Niewiedzialne/Unsichtbar/Invisible – das ist der Titel des preisgekrönten Dokumentationsfilms der Polin Zofia Pręgowska. Der Landesverband Filmkommunikation e.V. Mecklenburg-Vorpommern und der Greifswalder Filmclub Casablanca ermöglichten die Präsentation in unserer Hansestadt. Das Thema ist sehr ernst. Es geht um Alter, Behinderung und Menschlichkeit.
Altern in Deutschland – ein Thema mit zwei Gesichtern. Auf der einen Seite geht das Leben nach dem Eintritt in das Rentenalter erst richtig los. Der Traum von der ewigen Jugend ist aktueller denn je. Zwischen Operationen und Seniorenmarathons bleibt kaum Zeit für die Enkel. Selbst den Begriff „Senior“ würden einige sehr gern aus dem Duden streichen. Auf der anderen Seite gibt es auch eine hässliche Fratze des letzten Lebensabschnitts. Die Kernpunkte bilden Altersarmut, Rente mit 70 und Enkeltricks. Ehe es in die Nacht geht, gehen Bürger und Bürgerinnen hierzulande durch die Hölle. Der Umgang mit der älteren Gesellschaft ist von Land zu Land unterschiedlich. Während hier selbst Seniorenresidenzen von Bewohnern und Bewohnerinnen gar wie das Ende beschrieben werden, – abgeschoben, ausgegrenzt – ja quasi als würdeloser Ort vor dem letzten Gang, werden im östlichen Nachbarland Senioren geachtet und geschätzt. In Polen kommt es einer Sünde gleich, Mutter oder Vater in ein Heim zu geben. Diese Mentalität muss man kennen, um die Dokumentation von Zofia Pręgowska verstehen zu können.
All das bleibt Frau Krystyna erspart. Es geht um eine alte Frau, die in Warschau wohnt. Sie wird durch Pflegepersonal und ihren Sohn betreut, der, wie Frau Pręgowska es während der Diskussion nach der Vorführung im Café Koeppen am letzten Freitag verraten hat, neben seinen zwei Jobs noch seine Mutter häufig unterstützt. Krystyna wird bald 90 Jahre. In der 2014/15 entstandenen Dokumentation ist die alte Dame noch 88 Jahre alt und erblindete bereits circa zehn Jahre zuvor. Durch die Lebensumstände zum Sparen gezwungen, wirft sie die Filzstifte, mit denen sie ihre leidenschaftlichen Gedichte schreibt, nicht weg, sondern nutzt sie weiter. Sie kann auch nicht sehen, was und ob sie etwas zu Papier bringt. Dadurch sind die Verse nicht selten unvollständig und für Betreuer Zbyszek, der sich über seine Tätigkeit hinaus mit den Werken beschäftigt, häufig unsichtbar. Die Unsichtbarkeit war das Konzept der Dokumentation. Natürlich sollte am Ende ein Film entstehen, aber die Beteiligung des Filmteams war so unsichtbar wie die Fliege auf einem Bild in einem Zimmer. So erklärt es die Regisseurin sehr bildhaft nach der vorerst letzten Aufführung in Mecklenburg-Vorpommern. Die Geschichte der Krystyna, die sich auf einen Dichter-Wettbewerb in Olsztyn vorbereitete, reiste bereits bis auf den nordamerikanischen Kontinent. Ursprünglich handelte es sich um ein Projekt der damaligen Studentin an der Warschauer Universität. Im vergangenen Jahr gewann sie damit das Stettiner Filmfestival und den Findlingspreis. Auf den teilweise lustigen, sehr unterhaltsamen und auch überaus nachdenklich stimmenden Film werden hoffentlich noch zahlreiche weitere dieser Künstlerin folgen.
Beitragsbild: Michael Fritsche