Gestern bespielte das Ensemble des Studierendenparlamentes zum zweiten Mal in der noch jungen 26. Spielzeit das Haus in der Loeffler-Straße 70, erstmals ohne Chefdirigenten Marc Benedict. Eine Rezension.
Erstmals in der noch jungen Geschichte der neuen 26. Parlamentssymphoniker wurde ein fast ausverkauftes Haus bespielt. Dies lag wohl nicht zu letzt an dem Schwierigkeitsgrad und der Aktualität, unter der die gestrige Aufführung stand. Uraufgeführt wurde eine eigene Interpretation der Senatsversion von „Problematiken mit rechten Strukturen und der Umgang mit ihnen“. Für das, ursprünglich als Intermezzo geplante Stück namens Infotop wurde der Justiziariats-Solist Stefan Wehlte von der Universität zu einem Gastspiel geladen. In einem gefühllosen, aber technisch nahezu perfektem Frage- Antwortspiel mit dem Ensemble wurden virtuos Gedanken ausgetauscht. Es erinnerte an einen jungen Kubicki. Wenig überraschend orientierte sich auch die insgesamt vierte Aufführung des Parlaments an R.R. Georgys „Theater Direkt“ mit viel Publikumsbeteiligung und freier Improvisation. Ein Stilmittel, von dem auch in der 26. Auflage des Theaters nur selten Abstand genommen wird, sorgt es doch immer wieder für erfrischende Überraschungen und Aha-Momente, die den, sonst oft eintönigen und verbraucht wirkenden Ablauf positive neue Richtungen geben.
Bereits nach gespielten 45 Minuten wurde die erste viertelstündige Pause verkündigt. Man merkte den Künstlern an, wie schwierig einige Passagen zu spielen sind. Gerade im Wechselspiel mit Vollberuflern von der Universität wie Wehlte und Schattschneider reichten oft keine einfachen Arien von einzelnen Mitgliedern der Gruppe, die Einheitlichkeit fehlte. Zu oft merkten die Zuschauer, dass die Parlamentarier in ihrer manischen Hingabe an die moralische Positionen viehisch wurden. Sie konnten den engen Verhältnissen der Gemeinschaft nicht entrinnen; und das meint nicht nur Demmin, sondern die gesamten, moralisch sicherlich richtigen, Beschlüsse, die in ihrer omnipräsenten Nicht-Belastbarkeit schwer wiegen.
Der zweite Akt gehörte wieder ganz dem Parlament. In einer verspielten Darstellung von Ereignisaufarbeitung wurde, natürlich erneut im Wechselspiel mit Publikum und AStA, eine Podiumsdiskussion fingiert. Die fehlende Regentschaft des Chefinterpreten Benedikt war zu spüren. Mehr als einmal wurde eine zeitliche Schranke über Bord geworfen, zu sehr geriet man immer wieder in Ostinati, die, sicher immer einen anderen Ansatz hätten bieten können, jedoch keinen Mehrwert für das Publikum darstellten. Am Crescendo vermochten sie definitiv nichts zu ändern. Der Festspielsommer sollte trotz alledem am Schweriner Weg orientiert bleiben. Nach dem Staatstheater Nord-Ost wird es auch in der Spielzeit 2016 keine Gastvorführungen für NPD und AfD geben. Eine bis jetzt in Maßen mindestens gute Vorführung der vierten Sitzung lief nun aus dem Ruder. Die Parlamentarier wollten mitten in der Vorführung noch einmal proben, gemeinsam mit dem Interiemsdirigenten Jonas und ausgewählten Vertretern des AStA sollten vergangene Stücke neu vertont und interpretiert werden. Ob dies aus Verzweiflung oder als geplantes Stilmittel geschah, bleibt im Dunkeln. Fest steht, dass viele Zuschauer von der – immerhin drei Stunden andauernden – fragwürdigen Einlage verunsichert waren und den Saal – ohne Wiederkehr – verließen.
Nach der Pause ist vor der Probe
Für die verbliebenden Gäste kam es nach der langen Unterbrechung faustdick: Keine greifbaren Ergebnisse wurden geliefert, kein neues Soloprogramm – nur eine kurze Ansprache, welche darauf hinwies, dass einige geplante Akte verschoben werden müssten auf den nächsten Termin in zwei Wochen und man zu dem Hauptakt, dem großen Finale kommen wolle. Die richtige Atonalität wollte sich nicht einstellen und zu inkonsequent behandelten die Parlamentsmitglieder ihre, ihnen zur Verfügung gestellten Mittel.
