Der Terror ist zurück, oder anders gesagt: Er war nie weg. Während tagtäglich zahlreiche Menschen dem Islamischen Staat (IS) zum Opfer fallen, versucht man sich in Europa mit aller Macht dagegen zu wehren. Auch gegen Flüchtlinge und Islamisierung. Ein Kommentar.
Es ist Freitagabend, der 13. November 2015, als sich in den sozialen Netzwerken die Eilmeldungen über zahlreiche Explosionen und einer Geiselnahme während eines Konzertes der Band „Eagles of Death Metal“ in der Konzerthalle „Bataclan“ in Paris überhäufen. Im Laufe der letzten Tage wird klar: Es sterben über 130 Menschen und über 350 werden teilweise schwerverletzt (Stand: 17.11.15). Das traurige Resümee eines fundamentalistischen, terroristischen Aktes, der Europa (wieder) heimgesucht hat. Jetzt müssen die richtigen politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen folgen.
Antworten und Reaktionen aus der Politik
Das Entsetzen über diese grauenhaften Taten in der französischen Hauptstadt ist groß. Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hierzu:
„Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei den Opfern der offensichtlich terroristischen Angriffe, ihren Angehörigen sowie allen Menschen in Paris.„
Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußert sich erschüttert und zeigt seine Solidarität mit Frankreich:
„Wir stehen an der Seite Frankreichs.“
Deren Präsident, François Hollande, verkündete angemessene Maßnahmen in Zeiten der Konfrontation mit dem Krieg gegen den Terror. Ja, diese Antwort sollte einem bekannt vorkommen: Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) kündigte der damalige Präsident George W. Bush ebenfalls an, dass man im Krieg mit dem Terror stehe. Das ist jetzt mittlerweile 14 Jahre her und der Grund dieses Krieges ist immernoch nicht besiegt: Der Terror. Dr. Gregor Gysi, Mitglied des Bundestags (Die Linke), schreibt auf seiner Facebookseite unter anderem Folgendes zu den Terroranschlägen in Paris:
„Wir brauchen so schnell wie möglich eine funktionierende Weltpolitik, einen weltweiten Dialog, einen entschiedenen und unmissverständlichen Kampf gegen Krieg, Hungertod, Armut und soziale Ungerechtigkeit. Ansonsten verschärfen sich die Weltprobleme, kommen verstärkt zu uns und können eines Tages unbeherrschbar werden.„
Der Kampf gegen Terror und Krieg
Krieg gegen Terror oder Kampf gegen Krieg? Das Kriege immer, egal gegen wen, auch unschuldige Opfer betreffen, braucht man wohl niemandem mehr zu erzählen. Interessant sind in diesem Aspekt die unterschiedlichen Ansichten in der Reaktion auf die Terroranschläge in Paris. In erster Konsequenz hat Frankreich beispielsweise (wieder) mit der Bombardierung einiger IS-Stellungen in Syrien begonnen. Da der IS zahlreiche Gebiete und Städte in Syrien beherrscht, ist es nahezu unmöglich, zivile Opfer zu beziffern. Man kann daher nur hoffen, dass es keine Unschuldigen trifft. Ist es also eine richtige Konsequenz, auf die Terroranschläge in Paris, mit weiteren Bombenabwürfen auf syrische, von der IS kontrollierte, Städte zu reagieren, während man zivile Opfer nicht ausschließen kann? Der Islamische Staat hat in den letzten Jahren, nach und nach, zahlreiche Gebiete in Syrien erobert und viele Menschen brutalst verfolgt, gequält und getötet. In dieser Zeit hat die weltweite Staatengemeinschaft mit all ihren freiheitlichen und demokratischen Werten weitesgehend geschwiegen und zugeschaut – ja, auch wir. Spätestens jetzt muss man sich auch in Europa fragen, wie man diesem Terror entgegentreten kann. Nach den innereuropäischen Anschlägen vom 7. Januar 2015 in der Redaktion der Statirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris und dem Bombenanschlag am 20. Juli 2015 in Suruc (Türkei), nahe der Grenze zu Syrien, kann man sich den Problemen im Nahen Osten nicht mehr verwehren. Es geht jetzt darum, Solidarität zu zeigen und andere Konsequenzen als (weitere) Kriege zu finden.
