Seit Mitte letzten Jahres verübt die Organisation Islamischer Staat Attentate gegen Andersgläubige. Fast zeitgleich begannen die Demonstrationen der Bündnisse PEGIDA und MVGIDA in Deutschland. Zwei – aber nicht die einzigen – Beispiele aus neuester Zeit, in denen die Religion von Menschen Grund genug für Vorurteile oder gar Ermordung ist. Auch fast 250 Jahre nachdem Lessing sein aufklärerisches dramatisches Gedicht „Nathan der Weise“  geschrieben hat, scheint es vielen Menschen nicht zu genügen, „Menschen zu heißen“.

Ausgangspunkt des Stückes ist die Stadt Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge. Damals wie heute ist sie die Stadt der drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Ein junger Tempelherr hadert mit sich, hat er doch ein jüdisches Mädchen aus einem brennenden Haus gerettet. Zudem schenkte ihm der muslimische Sultan Saladin erst kurz zuvor das Leben. Ein Leben, das nun gehörig aus den Fugen geraten ist. Im Laufe der Zeit lernt er mit Hilfe von Nathan, dem Vater des Mädchens, seine Vorurteile abzulegen. Aber warum will der Mann, den das Volk den Weisen nennt, ihm nicht seine Tochter geben? Und was hat die Familie des Sultan damit zu tun?

Bei dem von André Rößler neu inszeniertem Stück stellten drei Schauspieler mehrere Figuren dar. Insgesamt ist es modern aufgezogen als Fünf-Darsteller-Schauspiel. Dabei klappten bei der Aufführung noch nicht alle Übergänge und auch das Timing war stellenweise leider noch nicht ideal. Die in einer Szene nicht auftretenden Darsteller saßen quasi als Zuschauer im Hintergrund. Eine Idee, die sicher außergewöhnlich ist, in der Umsetzung aber nicht gerade dafür sorgt, dass der Fokus auf den Spielenden bleibt.

Moderne Elemente greifen teilweise in der Handlung voraus

Auch die einheitliche Kleidung aus Karohose beziehungsweise -rock, schwarzem Rollkragenpullover und weißem Blazer hat nicht nur Vorteile. Auf der einen Seite unterstreicht es die Botschaft, dass alle Menschen im Grunde gleich sind, andererseits ist die Klamottenkombination eine wirkliche Geschmackssache. Ebenso wie das minimalistische Bühnenbild aus unterschiedlich hohen Wegen eher etwas für Freunde moderner Inszenierungen ist. Ein anderes modernes Element ist ein Beamer, der die Szenennummer und die Kombination der derzeit auf der Bühne aufeinander treffenden Religionen im Hintergrund anzeigt. Leider greift dieses interessante Detail teilweise in der Handlung voraus, sodass die Wendungen weniger überraschen als im klassischen Nathan. Gleiches gilt für einige Änderungen im Ablauf und in den Dialogen.
Von den Schauspielern sticht keiner besonders heraus, weder positiv noch negativ. Allerdings spielt Jan Bernhardt einen souveränen Nathan und sowohl Josefine Schönbrodt als auch Jörg F. Krüger und Ronny Winter schaffen es, wenn auch nach ein paar kleineren Anfangsschwierigkeiten, gut, ihre unterschiedlichen Rollen glaubhaft darzustellen.

Obwohl die Aussage, man sei in Jerusalem, nicht mit dem Gefühl des Zuschauers übereinstimmt, wird doch – vielleicht auch gerade deswegen – die Botschaft des Gedichtes deutlich. Das Jerusalem der Kreuzzüge, in dem Religionen und Vorurteile aufeinander prallen, ist fast überall. Vielleicht heute sogar noch mehr als vor eintausend Jahren.