Er hat sich vor knapp neun Jahren an den Wänden Ramallahs und Bethlehems verewigt. Ich war sofort begeistert von der Idee die Graffiti anzusehen. Schon komisch, wenn „Vandalismus“ an Hauswänden eine größere Zugkraft auf einen Menschen ausübt, als die Geburtsstelle Jesu Christi. Dennoch erschien mir die Reise als gefährlich und mit großem Respekt planten wir ein Wochenende für diese gemeinsame Unternehmung ein. Graduell kam ich dann in der Wirklichkeit an. Erst erzählte mir eine deutsche Freiwillige in Nazareth, dass weiterhin täglich ein Bus von dort nach Jenin, einer Stadt im Norden des Westjordanlandes, fährt, dann klärte mich ein Praktikant aus Jerusalem über die nach Ramallah und Bethlehem halbstündig fahrenden Busse auf und mir erschien meine erste Skepsis vor diesem „Kriegsgebiet“ fast albern. Wenn es Kaffeefahrten irgendwohin gibt, dann kann es dort nicht so schlimm sein, dass das Kaffeeservice in Stücke geschossen werden könnte. Als die Kanadierin mir zwei Tage vor der Reise absagte, hatten sich meine Zweifel so sehr gelegt, dass ich es mir auch alleine zutraute.
Ich bin wegen der Banksy-Graffiti hier, dennoch ist die Geburtskirche die erste Sehenswürdigkeit Bethlehems, die ich zu sehen kriege, nachdem ich die halbe Stadt abgelaufen bin. Man steigt in ein Kellergewölbe und sieht eine Art Kamineinfassung mit einem silbernen Stern darin. Ich lese nochmal im Lonely Planet nach. Tatsache, dieser Stern markiert die Stelle, an dem der Herr Jesus von Nazareth vor über 2000 Jahren in einem Stall zur Welt kam. Genau hier lag Maria in den Wehen und nach dem Wunder des Lebens haben zwei Bauarbeiter Maria verjagt, von der Stelle Maß genommen und den Stern direkt angebracht, nebst einer Spendentruhe, einem McDonalds, einem Starbucks und einem Schlecker… wer’s glaubt. Eindeutig bewiesen ist aber, dass man schon seit 1688 Jahren glaubt, dass sich hier die besagte Stelle befindet, was die Geburtskirche zur ältesten durchgehend offenen Kirche der Welt und zumindest in dieser Hinsicht besonders macht. Ich klettere wieder ans Tageslicht und verscheuche zum wiederholten Male die selbsternannten guides, die mir eine Tour durch die Kirche anbieten. In jedem schattigen Eck sitzen Menschen und lauschen dem Megafon-verstärkten Muezzin in der Moschee am anderen Ende des Platzes. Eine fast körperlich spürbare Stimmung herrscht hier, die immer auftritt, wenn ein vielbevölkerter Platz nicht den Lärmpegel und die Hektik zeigt, die man naturgemäß von ihm erwartet. Aufgrund des Konfliktes bin ich heute gefühlt einer von fünf Touristen in dieser Stadt und fühle die Blicke Vieler auf mir ruhen, die ich nicht genau zu deuten vermag, etwas zwischen Neugier, Staunen und kühler Abneigung. Ich fühle mich irgendwie unwohl.
Fotos: Iwan Parfentev
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