Rechte Straftaten haben in Mecklenburg-Vorpommern und bundesweit erheblich zugenommen.

Das Ministerium für Inneres und Sport veröffentlichte im April die Statistik zur Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität des Jahres 2015 in Mecklenburg-Vorpommern. Mit alarmierenden Zahlen: rechte Straftaten nahmen zum Vorjahr um 49,8% zu. Auch bundesweit ist diese Tendenz erkennbar. Aus einer regelmäßig schriftlichen Anfrage über „rechtsextreme und fremdenfeindliche Straftaten“ der Linken-Politikerin Petra Pau beim zuständigen Bundesministerium geht hervor, dass ein Anstieg von über 30 Prozent zu verzeichnen ist. Zum Vergleich: während 2014 insgesamt 10541 politisch-motivierte Straftaten von Rechts gemeldet wurden, waren es 2015 13846. Diese Zahlen sind jedoch nur vorläufig, da die Polizei immer wieder Fälle nachmeldet. Eine Korrektur nach oben ist somit nicht auszuschließen. Jedoch ist eines bereits Gewissheit: die Gefahr von Rechts ist größer denn je.

M-V, gefährlich braunes Pflaster?

anstieg rechter gewalt

Das nordöstlichste Bundesland Deutschlands hat ein braunes Problem, nicht erst seit heute. Bereits in den 90er Jahren sind in vielen Regionen Neonazi- und Kameradschaftsstrukturen entstanden, die bis heute, besonders im ländlichen Raum, aktiv sind. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die NPD, die aktuell im Verbotsverfahren steht. Seit 1990 in M-V aktiv, stellt die Partei den politisch-verlängerten Arm der Rechten in Mecklenburg und Vorpommern dar. Mit einer Flugblattaktion unter dem Motto: „Rostock bleibt deutsch – Widerstand gegen die Ausländerflut“ hetzte bereits zu dieser Zeit ein heutiges Mitglied und Anwalt der NPD, Michael Andrejewski, gegen Geflüchtete und Gastarbeiter. Besonders nach den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen 1992 wurde der Nährboden für menschenverachtendes Gedankengut in M-V weitergesät. Mittlerweile ist die Partei seit 10 Jahren im Landtag, deren Vertreter einschlägig bekannt, teilweise mit dem Gesetz in Konflikt geraten und mit der hiesigen Neonazi- und Kameradschaftsszene vernetzt sind. Wenn man über die Gefahr von Rechts spricht, führt also auch kein Weg an der NPD vorbei: es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Partei und den rechten Strukturen in M-V. Ein gefährlich braunes Pflaster.

Deutlicher Anstieg der rechten Straftaten in M-V

Bereits am 8. März diesen Jahres veröffentlichte die landesweite Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt, kurz LOBBI e.V., in ihrer Pressemitteilung „Wer schweigt, stimmt zu“ eine deutliche Statistik. Demnach war die Zahl rechter Gewalttaten 2015 in Mecklenburg-Vorpommern so hoch wie noch nie: 130 Gewalttaten gegen etwa 220 betroffene Menschen, meist Geflüchtete, was im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von über 50% bedeutet. Zudem wurden 8 Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte verübt und zahlreiche Angriffe auf GeflüchtetenhelferInnen begangen. Die Dunkelziffer kann bei weitem höher sein.

Häufig erfahren wir von einem Angriff nur, wenn er polizeibekannt ist und in der Folge öffentlich wird. Von den 130 uns bekannten Übergriffen wurden jedoch nur 100 zur Anzeige gebracht.

(Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der LOBBI, Pressemitteilung vom 08.03.2016)

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2015: Anstieg rechter Gewalttaten, Quelle: Endstation Rechts.

In der Pressemitteilung des Ministeriums für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommerns wird deutlich, welchen Anteil Rechts in der Erfassung politisch-motivierter Straftaten hat: 82% aller erfassten Delikte gehen auf das Konto rechter TäterInnen.

Der nach wie vor hohe Anteil der Politisch motivierten Kriminalität „Rechts“ an allen Straftaten macht hier deutlich, dass in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin nicht von einem Rückgang der polizeilich relevanten Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene ausgegangen werden kann.