Die mittlerweile fünfeinhalb Stunden dauernde Aufführung ermattete sichtbar. Dem Parlament war es nicht mehr möglich den Elan und die Motivation aus den ersten beiden Stunden vor der großen, internen Probenpause aufrecht zu erhalten. Gerade dieser Schritt tat der Aufführung weh, sollte doch im folgenden finalen Satz der Spielplan des AStA für das kommende Jahr bekannt gegeben werden. Zu zaghaft hatte Jonas die Zügel in der Hand, zu verunsichert und lieblos warfen die Parlamentarier den Gästen und sich selbst Passagen um die Ohren. Die Suiten boten keine klangfarbliche Differenzierung. Unkonzentriert wurde vergessen, was in den ersten drei Aufführungen zu gut funktioniert hat. Die interne Debattenkultur war durch die fortgeschrittene Uhrzeit nicht aufrecht zu halten und dem Publikum nicht mehr die nötige Ernsthaftigkeit zu vermitteln. Ein Debakel, war doch so viel geplant für diesen besonderen Autritt. Müde von sich selbst konnte das Ensemble die Auwandsentschädigung des AStA nur noch als ein Schatten seiner selbst zu einem Ende führen.
Um so überraschender war, dass das Präsidium kurz vor dem Ende der Aufführung noch einmal zu einem großen Concertato anhob. Diese große Szene wollen wir euch nicht vorenthalten und haben sie im Wortlaut parat:
Liebe Mitglieder des Studierendenparlamentes,
hiermit erklären wir, Marc Benedict, Denise Fritsche und Jonas Kettermann unseren sofortigen Rücktritt von unseren Ämtern als StuPa-Präsidium.
Die Geschehnisse, die vor der heutigen Sitzung stattgefunden haben, haben uns erschreckend aufgezeigt, wie viele von den Anwesende aber auch Außenstehende des Parlamentes vergessen haben, was gegenseitiger Respekt bedeutet. Viele scheinen hierbei auch vergessen zu haben, zwischen Amt und privater Person zu unterscheiden. Die heutige konstruktive Personaldebatte hat damit nichts zu tun. Der vorgebrachte Kritik empfinden wir teilweise als durchaus berechtigt. Es ist nicht der Fall, dass wir keine Kritik annehmen möchten um diese zu verarbeiten, allerdings fühlen wir uns vielfach persönlich angegriffen und sind enttäuscht von jedem, der seinen Mund abfällig hinter unserem Rücken öffnet, sich allerdings nicht traut im Vorhinein zur Sitzung auf uns zuzukommen. Auf dieser Grundlage möchten wir diesem Parlament nicht weiter vorstehen und es vertreten.
Persönliche Anschuldigungen, die hinter unserem Rücken geschahen, öffentliche Zurschaustellung Anderer, auch von Mitgliedern außerhalb des Präsidiums und Rufe nach Konsequenzen ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit der Betroffenen wollen wir nicht akzeptieren. Nach der heutigen Sitzung einfach nur geduldet zu werden reicht uns nicht. Wir sehen uns nicht dazu in der Lage unsere bisher bestehende Motivation weiterhin aufrechtzuerhalten und mit dem bisherigen Elan weiterzuarbeiten. Wir haben uns mit voller Kraft und echtem Herzblut in den vergangen 4 Wochen für die Studierendenschaft eingesetzt. Wir haben dafür den Verlust unserer Freizeit und anderer privater Dinge gerne in Kauf genommen, aber unter den Zeichen der heutigen Sitzung und ihrer Vorgeschichte erscheint es uns nicht mehr möglich als Präsidium zur Verfügung zu stehen. Bitte denkt einmal darüber nach wie ihr in Zukunft mit Menschen umgeht, die Dinge opfern um euch eine gute Sitzung zu bereiten. Lernt aus unserem Schritt!
Wir bedanken uns für das mit unserer Wahl entgegengebrachte Vertrauen und die bisherige konstruktive Zusammenarbeit und bitten euch unsere Entscheidung zu akzeptieren.
Liebe Grüße
Marc, Denise und Jonas
Bleibt zu hoffen, dass es den studentischen Symphonikern in zwei Wochen und unter neuer Leitung gelingt, diese Farce von Konzerto nicht zu wiederholen.
Bestenfalls eine 3/10.
Beitragsbild: Magnus Schult