Am vergangenen Dienstag (06. November) wurde im Konferenzsaal des Unihauptgebäudes das neue interStudies-Projekt vorgestellt. Ein Dutzend Mitarbeiter unter Leitung von Doktor Andreas Fritsch wird bis 2016 daran arbeiten, die Studierbarkeit an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität zu verbessern. Am Ende werden in fünf Maßnahmenfeldern Verbesserungen eingeführt, die auch über die Projektdauer hinaus Bestand haben sollen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,5 Millionen Euro.
„Bolgona-Reform gescheitert“
Der Vormittag war verschiedenen Inputvorträgen gewidmet. Eingangs stellte Harald Schomburg vom International Centre for Higher Education Research Kassel vor, wie die Lehrenden an deutschen Hochschulen die Veränderungen in der Studierbarkeit in den vergangenen Jahren wahrnehmen. Das der Beratungs- und Betreuungsaufwand seit Beginn der Bologna-Reform gestiegen ist, ist ein offenes Geheimnis und war keine wirkliche Überraschung. Erstaunlich hingegen waren andere Zahlen. So werden im Schnitt drei Viertel der Lehre durch wissenschaftliche Mitarbeiter abgehalten und über 85% der Lehrenden sind unzufrieden mit der Umstrukturierung von Lehre und Studium. „In ihren Kernelementen, könnte man sagen, ist die Bologna-Reform gescheitert“, resümiert Herr Schomburg.
Im Anschluss stellten Dr. Fritsch und PD Dr. Anette Hiemisch den Hintergrund einer in diesem Sommer durchgeführten Umfrage zur Studierbarkeit an der Uni Greifswald vor. Soll heißen, es gab eine Menge Begriffsdefinitionen und statistisches Trockenfutter, welches vor allem für die Geldgeber und die wissenschaftliche Auswertung des Projektes interessant ist.
Jeder zweite Student schummelt bei Prüfungen
Nach einem Vortrag zur Förderung literaler Kompetenzen, in dessen Verlauf vor allem auf die Wichtigkeit der Förderung wissenschaftlichen Arbeitens und interdisziplinären Wissens zur Vereinfachung der Textanalyse in frühen Studiensemestern hingewiesen wurde, führten Madlen Preuß und Sebastian Sattler von der Universität Bielefeld die Zuhörer durch die Welt des studentischen Fehlverhaltens in Prüfungen. Die Palette reicht hier von Plagiaten, Abschreiben und Spicken in Klausuren über das Fälschen von Messdaten bis hin zu simplen Ausreden mit dem Ziel einer Prüfungsverschiebung. An sich wäre alleine dieser Vortrag einen eigenen Artikel wert, aber hier soll nur das Wichtigste erwähnt werden: Im Schnitt hat jeder zweite Student sich mindestens einmal in seinem Studium eines der oben genannten Fehlverhalten zuschulden kommen lassen, wobei am häufigsten das Abschreiben in Klausur oder von Arbeitsaufgaben auftritt. Das größte Problem bei der Bekämpfung studentischen Fehlverhaltens ist der steigende Arbeitsaufwand für die Prüfer.
In der anschließenden Mittagspause mit leckerem Suppenbuffet erzählte Dr. Fritsch, dass eigentlich angedacht gewesen sei, dass man die achtstündige Veranstaltung auch „modularisieren“ könne, also nur zum Mittagessen oder einem der Vortragsblöcke vorbeizuschauen. Diese Intention wurde leider verfehlt, denn von den anwesenden Studierenden hatte nur Tim Perschke von der lokalen Erasmus-Initiative keine nebenberufliche Verbindung zur Qualitätssicherung oder zu interStudies. Da die rund 50 Zuhörer hauptsächlich Mitarbeiter der Universität waren, steht derzeit die Idee einer gesonderten, kompakteren Projektvorstellung für die Studierendenschaft im Raum. Einen konkreten Termin gibt es derzeit noch nicht, aber Dr. Fritsch hofft, noch in diesem Wintersemester die zweite Projektpräsentation abhalten zu können.
Fünf Maßnahmenfelder für mehr Studierbarkeit
Im Nachmittagsblock ging es dann um das interStudies-Projekt an sich. Die Indikatoren, die in den vier Jahren Projektlaufzeit verbessert werden sollen, sind die Abbrecherquote und der Überschneidungsgrad in den wichtigsten Fächerkombinationen. An dieser Stelle kommt die Frage auf, ob es nicht eigentlich gerade die seltenen Fächerkombinationen sind, die unter Überschneidungen leiden. Allerdings gibt es derzeit noch keine ausreichenden Daten, um sie zu beantworten.
Auf jeden Fall soll in den Maßnahmenfeldern „Interinstitutionelle Qualitätsentwicklung“, „Studieneingangsphase“, „Weiterentwicklung forschenden Lernens“, „Studierbarkeit im fakultätsübergreifenden Bachelor“ und „Sachgemäße Modularisierung im Lehramtsstudium“ mit vielen kleineren und größeren Ansätzen eine Verbesserung der derzeitigen Situation herbeigeführt werden. Vier dieser Felder zielen vor allem auf die Verbesserung der Studiensituation ganzer Studiengänge ab. Im Feld der Studieneingangsphase hingegen werden individuelle Defizite in der schulischen Vorbildung der neuen Studierenden angegangen. So soll mit einer Prüfungscoachinglounge, Peer Learning Groups, in denen sich kleine Gruppen Studierender im Rahmen von Lehrveranstaltungen über Inhalte austauschen sollen, und Workshops, wie dem kürzlich abgehaltenen Workshop zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Heterogenität der Studierenden Rechnung getragen werden und individuelle Schwächen auf freiwilliger Basis gezielt angesprochen werden.
Inwiefern die geplanten Maßnahmen wirkungsvoll sein werden, muss sich zeigen. Dr. Fritsch rechnet damit, dass die „angestrebten Strukturänderungen in vier bis fünf Jahren zum Tragen kommen.“ Zu spät, als dass heutige Studierende davon profitieren könnten, aber zukünftige Generationen werden so nicht gezwungen sein, aktuelle Fehler und Probleme erneut angehen zu müssen. In der abschließenden Fragerunde trat zutage, dass Mitarbeiter und Lehrende ein großes Interesse daran haben, die Studierbarkeit zu verbessern. Bei Kaffee, Kuchen und ruhigem Jazz ließ man die Auftaktveranstaltung ausklingen und tauschte sich über Möglichkeiten, Ideen und wichtige Themen aus, die im Rahmen von interStudies noch berücksichtigt werden sollten.
Titelbild: Logo interStudies, alle Rechte beim Projekt interStudies; Foto: Erik Lohmann