Heute ist internationaler Tag der Pressefreiheit. Weltweit sorgen Journalisten dafür, dass jeder breit und vielfältig informiert wird – unter teils gefährlichsten Bedingungen.

Die Pressefreiheit ist einer der grundlegenden Bestandteile von Demokratien. Weltweit wird seit über 20 Jahren auf die aktuelle Lage der Journalistinnen und Journalisten sowie der freien und kritischen Berichterstattung aufmerksam gemacht. 1996 wurde nach Vorschlagen der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) durch die UN-Generalversammlung ein am 3. Mai festgelegter, alljährlicher „Tag der internationalen Pressefreiheit initiiert. Hintergrund ist die „Erklärung von Windhoek„, die 1991 mit der Förderung einer pluralistischen und unabhängigen Presse in Windhoek (Namibia) verabschiedet wurde. Doch mehr denn je steht diese Freiheit vor Gefahren:  Staatliche Zensur und Repressionen bedrohen in vielen Ländern die freie und öffentliche Meinungsbildung der Bevölkerung. Wer kritisch berichtet, kann in manchen Ländern verfolgt, inhaftiert oder sogar umgebracht werden.

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Die Missachtung des Artikel 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen ist kein Einzelfall und mittlerweile auch in Europa zu beobachten. Heute wird weltweit auf die Bedeutung der freien und kritischen Medienberichterstattung hingewiesen und damit einhergehend auf die Gefahren, denen sich Journalistinnen und Journalisten Tag für Tag stellen (müssen).

Die aktuelle Rangliste der weltweiten Pressefreiheit

Der Druck auf Medien und Journalisten wächst: „Reporter ohne Grenzen“ (RoG), eine international arbeitende Nichtregierungsorganisation zum Schutz der Pressefreiheit, hat vor Kurzem die aktuelle Rangliste der weltweiten Pressefreiheit veröffentlicht, mit einem erschreckendem Ergebnis. Zunehmend werden die Freiräume der Berichterstattung durch staatliche Kontrolle und Einflussnahme eingeschränkt. Besonders in autokratisch tendierenden Ländern wie Ägypten (Platz 159), aber auch in Polen (Platz 47) oder Ungarn (Platz 67), üben die Staatsführer ihre Macht aus. Was man bisher eher außerhalb von Europa vermutete, ist nun auch bei uns angekommen.

 „Viele Staatsführer reagieren geradezu paranoid auf legitime Kritik durch unabhängige Journalisten. (…) Wenn sich selbstherrliche Präsidenten und Regierungen per Gesetz jeder Kritik entziehen, fördert das Selbstzensur und erstickt jede politische Diskussion. Dabei sind lebendige, debattierfreudige Medien gerade dort nötig, wo die Probleme am größten sind und sich Gesellschaften über den besten Weg in die Zukunft verständigen müssen.“

(RoG-Vorstandssprecher Michael Rediske, in: „Journalisten weltweit unter Druck„, vom 20.04.2016)

Der Einfluss auf die Unabhängigkeit der Medien ist groß. Dieser kann sowohl staatlicher als auch wirtschaftlicher Natur sein. Während Gesetze zum äußeren Schutz vor Terrorismus oder Spionage verabschiedet werden, schränken sie im Inneren eines Staates die freie und kritische Berichterstattung ein (Stichwort: digitale Überwachung). Auch wirtschaftliche Unternehmen, wie beispielsweise in Frankreich (Platz 45), üben Einfluss auf die Medienarbeit aus. Dort gehören die meisten privaten Medien wenigen Großkonzernen. In Bulgarien (Platz 113) kontrollieren zudem Politiker die Berichterstattung, weswegen sich viele Journalistinnen und Journalisten mittlerweile einer Selbstzensur unterziehen.Bildschirmfoto 2016-05-03 um 11.44.28

In der Türkei (Platz 151) übt der Staatspräsident Erdogan zunehmend seinen Einfluss aus: Justiz und Regierung gehen schärfer gegen kritische Medien vor. Im Konflikt mit der Arbeiterpartei Kurdistans (kurz: PKK) übt der Staatsführer mit seiner Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung oder Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (dt. Übersetzung, kurz: AKP) eine erschreckende Kontrolle aus: Nachrichtensperren werden verhängt, Redaktionen von der Polizei gestürmt, kritische Journalisten festgenommen und inhaftiert. Deutschland steht im aktuellen Ranking auf Platz 16 und hat sich aufgrund der zunehmenden Anfeindungen und Gewaltübergriffen gegen Journalisten, wie sie jüngst bei den PEGIDA-Demonstrationen in Dresden zu beobachten waren, um vier Plätze zum Vorjahr verschlechtert. Auch in Schweden (Platz 8) zeigen die Übergriffe von nationalistischen Bewegungen auf Journalisten Wirkung: im einstigen Vorreiterland für Pressefreiheit in Europa ist Gewalt ein großes Problem geworden.

