In Frankreich hat sich ein portugiesischer Rock- und Bluessänger einen Namen gemacht, der schon durch die Wahl eines ungewöhnlichen Künstlernamens Aufmerksamkeit erregt: Paulo Furtado, geboren 1970 in Mosambik, veröffentlichte seit der Jahrhundertwende zahlreiche Alben unter dem Pseudonym „The Legendary Tigerman“. Letztes Jahr erschien die LP „True“ im Heimatland und eroberte Platz eins der Charts. Am 22.05. 2015 erreichte der Mittvierziger auch Deutschland mit seiner neuesten Produktion.
„Do Come Home“ eröffnet das Album durchaus spannungsvoll, und meine Neugier ist geweckt, als die Drums sich mit dem entspannten Sonntagmorgenflair zu einer mysteriösen Buschtrommelsession mischen, die an Dschungel erinnert. Leider werden meine Erwartungen nicht erfüllt: der Tiger beginnt zu singen und die Atmosphäre ist dahin. Etwas quietschig, die Stimme, aber nicht auf niedliche Passenger- oder Philipp Poisel-Art.
Egal, geben wir dem Ganze eine zweite Chance: „Gone“ lautet der Titel des nächsten Songs. Blechbläser zu Anfang, die von denselben buschtrommelartigen Beats abgelöst werden, die schon das erste Lied bereithielt. Schön, dass der Sänger sein In-die-Hände-Klatschen ankündigt, bevor damit der Dschungeleindruck verstärkt wird. Spärlich gesäte Lyrics mit wenig inspiriert wirkenden Inhalten tragen nicht gerade zur Verbesserung bei. Ähnlich verhält es sich mit „Storm Over Paradise“, in dem Paulo Furtado verkündet, dass tonight sich like trouble anfühlt und storm over paradise herrscht. Wie einfallsreich. Rock’n’Roll ist das jedenfalls nicht.
Monotonie und simpel gestrickte Lyrics
Auch der vierte Titel, „Wild Beast“, kann meinen bisherigen Eindruck nicht ändern. Er ähnelt zu sehr dem zweiten und dritten Lied, auch wenn der Tiger sich etwas mehr durch Gesang beteiligt und die dunklen Streicherklänge aus allem ein genießbares Gesamtpaket machen. Trotzdem – Songs, deren Lyrics kaum über den Titel hinausgehen und in Endlosschleife wiederholt werden, vermitteln selten eine Message.
„Twenty Flight Rock“ holt dann aber doch noch einen Teil meines Interesses zurück, das irgendwo zwischen Titel 1 und 3 auf der Strecke geblieben ist. Zum ersten Mal wird eine Geschichte erzählt, anhaltende Spannung aufgebaut, die der Monotonie entgegenwirkt, von der die bisherigen Songs durchzogen werden. Gleich darauf bremst „Dance Craze“ jedoch die musikalische Identifizierung mit dem vielgelobten Melancholiker aus Portugal, die ganz kurz in mir aufkeimte, weil ich mehrmals vor- und zurückspringen muss, um ihn überhaupt vom vorangegangen Titel zu unterscheiden.
Streicher gegen den Erklärungsbedarf
Wenn bis hierhin ein Gesamturteil über das Album berechtigterweise als vorschnell angesehen werden könnte, so fällt es meinerseits doch spätestens mit „Green Onions“. Der Text wird in diesem Song komplett weggelassen, und man stellt sich zwei Fragen: Erstens, ob dem „Legendary Tigerman“ einfach nichts mehr eingefallen ist, und zweitens, warum jemand sich selbst das Adjektiv legendär auf die Fahnen schreibt. Das ist so, als würden die Musiker in der Fußgängerzone wie wild geworden mit ihren Gitarren durch die Luft wedeln und ihre „Hier, schaut mal, wie klasse ich bin!“-Schreie hin und wieder durch Songs unterbrechen, die sie Lügen strafen. „Twenty First Century Rock’n’Roll“ bestätigt das nur noch: wie authentisch jemand wirkt, der erklären muss, welche Musikrichtung er meint und dass er damit total den Nerv der Zeit trifft, entzieht sich jedem Diskussionsansatz.
„Love Ride“ bildet dank der Streicher nochmal eine etwas schönere Nummer: der Song ist anders als die anderen, irgendwie sanfter, und meine Hoffnungen werden erneut geweckt. Ist Tigerboy doch dazu fähig, Gefühle mit seiner Musik zum Ausdruck zu bringen? Nein. Bald hat die Monotonie uns wieder eingeholt. Vielleicht ist das einfach so im Dschungel.
Gefühl bleibt kein Fremdwort
Den Bogen zum ersten, anfangs vielversprechenden Song zieht der Portugiese durch den nächsten Titel „My Heart, Safe at Home“. Die Gitarre, das Schnipsen – endlich passiert etwas, kommt Bewegung in die Melodien. Schon wirkt der Titel viel interessanter als alle vorangehenden, und eine Intensität umgibt ihn, die ich bisher auf diesem Album vermisst habe. Die hohe Stimme, an die man sich inzwischen gewöhnt hat, passt hier sehr gut. Über Zuhause sollte er wohl öfter singen. „Rainy Nights“ ähnelt dem inhaltlich, das Sonntagsgefühl hat sich wieder eingestellt. Auch die Dschungelassoziationen lassen nicht auf sich warten: das klingt irgendwie nach Phil Collins, nach Tarzan.
Der vorletzte Titel hält noch einmal eine milde Überraschung bereit: Furtado wagt sich ins Duett mit einer Dame. Rita Redshoes‘ zarte Stimme harmoniert auf wirklich ansprechende Weise mit Tarzans. „Is my Body Dead?“ beendet schließlich das Album. Regenartige Sounds untermalen das letzte Lied, und wenn am sonntäglichen Himmel inzwischen graue Wolken aufgezogen sind, passt das perfekt in die Stimmung und Dynamik des Tages. Ich höre den langsam leiser werdenden Stimmen zu, die in verschiedenen Sprach durcheinander reden, und bin richtiggehend froh, dass ich jetzt wieder gute Musik hören darf. Empfehlen kann ich diese LP beim besten Willen nicht, weder für Liebhaber des Blues, noch des Rock’n’Roll, noch sonst irgendwem.
Bildquelle: mysound-mag.com