Schuhagen_SchlägereiDas Finale der Champions League am 25. Mai schauten sich viele Fußballbegeisterte gemeinsam beim Public Viewing an. Auch ich und ein paar befreundete Erasmusstudenten wurden von der Euphorie gepackt. Der Abend nahm aber einen unschönen Ausgang, über meine Erfahrungen möchte ich berichten.

Ach wie schön war das Champions League Finale Bayern gegen Dortmund. Ich saß da mit Freunden am Public Viewing in der Mensa am Wall und hatte ein frisch gezapftes Guinnes in der Hand. Würde ich ehrlich sein und den Grund meines Kommens nennen, wäre meine Antwort “Na fürs Guinness!“ gewesen. Denn die Gelegenheit, hier in Greifswald Guinness aus dem Fass zu trinken, kommt einem sehr selten entgegen. Wie sehr ich diesen schaumig-cremigen Geschmack liebe!

Okay, jetzt aber Schluss mit der Bierwerbung hier. Nachdem das Spiel zu Ende war und wir unser Bier ausgetrunken hatten, verließen wir die Mensa Richtung Mühlentor. Wir wollten unsere Fahrräder holen. Ein Freund hat angeboten, uns mit dem Auto nach Hause zu fahren. Hätten wir sein Angebot angenommen, dann wäre der Abend oder besser gesagt die Nacht ganz anders verlaufen.

An der Straße angekommen, kam uns eine Gruppe entgegen, die schon aus der Ferne “Bayern“ grunzten und brüllten. Da hat mein Freund Julian, ebenfalls Bayern-Fan, den Typen “Bayern“ zugerufen. Plötzlich kamen sie auf uns zugerannt, sofern ich mich erinnern kann waren es mindestens acht Kerle. Alle vermummt in Ski-Masken, wir waren zu Zweit. “Ey! was habt ihr gegen Bayern?!“ schrie ein großer Dicker, welcher Anführer dieser Truppe zu sein schien. Ohne jede Vorwarnung schlugen die Typen auf uns ein. Es hatte gut für uns Angefangen, so gut sogar, dass Julian kurz daran gedacht hat, aus dem Kampf auszusteigen und mich beim Kämpfen zu filmen. Ich war mit drei Typen beschäftigt, steckte viel ein, teilte aber auch kräftig aus. Zwei von ihnen gingen zu Boden.

Ich entriss einem die Maske und war überrascht, er schien sogar jünger als ich zu sein. Ein naiver Mitläufer? Auf dem Boden liegend, verdeckte er sofort sein Gesicht, weil er dachte, dass ich auf ihm eintreten würde. Ich tat das genaue Gegenteil und rief den maskierten Attackierern “Verschwindet! Wir möchten keinen Ärger!“ zu. Keine Wirkung. Nach einiger Zeit kamen uns auch zwei weitere Freunde zur Hilfe, aber es half nichts, acht sind immer noch mehr als vier Leute. Am Ende lag ich mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Boden.

Natürlich konnte die Polizei keinen von ihnen fassen. Von uns bekam ich am meisten ab. Ein Krankenwagen brachte mich zur Unfallchirugie. Meine Wunden wurden versorgt, dann sah ich, das Julian und drei andere Freunde, die nicht beim Fußballgucken dabei waren, gekommen sind, um mich abzuholen. “Oh mein Gott“ sprudelte es aus einem von ihnen als erstes heraus. Im Gesicht würde ich dem Glöckner von Notre Dame ähneln. Vielleicht übertrieben, aber ich sah wirklich schrecklich aus! Da ich von der Schlägerei eine leichte Gehirnerschütterung davon trug, empfahlen mir die Ärzte zwei Nächte im Krankenhaus zu verbringen. Ich lehnte ab, weil ich nach dieser verrückten Nacht nur noch nach Hause wollte.

Die Straße Am Mühlentor bei Dunkelheit.

Die Straße Am Mühlentor bei Dunkelheit.

Was geblieben war, ist der Schock, dass man abends in der Greifswalder Innenstadt ohne Grund angegriffen werden kann. Die Täter waren maskiert und wollten anscheinend nur auf eine Schlägerei hinaus. Wären wir nicht da gewesen, so hätte es wahrscheinlich eine andere Gruppe treffen können. Aber wenn man die Sache aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ich und meine Freunde sind alles Ausländer (wobei ich mich eher als Weltbürger bezeichne). Könnte es also sein, dass da Rechtsextremismus im Spiel war? Es gibt Behauptungen, dass ein Teil der regionalen Ultras wie der „Vorpommern Mob“ und die „Greifswalder Jungs“ eng in Kontakt mit der rechten Szene steht. Der Journalist Patrick Gensing schob schon dem Verein Hansa Rostock ein „rechtes Fanpotenzial“ zu.

Was aber auch immer der Grund für den Angriff auf uns war, es sollte etwas dagegen unternommen werden. In Schönwalde und anderen Problemvierteln Greifswalds häufen sich in letzter Zeit Aufkleber solcher radikaler Gruppierungen. Die Stadt darf da ihre Augen nicht schließen. Diese Fußball“mobs“ sind zu einem Problem in Greifswald und der Region geworden. Zuletzt zeigte sich dies beim Spiel der TSG Neustrelitz gegen den FC Hansa Rostock. Nach dem dritten Gegentor wurde der Platz von den „Hansa Hools“ mitten im Spiel gestürmt. Sogar die Hansaspieler wurden dabei nicht verschont.

In Greifswald konnten die Täter entwischen, haben Blut geleckt und sind jetzt wahrscheinlich ermutigt worden, bei dem nächsten großen Fußballspiel, eine ähnliche Aktion hinzulegen. Es könnte sein, das einer der Täter diesen Artikel lesen wird (könnte, ob sie jemals lesen gelernt haben ist ungewiss), darum hab ich den Namen meines Freundes aus Sicherheitsgründen geändert, meinen aber nicht.

Die Ermittlungen bei der Polizei laufen derzeit noch an. Auf dem Präsidium zeigte man mir Bilder von Vorbestraften, die am ehesten zu meiner Beschreibung passten. Ich konnte jemanden mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent wieder erkennen. Es hat sich herausgestellt, dass dieser ein aktives Mitglied beim Vorpommern Mob ist. Bevor die Polizei sich mit dem Mann auf dem Täterbild auseinandersetzt, möchte sie vorerst noch die Aussagen der Zeugen aufnehmen, was noch ein wenig dauern kann. Nochmals zu den Tätern: Was ich gegen Bayern habe? Bayern ist blöd und langweilig, der FC Bayern noch viel mehr.

Foto: Simon Voigt