Von Stahlträgern und bunten Fahnen – die Woche hatte für jeden (noch so schlechten) Geschmack etwas dabei.
Manche Dinge sind so unglaublich, dass man mehrmals hingucken muss, um sich sicher zu sein, dass das tatsächlich gerade so passiert. Ein Stahlträger, der mehrere Stunden die Europakreuzung blockierte, war diese Woche aber nicht das Unglaublichste, was uns untergekommen ist. Wir schreiben das Jahr 2016 – die meisten von uns jedenfalls – und an unserem schönen (roten) Rathaus hing eine “bunte Fahne”. Nicht nur das, sie war sogar “stundenlang deutlich zu erkennen”. Nun könnte sich natürlich ein Designer oder ein im fachlich ähnlich angesiedelten Berufe Tätiger über die sich beißenden Farben des Regenbogens auf rotem Untergrund beschweren, das ist aber nicht der Fall. Jedenfalls nicht öffentlich. Stattdessen stellt die hiesige Fraktion der “Rechts von der CSU darf es keine legale Partei geben”-Schwesterpartei eine elf Fragen umfassende Kleine Anfrage, bei der einem erstmal die Spucke wegbleibt. So wollen sie zunächst wissen, um welche Art der Beflaggung es sich bei der konsequent “bunte Flagge” genannten Regenbogenfahne handelt und wer diese anordnete. Der Ruf Vorpommerns, dass hier alles 50 Jahre später passiert, wäre damit erstmal wieder erfolgreich verteidigt. Glückwunsch! Aber weiter im Text: Für den Fall, dass die Beflaggung nicht angeordnet wurde, will die CDU zumindest den Namen des Verantwortlichen genannt wissen. Und natürlich auch, ob jeder, der legal Zugang zu den Fenstern hat, eine Beflaggung durchführen darf. Als Beispiel für eine Beflaggung schwebt ihnen da die Bundesflagge vor. Für den Zeitraum der EM. Was sie den Rest der Zeit für eine angemessene Beflaggung hält, schränkt sie nur so weit ein, als dass die Flagge nicht verboten sein darf. Durch die Blume fordert sie den Oberbürgermeister dazu auf, disziplinarische Maßnahmen bis hin zu Anzeigen wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu prüfen, falls die Aktion gegen eine Rechtsvorschrift verstoßen hat. Wenn etwas nämlich gar nicht geht, dann Sympathiebekundungen im öffentlichen Raum. Für die Bürgerschaft hat die CDU dann auch noch einen Antrag vorbereitet, dass Jugendliche, die Graffitis versprühen und sich dabei erwischen lassen, diese auch wieder entfernen müssen. Aufkleber genau so. Das liebgewonnene, regelmäßig durchgeführte Ritual der Lokal-CDU, die Schandflecken möglichst öffentlichkeitswirksam und gemeinschaftlich aus dem Stadtbild zu tilgen, dürfte damit leider der Vergangenheit angehören. Zukünftig sollen also die Jugendlichen dafür sorgen, dass das Stadtbild den Augen der Einwohner und Touristen wieder schmeichelt. Was es ja mit Graffitis nicht tut. Und das schädigt bekanntermaßen dem Image der Stadt. So die CDU in ihrem Antrag. Mit diesem Antrag sind sie allerdings schon deutlich weiter als ihr Fraktionsgeschäftsführer vor einigen Jahren, der damals – selbstverständlich als Privatperson – auf einem sozialen Netzwerk den Wunsch äußerte, dass den im öffentlichen Raum künstlerisch tätigen Missetätern doch die Hände abgehackt werden sollte. Achja, #Kontext: Die Beflaggung mit der Regenbogenfahne fand anlässlich des Tags der Akzeptanz statt. Vielleicht sollte die CDU mal an einem teilnehmen, dann weiß sie auch, was eine Regenbogenfahne bedeutet. Aber wahrscheinlich dauert es noch 50 Jahre, bis das Thema in Vorpommern und seinen Köpfen angekommen ist. Bis dahin gibt es aber auf jeden Fall noch einige Montage.