Viele Schulen blieben gestern in Mecklenburg-Vorpommern geschlossen. Lehrerinnen und Lehrer des Schulamtsbezirkes Greifswald legten für einen Tag die Arbeit nieder, um einen Warnschuss in Richtung Landesregierung und Tarifgemeinschaft der Länder abzugeben. Rund 1.500 Menschen versammelten sich zwischen acht und zehn Uhr auf dem Nexöplatz, um ihren Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen.
Unter ihnen waren, neben Lehrenden staatlicher und teilweise auch freier Schulen, Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stralsunder Hochschule und der Greifswalder Universität. Um halb elf setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung, der auf dem Marktplatz in eine Kundgebung mündete.
In Radio und Fernsehen war immer wieder die Zahl 6,5 zu hören: 6,5 Prozent Lohnerhöhung wurden in den Fokus medialer Berichterstattung gerückt. Der Grund: Beschäftigte in Bund und Kommune erhalten bereits 6,5 Prozent mehr Lohn, als Landesbeschäftigte. Warum sollten diese also weniger Gehalt für vergleichbare Arbeit erhalten?
Einheitlicher Tariflohn für alle Lehrer unabhängig von Schulart
Diese Frage wurde immer wieder in zahlreichen Reden von Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Polizei (GdP), die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und dem Beamtenbund beantwortet: Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, warum Landesbeschäftigte weniger Monatsgehalt bekommen, als Beschäftigte in Bund und Kommunen. Ein einheitlicher Lohn ist jedoch nur eine von vielen Forderungen. Die GEW tritt vielmehr mit einem kompletten Forderungspaket der Tarifgemeinschaft der Länder sowie der Landesregierung entgegen. Sie fordert, dass Lehrerinnen und Lehrer einen einheitlichen, per Tarifvertrag verbindlichen und von der Schulart unabhängigen Lohn erhalten.
Bislang werden Lehrer an Gymnasien mit der Entgeldgruppe 13 (rund 3.200 Euro) eingestellt, während ihre Kollegen, die an einer Grundschule oder an einer Regionalen Schule arbeiten, nach Entgeldgruppe 11 (rund 2.800 Euro) eingestellt werden oder noch weniger Monatslohn erhalten. Um der Forderung nach gleichberechtigter Entlohnung Nachdruck zu verleihen, wurde betont, dass Lehrerinnen und Lehrer „Weltverbesserer auszubilden und zu erziehen“ hätten, erklärte eine Lehrerin auf der Bühne. Schließlich seien Schüler „die Menschen, die Probleme bewältigen müssen, deren Fragestellung wir heute noch nicht kennen“, hob sie abschließend hervor.
Für Unmut sorgte in diesem Zusammenhang die Forderung der Mecklenburg-Vorpommerschen Finanzministerin Heike Polzin, die Lehrerinnen und Lehrer in der Ostssee-Zeitung vom 19. Februar zur „Mäßigung“ in ihren Forderungen aufrief. Es wurde darauf verwiesen, dass sich Lehrerinnen und Lehrer des Landes über Jahre hinweg in Mäßigung geübt hätten, da sie im Rahmen des nun auslaufenden Lehrerpersonalkonzeptes aufgrund von Teilzeitbeschäftigung auf Lohn verzichteten. Darüber hinaus habe man bereits unabhängig davon auf Lohn verzichten müssen, da die Stundenverpflichtungen nach Auslaufen des Lehrerpersonalkonzeptes für Lehrerinnen und Lehrer angehoben worden sind.
Eine Anhebung von Stundenverpflichtungen kann nicht nur indirekt Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität haben, da dadurch weniger Zeit für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts besteht. Sie hat vor allem unmittelbare Folgen für die Berechnung des Lehrerbedarfes. Je mehr Stunden von bereits im Dienst stehenden Lehrerinnen und Lehrern gehalten werden müssen, desto weniger neue Lehrende müssen neu eingestellt werden. Das Fehlen verbindlicher Vorruhestandsregelungen sorgt darüber hinaus für eine weitere Verlangsamung des Neueinstellungsprozesses von Junglehrern.
