PatrickDahlemann_KatrinHauboldMit dem Handy am Ohr und in Anzug gekleidet kommt Patrick Dahlemann von der SPD in die moritz-Redaktion. Im letzten Juli ergriff er bei einer NPD-Veranstaltung in seiner Heimatstadt Torgelow das Wort und wandte sich so direkt an die Einwohner der Stadt, nicht auf die Hetzparolen der Neonazis hereinzufallen. Seit dem 1. April ist er nun jüngster Abgeordneter des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern in der Geschichte. Der webMoritz befragte ihn unter anderem zu seinen Zielen und weiteren politischen Ambitionen.

webMoritz: Wie fühlt es sich an, als Student als Politikstar der Zukunft zu gehandelt zu werden?

Dahlemann: Der Begriff „Star“ ist nicht so meiner. Ich habe lange darauf hingearbeitet, in den Landtag einzuziehen. Sicherlich freue ich mich nun, mehr Einfluss zu haben und so auch Ideen einbringen zu können. Es ist gerade eine sehr spannende Zeit für mich.

Was gibt es momentan alles zu erledigen?

[stöhnt] Ganz viel bürokratischen Kram. Ich muss mich um die Wahlkreisarbeiter und um die Ausschussbesetzung in Schwerin kümmern. Diese Woche ist auch noch Landtagssitzung. Dafür hatten wir Montagabend (7. April, Anm. d. Red.) noch die Fraktionssitzung, heute einen Arbeitskreis (8. April, Anm. d. Red.) und dann die drei Tage im Landtag. Zudem darf ich gleich am Freitag eine Rede halten und die muss ich dann auch noch fertig ausarbeiten. Gleichzeitig stecken wir im Kommunalwahlkampf, da jagt ein Ministertermin den nächsten und die müssen alle vorbereitet werden. Hinzu kommen klassische Dinge wie das Wahlkreisbüro einzurichten.

Wie hast du erfahren, dass du als jüngster Abgeordneter in der Geschichte des Landtags in diesen einziehen würdest?

Ich war gerade mit den Jusos in Stockholm bei den schwedischen Sozialdemokraten zu Gast. Kurz bevor dort unsere Gesprächsrunde begann, bekam ich von Volker Schlotmann, dessen Rücktritt mir das Nachrücken erlaubte, eine SMS, in der stand, dass er mit mir reden müsse. Kurz danach habe ich dann mit ihm telefoniert und er hat mir dann in wenigen Sätzen gesagt, dass ich Mitglied des Landtags bin.

Was hast du als erstes gedacht, als die Nachricht kam?

Ich war erst einmal sprachlos, habe mich dann aber gleich nach Volkers Gesundheitszustand erkundigt, da er deshalb zurückgetreten ist. So richtig glauben kann ich das jetzt auch noch nicht. Ich habe so lange darauf hingearbeitet und nun hat es geklappt. Das verstehe ich wahrscheinlich erst, wenn ich an meinem Tisch sitze und auf dem Schild vor mir mein Name steht.

 

„Ich soll für den Fraktionsvorsitzenden in den Finanzausschuss gehen.“

 

Was sollen deine Schwerpunkte werden?

Ganz lustig, dass ihr mich das fragt, das habe ich erst kurz vor dem Interview erfahren. Mir wurde gesagt, dass ich für unseren Fraktionsvorsitzenden in den Finanzausschuss gehen soll. Zum einen ist das natürlich eine tolle Möglichkeit „wirklich“ Politik zu machen, denn am Ende steht immer die Frage nach dem Geld im Raum. Zum anderen ist das das große Querschnittsthema, weil natürlich alle Fachthemen immer etwas mit Finanzen zu tun haben. Das wird einerseits eine echte Herausforderung, die mir andererseits aber auch Freude machen wird. Ich kenne die Niederungen der Finanzpolitik aus dem Landkreis schon gut.

Also hast du schon Erfahrung im Bereich Finanzpolitik gesammelt?

Bis jetzt habe ich meinen Schwerpunkt in der Sozialpolitik gehabt. Ich war immer besonders in der Jugendhilfe, der Familien-, Kinder- und Jugendpolitik engagiert. Aber das ist das Themengebiet, welches von vielen sozialdemokratischen Politikern abgedeckt ist. Es gab auch Felder, die ich überhaupt nicht machen wollte. Genannt sei hier die Agrarpolitik, welche zwar wichtig für Mecklenburg-Vorpommern ist, bei der ich allerdings keinesfalls Fachmann bin, da ich eine Kuh nur oberflächlich von einem Bullen unterscheiden kann [lacht].

Blick auf die Demo in Schwerin vom Balkon des Staatstheaters.

Ob sich das Bild vom 5. November 2013 wiederholt? Damals kämpften Studenten aus Mecklenburg-Vorpommern für eine bessere Ausfinanzierung der Universitäten.