(Lorenz Caffier, Vorstellung des Jahresberichts 2015 über die Politisch motivierte Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern)

Insgesamt gab es im Jahr 2015 über 1000 rechte Straftaten in M-V, was im Vergleich zu 2014 (689) ein Anstieg von etwa 30% bedeutet. Besonders Hasskriminalität, worunter auch Fremdenfeindlichkeit fällt, nahm enorm zu. Waren es 2014 noch 62 Fälle, stieg die Zahl 2015 auf 313. Auch die Straftaten gegen Geflüchtetenunterkünfte nahmen drastisch zu. Wurden 2014 noch 9 Fälle registriert, waren es 2015 49, bei denen es sich meistens um Volksverhetzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung handelte. Nur 18 Straftaten konnten davon aufgeklärt werden.

Rechtsextremisten versuchen mit populistischen Themen wie „Ausländergewalt“, „Asylmissbrauch“ oder die vermeintliche „Islamisierung“ breite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Die Unterbringung von Geflüchteten bildet dabei ein zentrales Element. Gerade in diesem Zusammenhang zeigt sich der „Erfolg“ rechtsextremistischer Hetze. Die geschürten Ängste schlagen vermehrt in Hass um, der auch in den bundesweit erheblich angestiegenen Straftaten gegen Asylbewerber und deren Unterkünfte zum Ausdruck kommt.

(Lorenz Caffier, Vorstellung des Jahresberichts 2015 über die Politisch motivierte Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern)

 

Bundesweit: Gefahr für Leib und Leben

Doch nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern steigt die Gefahr von Rechts. Auch bundesweit zeigen die neusten Statistiken eine alarmierende Realität: sowohl Gewalttaten als auch die Gesamtheit aller Straftaten nehmen besonders gegen Geflüchtetenunterkünfte erheblich zu. So gab es 2014 175 und 2015 923 Straftaten, 5x mehr als im Vorjahr (eingeschlossen Gewalttaten). Jeden Tag also mehr als 2 Straftaten gegen Unterkünfte, in denen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror Schutz suchen. Bei den Gewalttaten springen besonders Brandstiftungen und Körperverletzungen hervor. Gab es laut dem zuständigen Bundesinnenministeriums im Jahr 2014 6 Brandstiftungen gegen Geflüchtetenunterkünfte, waren es 2015 bereits 76 registrierte Fälle. Auch Sachbeschädigungen (2014: 54; 2015: 324) zeigen einen sehr deutlichen Anstieg. Besonders in den Monaten August, September und Oktober stieg die Zahl rechter Straftaten in Deutschland deutlich an. Allein im Oktober 2015 gab es über 1700 registrierte Fälle (Vgl. 2014: 926), darunter 137 Gewalttaten (Vgl. 2014: 34), bei denen über 100 Menschen verletzt wurden. Runtergerechnet sind das also 3 verletzte Menschen pro Tag.

Erfahrungsgemäß verdoppeln sich die Zahlen nach der Nachmeldung der Polizeibehörden von Bund und Ländern noch einmal. Das heißt, wir haben täglich drei bis vier rechtsextrem motivierte Gewalttaten.

(Petra Pau (Die Linke) zur Jahresbilanz 2015, Quelle: Spiegel Online)

Rassismus in seiner gesellschaftlichen Ausbreitung im Alltag, an der Universität, auf der Straße und in den sozialen Netzwerken ist allgegenwärtig. Wer heute verharmlost, dazu schweigt, wegsieht und das Problem verkennt, trägt eine Mitverantwortung für die daraus resultierenden Straftaten. Die sogenannten „asylkritischen Abendspaziergänge“, die „Asylkritiker“ und die „asylkritischen Haltungen“, die uns tagtäglich begegnen, sind der Anfang und vielmehr sogar schon das Ergebnis der gesellschaftlichen Verharmlosung von Rassismus. Wieviel Menschen sollen noch Opfer rechter Gewalt werden? Deutschland, Gefährlich Rechts.


Anmerkung: Bei allen Zahlen handelt es sich nur um die bisher registrierten Fälle der Polizei.

(Beitragsbild: Panorama, NDR)
Bild: Paul Zimansky; Grafik: Endstation Rechts.)

(Quellen: Petra Pau (20142015), Bundesministerium des Inneren: 1,2 , Ministerium für Inneres und Sport M-V: 1)