Vorruhestandsregelung für Lehrerinnen und Lehrer
„Als ich meine Schüler aufforderte, dass sie sich mich einmal als alte Schrulle im Alter von 67 Jahren im Unterricht vorstellen sollten, kamen wir zu dem Ergebnis, dass das weder für mich, noch für sie wirklich eine gute Lösung wäre“, verdeutlichte eine Lehrerin, dass sie und ihre Kolleginnen und Kollegen nicht unbegrenzt unterrichten können. In Anbetracht einer immer wiederkehrenden Diskussion um eine Anhebung des Rentenalters kursieren, wie aus den Redebeiträgen hervorging, im Lehrerzimmer zunehmend Witze, wie man denn die Schule „rollatortauglich“ umbauen könne.
Doch nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer wurde sich an diesem Streiktag eingesetzt. Wissenschaftliche Mitarbeiter der Hochschulen und Universitäten sind ebenfalls von fehlenden verbindlichen Tarifverträgen betroffen. Im Fokus der Forderungen steht hier die Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse. Rund 81 Prozent aller Beschäftigten des wissenschaftlichen Mittelbaus sind befristet eingestellt. Besucher von Senatssitzungen und Mitglieder des akademischen Senats der Universität Greifswald hören häufig, dass bestimmte Stellen aus „Hoschshulpaktmitteln“ finanziert würden. Dabei handelte es sich nicht selten um Stellen, denen innerhalb des Studienganges eine Schlüsselposition zukommt.
GEW fordert Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse
Wenn Stellen aus Hochschulpaktmitteln finanziert werden, ist zwangsläufig von befristeten Arbeitsverhältnissen die Rede. Als sich der Verfasser vor einigen Jahren mit einem ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter der Greifswalder Universität unterhielt, der inzwischen in Leipzig lehrt, meinte er: „Wenn man in die Wissenschaft gehen will, muss man sich darauf einstellen, alle paar Jahre wieder umziehen zu müssen. Eine feste Familienplanung ist schwer möglich.“ Von befristeten Beschäftigungsverhältnissen sind nicht zuletzt auch wissenschaftliche Hilfskräfe betroffen, bei denen an manchen Fakultäten dieser Universität nach Informationen des webMoritz auch eine halbjährliche Befristung in Abhängigkeit des finanziellen Umfangs der ersten und zweiten Mittelverteilung inzwischen die Regel darstellt.
Während befristete Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft inzwischen die Regel zu sein scheinen, wird dies auch bei der Einstellungspolitik von Lehrerinnen und Lehrern zunehmend populärer. Angehende Junglehrer, die auf einen Referendariatsplatz warten, können sich als Vertretungslehrer beim staatlichen Schulamt melden und werden dann je nach Bedarf eingesetzt. Daher betrifft die Forderung nach dem Abbau befristeter Arbeitsverhältnisse in Erziehung und Wissenschaft nicht nur wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten, sondern zunehmend auch Junglehrerinnen und Junglehrer.
Abschließend bekräftigte GEW-Landesvorsitzende Anett Lindner: „Der heutige Tag ist kein verlorener Tag für die Schüler, auch wenn die Schule für viele heute ausgefallen ist. Sie erleben, dass wir uns für unsere Rechte einsetzen, dass wir für unsere Rechte kämpfen. Denn auch das ist wichtig: Dass wir den Schülern Demokratie vorleben.“
Fotos: Marco Wagner
Schöner Artikel. Ich finde es allerdings etwas schade, dass sich die Überschrift (nur) auf Lehrerinnen und Lehrer bezieht. Die zweite Hälfte des Artikels widmet sich ja nicht ohne Grund dem wissenschaftlichen Lehrpersonal. Präkere Beschäftigung an Hochschulen ist ein Thema, das alle Studierenden betrifft und sollte stärker in den Vordergrund gerückt werden. Dann würden auch mal mehr Studis mit auf die Straße gehen!
es ist gut, wenn lehrer mal streiken. allerdings bringt es nichts, einen einzigen tag lang die kreide niederzulegen.
wenn die müllabfuhr mal 2 wochen lang nicht kommt, das tut dann schon mal weh…
wenn ämter einen monat lang geschlossen bleiben…
aber ich denke, um zu merken wie wichtig lehrer, pflegepersonal, polizei etc. sind, sollte mal 2-3 monate gestreikt werden.
und wo wir schon beim thema sind… es wird dringend zeit, die lehrerausbildung derart umzugestalten, dass sie die bezeichnung "ausbildung" auch verdient.
als idealist und weltverbesserer mag man vielleicht im berufsfeld richtig liegen, aber der weg dorthin ist an dieser uni mehr als steinig.