Inwieweit willst du dich für die Studenten im Land einsetzen? Mit dem Sitz im Finanzausschuss hast du dazu eine gute Möglichkeit.

Erst einmal besteht natürlich ein Gesprächsangebot. Ich war bei den Jusos der Universität Greifswald, und habe gesagt, dass sie gerne an mich herantreten können. Ich bin hier immer noch Student und kenne das „Geschäft Universität“ ganz gut, auch wenn ich nie in der Hochschulpolitik aktiv war, da ich in der Kommunalpolitik schon sehr früh engagiert war. Demnächst sind auch wieder Bildungsstreiks, da muss man dann sehen, was für Forderungen aufgestellt werden und wie realistisch diese sind, dann kann man sehen, was umsetzbar ist.

Im Landtag wirst du auch auf Abgeordnete der NPD treffen. Wie stellst du dir das Zusammentreffen und die Arbeit mit ihnen vor?

Ich würde niemals einem Nazi die Hand geben. Das empfinde ich als Symbol, ihnen damit die Klinke der Demokratie in die Hand zu geben. Sie sind keine normalen Abgeordneten, da sie unsere Demokratie abschaffen wollen. Dennoch muss man sich mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen um zu sehen, was sie mit ihren Anträgen bezwecken. Eigentlich ist es ganz klar, sie prangern Sachen an, die schief laufen, haben aber auch kein Rezept, wie man das besser machen könnte. Ich würde mich freuen, im Namen der Demokraten einen solchen Antrag abzulehnen und dafür eine Rede auszuarbeiten.

 

„Ich kann nicht leugnen, dass ich ein bisschen Schiss hatte.“

 

Wie hast du dich gefühlt, als du in Torgelow das Wort ergriffen hast?

Ich kann nicht leugnen, dass ich ein bisschen Schiss hatte. Man steht vor den Nazis, die Polizei und meine Mitdemonstranten waren recht weit entfernt und dennoch habe ich die Rede gehalten. Ich habe auch nicht zu den Nazis gesprochen, sondern zu den Einwohnern der Stadt. Ich war, im Gegensatz zu den Neonazis, als Torgelower dort, als jemand den man dort schon kannte. Es ist mir wichtig die Leute zu erreichen, gerade auch bei einem solch heiklen Thema. Die Nazis sind fast verdrängt, seit dem Tag fanden keine große Veranstaltungen ihrerseits mehr statt und die Leute sind jetzt viel offener, weil es mit dem Heim funktioniert. Dennoch muss ich sagen, dass ich schon ein mulmiges Gefühl hatte, auch wenn die Angst erst nach dem Auftritt so richtig kam, als mir durch den Kopf ging, was daraus hätte werden können.

Auf deiner Homepage kann man dir Fragen stellen, die du dann auch beantwortest. Was denkst du, wenn da jemand schreibt „Hast du schonmal einen Stromschlag bekommen?“? Fühlst du dich dadurch bedroht?

Ich finde diese „Sie fragen, ich antworte“-Funktion sehr wichtig. So kann man mich alles fragen, was man von einem Politiker schon immer wissen wollte. Ich versuche die Fragen so schnell und genau wie möglich zu beantworten, auch wenn ich das nicht immer schaffe, da ich von morgens um 8 bis abends um 23 Uhr Termine habe. Am liebsten beantworte ich natürlich kritische inhaltliche Fragen zu unserer Politik. Schön ist es, wenn man in eine fruchtbare Diskussion kommt. Natürlich gibt es auch hirnrissige Fragen. Wenn mich zum Beispiel jemand zum zehnten Mal fragt, welche Schuhgröße ich habe, dann finde ich das dämlich. Aber auch diese Fragen beantworte ich dann. Und klar gibt es auch „bedrohende“ oder zumindest einschüchternde Fragen, aber die beantworte ich dann relativ flappsig. Ich kann ganz gut damit leben.

Sehen wir dich demnächst auch im Bundestag?

Nein, das ist nicht auf meiner politischen Agenda. Ich bin kein Postenhopper, der diesen Drang hat, so schnell wie möglich jedes Gremium hinter sich zu bringen. Wenn man seine Spuren im Land hinterlassen und sich im Landtag einbringen will, dann macht man das nicht nur 30 Monate. Ich habe immer gesagt, dass ich für den Landtag kandieren möchte. Jetzt habe ich das erreicht und freue mich sehr darüber. Der Vorteil im Landtag ist zudem, dass die Wahlkreise viel kleiner und somit das Verhältnis zum Bürger enger ist. Die Bürgernähe ist deutlich spürbar und deshalb werde ich meine ganze Kraft auf den Landtag konzentrieren und nicht bei der nächsten Bundestagswahl antreten.

Danke für das Interview und viel Erfolg im Landtag.

Fotos: Katrin Haubold(Patrick Dahlemann); David Vössing (Demo – Archiv)