Unsere Einheit – Willkommenskultur
Der französische Journalist Nicolas Hénin war 10 Monate Geisel des Islamischen Staates. Dem Guardian erzählt er, was den IS-Terroristen wirklich Angst macht:
„Ich kenne den Islamischen Staat. Die Bilder aus Deutschland von Menschen, die Migranten begrüßen, waren für sie besonders beunruhigend. Das ist nicht, was sie sehen wollen. […] Mehr als unsere Luftanschläge fürchten sie unsere Einheit.“
Diese Einheit ist nicht etwa die Einheit, welche Pegida in Dresden, patriotische Gruppen wie „Greifswald wehrt sich“ und andere nationalistische Bewegungen in Europa repräsentieren, sondern es ist eine Einheit fernab von ausgrenzendem Denken. Eine Vielzahl von Menschen geht jeden Montag auf die Straße und skandiert Äußerungen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, während sie „für das deutsche Vaterland“ einstehen, gegen „unkontrollierte Einwanderung“ und „Asylflut“ demonstrieren – und dann auch noch der Opfer von Paris gedenken. Genau dieses perfide, nationalstolze Auftreten, bei dem bestimmte Menschen aus der Gesellschaft aufgrund ihrer Religion, ihres Aussehens oder ihrer Herkunft ausgeschlossen werden sollen, weil sie eben nicht die deutsche Kultur vertreten, nicht in Deutschland geboren sind und eine andere, scheinbar nicht dazugehörige Religion vertreten, spielt den Anhängern des Islamischen Staates in die Hände. Genau durch diese ablehnende Haltung gegenüber geflüchteten Muslimen und anderen Menschen aus Syrien lässt dem IS auch in Europa vor allem eines erreichen – den gesamten Islam als etwas schlechtes zu sehen. Die Antwort auf diesen Terror darf also nicht sein, noch mehr Nationalstolz zu zeigen und gegen geflüchtete Menschen, andere Religionen und Kulturen zu hetzen. Die Antwort auf diesen Terror ist auch nicht, Bomben auf syrische IS-Hochburgen zu werfen. Auch in dem sozialen Netzwerk Facebook zeugt das Ändern des Facebook-Profilbildes in die Farben der „l’équipe tricolore„ eher von einer Art Hilf- und Ratlosigkeit als von einer wirklichen Unterstützung der Menschen in Frankreich. Machen wir uns nichts vor: Kein Problem der Welt lässt sich dadurch lösen.
Fangen wir lieber damit an, für eine gemeinsame Einheit einzutreten. Den Kampf gegen den IS müssen wir jetzt als Gesellschaft auf allen Ebenen aufnehmen. Dazu gehört vor allem, Menschen nicht nach ihrer Nationalität oder Religionszugehörigkeit in bestimmte Richtungen einzuordnen. Der Islam ist als Religion genauso Teil dieser Gesellschaft wie alle anderen Religionen und wird eben nicht vom Islamischen Staat repräsentiert. Eine gelungene Integration aller geflüchteten Menschen ist unabdingbar für einen erfolgreichen Kampf gegen den IS. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die entsprechende Grundlage dafür gelegt wird: Eine Willkommenskultur in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dazu zählt die menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen, eine sofortige Sprachausbildung und soziale Gemeinschaften. Es braucht (mehr) Orte, an denen wir mit den geflüchteten Menschen in Kontakt treten, uns mit ihnen unterhalten und sie persönlich kennenlernen können. Die Auseinandersetzung mit Vorurteilen, Ängsten und fehlender Aufklärung muss bewerkstelligt werden, denn solange das nicht getan wird, haben es menschenverachtende Bewegungen wie Pegida und zahlreiche andere Ableger leicht, rechte Stimmungsmache mit falschen Informationen zu betreiben. Es muss politischer Druck gegenüber asylkritischen Äußerungen von verschiedenen Politikern wie Horst Seehofer (CSU), Frauke Petry (AfD) und anderen „Parteigenossen“ ausgeübt werden, denn sie liefern in ihrer Öffentlichkeit die Grundlage für rechtes Gedankengut. Geflüchtete Menschen müssen statt ausgegrenzt sofort in die Gesellschaft integriert werden, sie müssen unsere Nachbarn und ein Teil unseres alltäglichen Miteinanders werden. Die zentrale Unterbringung in sogenannten Heimen und Notunterkünften darf keine Lösung sein, denn das ist alles andere als eine Willkommenskultur.
Eines sollten wir uns vor allem immer wieder vor Augen halten: Terror ist nicht die Folge sondern der Grund, warum viele Flüchtlinge bei uns sind.
Beitragsbild: Pro Asyl
I think that François Hollande made this choice to pull the time. At his web site i found that he logical and objective person.