Ich gehe ein paar Schritte seitlich, verschwinde sofort in der Menge und überhole den Cafébesitzer, um aus sicherer Entfernung zum Menschenauflauf mit den bedrohlichen Fahnen die Geschehnisse zu beobachten. Zwei Fahnen überwiegen: eine schwarze mit einem Abbild des Felsendomes, flankiert von Kalashnikovs und eine grüne mit arabischer Schrift. Späteren Recherchen nach ist die Grüne die offizielle Flagge der Hamas, die die Schahada trägt, das muslimische Glaubensbekenntnis. Alle reden wild durcheinander, Menschen gehen zum und weg vom Zentrum der Gruppe. Ein Bild der kryptischen Geschäftigkeit, das mir ein Rätsel bleibt.

Die Menschenmenge sucht sich einen Weg durch die Altstadt Betlehems Richtung Checkpoint

Die Menschenmenge sucht sich einen Weg durch die Altstadt Betlehems Richtung Checkpoint.

Auf ein unsichtbares Signal hin beginnen die Menschen sich in die Richtung des Marktes zu bewegen. Ein Mann skandiert etwas und nach und nach steigt die Menge mit immer gefestigterem Ruf darauf ein. Ein Singsang zwischen dem Mann und der antwortenden Menge entsteht, das bis zum Ende der Prozession konsequent durchgehalten wird. Langsam gehen wir die Hauptstraße der Altstadt entlang, vorbei an Obst- und Gemüseständen und aus allen Ecken schließen sich Menschen der Prozession an, zuletzt auch eine etwa zwanzigköpfige Gruppe von jungen Mädchen, die ein großes Transparent vor sich hertragen und ihren eigenen Kampfruf singen. Dieser ist aber verständlicher, als der der Hauptgruppe und ich kann „Siri, siri ya Hamas“ und „Allahu akbar“ (einer Google-Recherche nach heißt das „Weiter, weiter Hamas“ und „Allah ist der Größte“) heraushören. Die Menschen sehen ganz normal aus, Jeans, Hemden, Sonnenbrillen, Smartphones in den Händen, Kinder laufen umher und nichts lässt eigentlich darauf schließen, dass man gleich versuchen wird gegen Soldaten anzugehen. Während ich das alles beobachte, kritzele ich hektisch meine Eindrücke in mein kleines Notizbuch. Nicht zum letzten Mal spricht mich ein Mann in gutem Englisch an und fragt, ob ich Reporter sei und nicht zum letzten Mal stellt sich nach einem Gespräch heraus, dass die Person etliche Jahre in Deutschland, meist Frankfurt am Main, gelebt hat und natürlich wechseln wir kurz ins Deutsche. Er klärt mich auf, dass das hier eine sich jeden Freitag wiederholende Protestaktion sei, gedacht als Widerstand gegen die Bombardierung Gazas und aus Solidarität mit den dort lebenden Palästinensern. Wir wechseln noch ein paar Worte, die ich parallel mitschreibe, schnell habe ich aber meine neue Bekanntschaft wieder in der Menge verloren. Schade.

 

Fotos: Iwan Parfentev