sind ja hier in Vorpommern. Normalerweise hätten wir das Interview in einer schäbigen Bushaltestelle aufm Dorf führen müssen. Aber das klex hat uns freundlicherweise die Räumlichkeit hier zur Verfügung gestellt. (Danke dafür!) Und wenn man in Vorpommern ist, muss man auch über die gefährlichste Band des Landes reden. Du hast nun die Möglichkeit, 3 Dinge zu Feine Sahne Fischfilet zu sagen, die du schon immer mal loswerden wolltest.

Das Problem ist: ich darf nicht zu positiv reden. Monchi hasst es, wenn ich zu positiv von FSF rede. Es gibt für mich keine überregional bekannte Zeckenband, die dermaßen antifaschistisch ist, heißt: so oft auf der Straße präsent ist, denen ich den Antifaschismus auch abnehme.  (…) Liegt nicht unbedingt an der Größe der Band, sondern daran, wie die Leute in der Band sich definieren. Die Band ist ein Musik-, ein Kunstprodukt, wo sie auch persönliche Sachen reinbringen. Aber die Leute, die Protagonisten, sind Antifaschisten durch und durch und die siehst du auf der Straße. (…) Es gibt viele Interpreten, die nicht auf der Straße zu sehen sind, die nur zu sehen sind, wenn sie bei einer Demonstration Acts sind oder wenn sie irgendwo Konzerte geben. (…) anders FSF, eine Band, die wahrscheinlich die poppigste Band der Szene ist, die dennoch so viel an der Basis dran ist. Ziehe ich meinen Hut vor! Eine Band, die ich mit allen Facetten, mit allen Fehlern, die ihnen nachgesagt werden, absolut liebe und vergöttere, das non plus Ultra. Wo kommen sie her – sie kommen aus M-V, sie kommen nicht aus Berlin, aus irgendwelchen starken linken Szenen, sondern aus Demmin, Loitz Jarmen – da ist die Entscheidung, entweder bist du Nazi oder nüscht. Und sie haben halt die Entscheidung getroffen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich Antifaschisten zu sein. Sie vergessen nicht, wo sie herkommen. Auch wenn Monchi mich dafür hasst, dass er im alten Buch rüberkommt wie ein Held, aber es ist was anderes als bei anderen linken Bands und Musikern. (…) Ansonsten fällt mir noch ein, immer wenn Monchi mich im Namen der Band anschreibt, dann klopft mein Herz. Das Größte, was er machen konnte, war, mich auf die Burg Klempenow als Trash-DJ, als Rausschmeißer, einzuladen. (…) Dafür danke ich der Band auch, dass ich das machen konnte. Und selbst wenn sie was Schlechtes machen, überwiegt bei mir das Positive. Mich verbindet auch viel mit der Bodenständigkeit der Band. (…) Ich glaube das FSF wichtig ist für M-V, wichtig ist für die Linken, gerade im Dorf. Und ich hoffe, dass die Band weiterhin dementsprechend agieren und da sein wird. Vielleicht schaffen sie es auch ein 4. oder 5. Mal in den VS-Bericht, das kann nur gut sein. (…) Dass sie auch weiterhin nicht vergessen wo sie herkommen, wo die Probleme waren und dass sie auch da sein werden, sich Raum und Zeit nehmen, um beim Naziaufmarsch in Demmin oder anderen in M-V zu sein. Dass sie nicht vergessen, dass sie noch Teil dessen sind und eine Verantwortung haben. Ich denke das werden sie auch machen. (…) Ich finde es cool, wie so ne kleine, hässliche Schülerband aus M-V es geschafft hat, so hoch zu kommen und trotzdem so nah am Boden zu sein – einfach ein gutes Vorbild für mich und meine Arbeit.

Bilder: Tom Peterson/ Magnus Schult