Während des Nordischen Klanges, der ja auch schon ein paar Tage vorbei ist, besuchten die beiden Dänen von „Rest in Beats“ das St. Spiritus. Irgendwie zwischen Zeitmangel, Schubladendenken und der richtigen Sprache für die Songs.

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Razwan und Sebastian sehen noch ziemlich frisch aus, als sie eine Stunde vor ihrem Auftritt den Soundcheck im St. Spiritus machen. Sie sind erst vor knapp drei Stunden aus Kopenhagen angekommen in Greifswald. Morgen früh werden sie direkt wieder los müssen – das nächste Konzert in der Heimat steht an. Trotzdem lohnt sich die Reise für die beiden, es ist ihr erster Auftritt außerhalb von Dänemark. Im Gespräch vor dem Auftritt stellt sich heraus, dass die Grundsteine für den Auftritt bereits vor drei Jahren gelegt wurden. Bei einem Jazzfestival in Kopenhagen hatte Dr. Frithjof Strauß, Lehrstuhlinhaber für Neuere Skandinavische Literatur und Mitorganisator des Nordischen Klanges, Razwan singen hören und bestand darauf, dass sie nach Greifswald kommen müsse. In diesem Jahr und neuer musikalischer Besetzung war es soweit – die E-Mail mit der Einladung kam. Also liehen sich die beiden kurzerhand den Transporter von Sebastians Eltern und fuhren nach Greifswald. Das erste was sie feststellen mussten: In einem Feld voller Raps zu stehen, macht die Hosen irgendwie gelb. Auch sonst sieht die Landschaft hier irgendwie anders aus, obwohl dieser Flair, den die beiden liebevoll als „baltic culture“ bezeichnen, definitiv rüberkommt.

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Beide musizieren mittlerweile schon eine ganze Zeit miteinander. Sie lernten sich bei der gemeinsamen Zeit in der Kopenhagener Hiphop/Soul-Band Billow kennen. Dort entdeckten sie, nach eigenen Angaben, nicht nur ihre gemeinsame Vorliebe für elektronische Musik, sondern auch für einander – die beiden sind ein Paar. Ihre Musik beschreiben sie selbst als organisch, elektronisch, poetisch und dänisch. Wobei das letzte wohl im Vordergrund steht. Einen Großteil der Texte verfasst Razwan auf dänisch. Die Sprach sagt ihr mehr zu, sie kann die Gefühle und das, was sie sagen will, besser rüber bringen. Dabei scheint es gar nicht so wichtig zu sein, dass das Publikum alles versteht. Viel mehr soll das Gefühl, das bei den Songs transportiert wird, in den Vordergrund gerückt werden. Das funktioniert soweit ganz gut:

Natürlich gibt es auch Songs auf Englisch. Sebastian weiß zu berichten, dass er immer wieder versucht, Razwan zu überzeugen mehr auf Englisch zu schreiben – einfach um sich auch für ein breiteres Publikum zu öffnen. Im Greifswalder St. Spiritus scheint das kein Problem zu sein. Entweder mehr Greifswalder als gedacht können dänisch, oder – was wahrscheinlicher ist – Razwan schafft es tatsächlich, nur mit ihrer Stimme, die Emotionen in den Texten rüber zu bringen. Dabei scheint es auch gar nicht so wichtig, dass alle Texte selbst geschrieben werden. Ihre neue Single „birds can die“ ist eine Hommage an die iranische Dichterin Forugh Farrochzad. Von einen Freund ließen sie eines ihrer Gedichte auf dänisch übersetzten und vertonten es. Das Video dazu produzierten sie vor kurzem in einem Sommerhaus in Eigenregie, es wird in den kommenden Wochen erscheinen.

Zwischen Schubladen und Role Models

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Die eigene Musik zu beschreiben ist, ja immer so eine Sache bei Künstlern. Natürlich will niemand in Schubladen gesteckt und mit Anderen verglichen werden. Das ist bei Rest in Beats nicht anders. Auf den ersten Blick kann man die Musik der beiden natürlich irgendwo zwischen Massive Attack und Portishead einordnen, zumindest wenn man bereit ist, eine Idee Son Lux dazu zu geben. Sebastian kennt diese Vergleiche, findet die eigene Musik aber doch ein wenig roher und härter – mehr HipHop als Trip Hop. Den schönsten Vergleich, den sich Razwan anhören durfte war, als sie jemand mit Lauren Hill verglichen hat. Beide sagen aber selbst, dass ihre Musik aus vielen verschiedenen Richtungen beeinflusst wurde. Die Backrounds aus denen die beiden kommen, könnten nicht unterschiedlicher sein. Razwan ist ursprünglich in der Jazz Szene zu Hause, Sebastian hat seine musikalische Karriere in der Kopenhagener HipHop DJ Szene begonnen. Und so klingt auch die Musik. Frisch, elektronisch, tektonisch und neu. Alles andere, als die gewöhnliche Monotonie, in der der Trip Hop sich selbst eingesperrt hat, anders als reine, basslastige Beats, die man sofort dem Hip Hop zuordnen könnte. Dazu kommt, dass Razwan kurdische Wurzeln hat, was sich auch auf die Art, wie sie singt widerspiegelt. Schubladen und Standards gibt es in der Kombo nicht. Diese Mischung und die Tatsache, dass man das Ergebnis nur schwer in eine Box legen kann, gefällt den beiden. Genauso wie dem Publikum.

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Der Auftritt war ein voller Erfolg; bis zu dem Punkt, an dem die beiden das Konzert für beendet erklären, das Publikum sie wieder auf die Bühne klatscht und eine Zugabe fordert.

Wir würden super gerne eine Zugabe spielen, aber wir haben schon alle Lieder gespielt. Also wollt ihr vielleicht einfach ein Lied noch einmal hören?

Unverschämt sympathisch, was die begeisterten Zuschauer natürlich wollten. So konnten alle noch ein zweites Mal zu bester Livemusik tanzen.

Fotos: Philipp Schulz, Interviewszene: Lukas Treise (GreifswaldTV)