Die aktuelle Rangliste der Pressefreiheit 2016 vergleicht die Situation von Medien und Journalisten in insgesamt 180 Staaten. Grundlage der Rangliste sind sowohl ein Fragebogen zu allen Aspekten der unabhängigen, journalistischen Arbeit sowie die von RoG ermittelten Zahlen von Vorkommnissen gegen Journalisten, wie beispielsweise Übergriffe oder Gewalttaten, aus dem Jahr 2015. Die daraus ergebenen Punkte ergeben den aktuellen Rang eines Landes im Vergleich zu anderen Ländern.

Androhungen und Gewalt gegen Journalisten

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Anfeindungen, Drohungen, Übergriffe: die Pressevertreter sehen sich während ihrer Arbeit immer mehr Gefahren ausgesetzt. Gerade bei politischen Veranstaltungen und Demonstrationen kam es 2015 laut RoG zu mindestens 39 gewaltsamen Übergriffen gegen Journalisten. Die Dunkelziffer, welche insbesondere weitere, nicht erfasste Drohungen und Anfeindungen beinhaltet, liegt sicherlich höher. Immer wieder wird den Pressevertretern der sogenannten „Lügenpresse“ unterstellt, sie würden nicht über die Wahrheit berichten. Es folgen Gewaltanwendung statt Worte: Nicht selten ging man direkt auf Kameraleute und Fotografen los, wie ein Bericht des Tagesspiegels zeigt. Mittlerweile gibt es sogar No-Go Areas für Pressevertreter. Besonders bei rechten Strömungen und Bewegungen wie PEGIDA, aber auch bei parteipolitischen Veranstaltungen der Alternativen für Deutschland (AfD), gab es regelmäßig Anfeindungen und Übergriffe auf Journalisten. Zuletzt wurde Andrea Röpke (Journalistin und Rechtsextremismusexpertin) mit der Begründung, sie würde Bilder für den politischen Gegner schießen, vom AfD-Landesparteitag in Demmin ausgeschlossen. Auch taz. Redakteur Andreas Speit wurde eine Berichterstattung vom NPD-Bundesparteitag in Weinheim untersagt. Besonders Vertreter der öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurden immer wieder am Rande von Demonstrationen und Kundgebungen des rechten Spektrums angefeindet und angegriffen.

Was weder das Bundesinnenministerium noch die für die Sicherheit auf Landesebene zuständigen Behörden messen, sind die Delikte, die sich speziell gegen Journalisten und damit gegen das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit richten. Eine Statistik fehlt bislang, auch bei uns. Ehrlich gesagt: Wir haben nicht geglaubt, dass aus den Pöbeleien gegen Berichterstatter bei Pegida Anfang des Jahres mal eine Situation entstehen könnte, die Prügel gegen Journalisten salonfähig machen könnte. Aber so ist es gekommen: Im Herbst 2015 haben wir in bestimmten Städten zu bestimmten Zeiten No go-Areas für Journalisten. (…) Wir glauben, dass wir entschiedenes Handeln der Sicherheitskräfte gegen die permanente Verletzung der Pressefreiheit nur erreichen, wenn wir Zahlen und Fälle dokumentieren können. (…) Deshalb unsere Aufforderung an alle Journalistinnen und Journalisten: Melden Sie sich beim DJV, wenn Sie Opfer von Gewalt werden!

(Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen-Journalisten Verbandes (DJV), in: „Gewalt gegen Journalisten„, vom 25.11.2015)

Die Pressefreiheit schützen

Trotz des weltweit zunehmenden Einflusses von staatlicher Gewalt, wirtschaftlicher Interessenverbände und anderer politischer Bewegungen, muss die Pressefreiheit gewahrt werden. Journalistinnen und Journalisten darf das Recht auf freie, kritische und unabhängige Berichterstattung nicht verwehrt werden, denn ihre Aufgabe ist es, die Öffentlichkeit zu informieren und über verschiedene, auch unangenehme Themen, aufzuklären. Gerade in selbsternannten „demokratischen Systemen“ kann und darf die Presse nicht durch den Staat oder anderen Machtausübern beeinflusst, gesteuert oder gar an ihrer bedeutenden Arbeit gehindert werden. Umso wichtiger ist es aber auch, dass über jede Einschränkung, Anfeindung und Gewalttat gegen Journalisten berichtet wird. Nicht nur heute, am Tag der Internationalen Pressefreiheit, müssen wir ein offenes, kritisches Auge auf die immer mehr bedrohte Lage der freien und unabhängigen Pressearbeit werfen. Dabei dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass dieses freiheitliche Gut bereits vor unserer eigenen Tür gefährdet ist. Wir müssen es schützen: vor allen, denen eine wirkliche Demokratie mit ihrem Grundbaustein der freien Meinungsäußerung ein Fremdwort ist.

„Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten sowie Informationen und Ideen mit allen Kommunikationsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“

(Artikel 19 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen (Dezember 1948)

Karikatur: Arbeit II von Heiko Sakurai zum Internationalen Tag der Pressefreiheit 2013. | Grafik: Reporter ohne Grenzen