Gedenktag_Homosexuelle_Uni_PressestelleAm 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkennau. Heute wird jährlich an diesem Datum der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus begannen. Universität und Stadt Greifswald gedachten am Montagabend gemeinsam mit etwa 100 Menschen im Pommerschen Landesmuseum. Die Opfergruppe der Homosexuellen stand diesmal im Mittelpunkt.

Wir stehen gegen den Nationalsozialismus in unserer Stadt“, machte der stellvertretende Oberbürgermeister Ulf Dembski deutlich, da „viele Millionen Menschen unter den Nationalsozialisten litten.“ Für die SS hätten die homosexuellen Gefangenen zu den Inhaftierten niedrigsten Rangs in den Konzentrationslagern gehört. „Die Verfolgung Homosexueller ist nicht nur Bestandteil totalitärer Regime gewesen“, ergänzte Uni-Kanzler Dr. Wolfgang Flieger. Damit spielte er auf den Paragraph 175 des Strafgesetzbuches an, der Homosexualität unter Strafe stellte. Dieser wurde 1935 von den Nazis verschärft, blieb in der Bundesrepublik aber mehr als 20 Jahre unverändert in Kraft. Flieger erinnerte daran, dass zwischen 1935 und 1945 zehn homosexuellen Absolventen ihre Titel aberkannt wurden, was erst später zurückgenommen wurde.

Andreas Pretzel

Andreas Pretzel

Kein Ende im Nachkriegsdeutschland

Im Dritten Reich habe die Diskrimierung homosexueller Menschen mit dem Röhm-Putsch 1934 begonnen und homosexuelle SA-Führer seien ermordert worden, erläuterte Andreas Pretzel in seinem Vortrag. Er hat sich lange als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Universität mit dem Thema Homosexualität vom Dritten Reich bis heute beschäftigt. Im Zweiten Weltkrieg wurden etwa 200.000 Menschen, überwiegend Männer, der Homosexualität verdächtigt, 50.000 wurden gerichtlich verurteilt. Viele tausend Betroffene starben in Konzentrationslagern, anderen Gefängnissen oder durch Selbstmord. Aber auch nach dem Krieg habe die Verfolgung in Ost und West kein Ende genommen. In den 1960er Jahren wurde noch homosexuellen NS-Opfern die Rehabilitierung verweigert, erst in den 1970er Jahren habe ein Umdenken stattgefunden. Aber erst 1994 wurde in der Bundesrepublik der Paragraph 175 abgeschafft. „Bis in die 1980er Jahre gab es keine Vergangenheitsbewältigung“, beklagte Pretzel, „die bis heute noch nicht abgeschlossen ist.“

Gedenkstein in Berlin

In Berlin gibt es seit 2008 ein eigenes Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. „Der schräge Kubus ist größer als eine einzelne Stele des Holocaustmahnmals und ist auch ein kommunikativer Ort der Begegnung,“, führte Prof. Stefanie Endlich (Universität der Künste zu Berlin) aus. Er solle nicht nur einen Gedenkort darstellen, sondern auch an die heutige Diskrimierung von Homosexuellen erinnern. Das Denkmal verfügt über eine gläserne Luke, durch die ein Film zu sehen ist. Darin werden zwei küssende Männer gezeigt.

Etwa 100 Menschen gedachten den (homosexuellen) Opfern der nationalistischen Terrorherrschaft.

Etwa 100 Menschen gedachten der (homosexuellen) Opfer der nationalistischen Terrorherrschaft.

Fotos: David Vössing
Artikelbild via Pressestelle Uni Greifswald