Ein Gastbeitrag von Claudio Doering

Im großen Überlandbus. Sonst keine weiteren Fahrgäste. Eine Stimme unterbricht das tiefe Röhren des Automatik-Busses. „Wohin möchten Sie noch?“ „Bis zur Endstation.“ „Also doch noch bis zum Schluss …“ Der Fahrer drückt auf das Gas. Die Gedanken gehen unweigerlich dahin, man selbst sei nun der Grund für den verspäteten Feierabend des Fahrers und einen übermäßigen Kraftstoffausstoß des Busses. In Wahrheit handelt es sich aber um die geplante, reguläre Linie, ganz offiziell im Fahrplan nachzulesen.

Die Fahrt sollte damit eigentlich wirtschaftlich sein, genug Einnahmen für die Bezahlung des Fahrers und den Unterhalt der Busse abwerfen. Die Zahl der Mitfahrer spricht dagegen eine andere Sprache: Rentabel scheint diese Strecke nur bei Ausflügen der ortsansässigen Grundschulklassen zu sein. Das Massentransportmittel verkommt zum Großraumtaxi für eine Person, äußerst günstig, für 3,50 Euro oder ähnlich – und damit deutlich unterfinanziert.

Immer weniger Menschen in Mecklenburg-Vorpommern fahren Bus. Die Fahrgastzahlen der regionalen Verkehrsbetriebe sinken. Von 68,9 Millionen Fahrgästen im Jahr 2007 sind in Mecklenburg-Vorpommern 2011 noch 65,7 Millionen geblieben, so das Statistische Bundesamt. Eine aktualisierte Bevölkerungsprognose der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern bestätigte kürzlich einen weiteren Negativtrend bei den potenziellen Fahrgästen, der gesamten Bevölkerung. So geht das Papier im Landkreis Vorpommern-Greifswald von einem Bevölkerungsrückgang um 8,9 Prozent bis zum Jahr 2030 aus. Im Vergleich zum Landkreis Mecklenburgische-Seenplatte, der sogar 21,8 Prozent seiner Einwohner verlieren könnte – und damit der am stärksten schrumpfende Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern ist – scheint diese Zahl noch verhältnismäßig niedrig. Dennoch, der Rückgang möglicher Fahrgäste wird die Verkehrsbetriebe vor ernstzunehmende Probleme stellen. Die Zukunft verlangt nun innovative Konzepte, um die Mobilität von Einkommensschwachen, Senioren und Menschen ohne Auto im ländlichen Raum gewährleisten zu können.

Erfahrungen mit dem lokalen Personennahverkehr

Bereits heute sind die Verkehrsbetriebe gezwungen, massive Einsparungen vorzunehmen oder Verbindungen zu streichen. Nahezu alle Haltestellen auf dem Land werden nur an Werktagen bedient. Wer vom kleinen vorpommerschen Dorf Katzow am Wochenende zu einer Theatervorstellung in die Kreisstadt Greifswald fahren möchte, ist zwangsweise auf das Auto angewiesen. Öffentliche Verkehrsmittel verkehren nicht. Jugendliche und junge Erwachsene haben ohne eigenen fahrbaren Untersatz keine Möglichkeit, dass Wochenende außerhalb des kleinen Heimatdorfes zu verbringen. Eine Abfrage beim Online-Fahrplan des Verkehrsbetriebs Greifswald-Land, zuständig für die Anbindung der umliegenden Gemeinden an die Kreisstadt, ergab, dass lediglich drei Linien auch am Wochenende bedient werden: Die Linie 518 über Lubmin nach Greifswald mit einem Kleinbus, die Linie 512 nach Jarmen und Gützkow, einmalig samstags mit einem Linientaxi und die Linie 506 nach Neuenkirchen und zur Insel Riems, samstags, ebenfalls mit einem Linientaxi. Wer in anderen Orten wohnt, muss ohne Auto am Wochenende zuhause bleiben.

Die Konsequenz der niedrigen Fahrgastzahlen

Damit stellt sich die Frage: Sind die wenigen Verbindungen eine sinnvolle Reaktion auf die geringe Beförderungsnachfrage am Wochenende – oder sind die wenigen Fahrgäste eine Konsequenz der ungenügenden Angebote der Verkehrsbetriebe? Daten des Statistischen Bundesamtes belegen eine allgemeine Zunahme der deutschlandweiten Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs – die Bereitschaft, das Auto stehen zu lassen und Bus zu fahren, wächst also. In Bayern stiegen die jährlichen Fahrgastzahlen von 709,9 Millionen im Jahr 2007 auf 734 Millionen im Jahr 2011. Auch Hessen verzeichnet einen markanten Zuwachs von 279,6 Millionen Fahrgästen 2007 auf 318,1 Millionen im Jahr 2011. Betrachtet man die gesamtdeutsche Entwicklung, so stiegen die Zahlen von 2007 bis 2011 von rund 5,26 Milliarden auf 5,34 Milliarden beförderte Personen. Da in Mecklenburg-Vorpommern die demographischen Entwicklungsprozesse andere sind, stehen die lokalen Verkehrsbetriebe vor weniger rosigen Zukunftsaussichten. Trotzdem birgt die steigende Busfahrbereitschaft der Menschen das Potenzial, den Nahverkehr durch zusätzliche Angebote zumindest teilweise wiederzubeleben. Große Anstrengungen dafür sind jedoch nicht in Sicht.

Quellen der statistischen Daten:

Foto: „Kollektivtrafiken.“ von Tyra Jansdotter Pedersen / www.jugendfotos.de, CC-BY-NC-ND