Eine Rezension von Gjorgi Bedzovski
Es ist eine Geschichte des düsteren Zerfalls der kapitalistischen Ordnung, des persönlichen Abgrunds und des eigenen Auferstehens. In diesem epilogischen Teil der Batman-Saga zeigt Christopher Nolan dramatische Gesellschaftskritik, sowohl gegen das Böse, als auch gegen das Gute in der westlichen Zivilisation.
Gotham City kann auch ohne Batman. Und Gotham City geht es auch gut. Dafür aber ist der philanthropische Milliardär Bruce Wayne (gespielt von Christian Bale) zerbrochen, lebt zurückgezogen, antriebslos, wartend auf eine Lebensweltbedrohung, um sich wieder entfalten zu können. Eine solche “Chance“ bekommt er auch. Denn ein revolutionärer Sturm zieht über Gotham und dieses Mal über ihm persönlich auf.
Nun stellt Nolan den Antiheld Bane (gespielt von Tom Hardy) vor: Gothams sozial-revolutionäre Abrechnung. Zuerst überfällt er die Börse an der Wall Street und lässt Wayne verarmen. Und schon an dieser Stelle im Film kann der Zuschauer ahnen, in welche Richtung sich der Sturm bewegen wird: gegen die Reichen und die westlichen Zivilisation. Hiermit setzt Nolan nicht nur an der amerikanischen Occupy-Bewegung an, sondern er inspiziert sie. Wolle man eine Veränderung der Weltordnung, ginge das nicht ohne barbarische Konsequenzen. Die Gewalt dieser Konsequenzen, die Verfolgung und Ausschreitung gegen das Recht und den Liberalismus sind grandios dargestellt: Häftlinge marschieren aus dem Gefängnis, Häuser werden verbrannt, Menschen werden aus ihren dekadenten Nestern gezerrt. Das Versinken eines Footballstadions und Banes Auftritt dabei wirken auf der Leinwand großartig.
Während Bane eine neue Ära erzwingen möchte und mit einer Atombombe alles auf Null setzen will, kämpft Batman, um dieses System zu erhalten. Der Milliardär, dem das ganze Geld gestohlen wurde und der davor immerhin wohltätig und ein ehrenhafter Geschäftsmann war, will die Welt vor Banes „Befreiung“ retten. Wenn es eine Botschaft in dem Film gäbe, wäre sie: Besser wird die Welt durch eine ordentliche Revolution und Börsensturz nicht. Besser wird sie nur, wenn ihre Bewohner sich selbst zu guten und ehrenhaften Menschen ‚revolutionieren‘. Hiermit sind natürlich die Reichen gemeint. Andererseits, das, worauf die Gesellschaftskritiker abzielen, nämlich Gerechtigkeit und Freiheit, kann zu Anarchie implodieren.
Wayne und Bane – beide haben ein ähnliches Schicksal
Im weiteren Kontext des Films sollte der Reim Wayne-Bane möglicherweise die Ähnlichkeit zwischen den beiden symbolisieren und auf den gleichen Ursprung beider hinweisen. Bane ist auch ein Waisenkind, im Abgrund aufgewachsen und geformt. Trägt eine Maske. Auch von der Gesellschaft der Schatten ausgebildet. Kämpft auch illegal. Ein Unterschied zu Wayne ist, dass er für das Böse kämpft und Batman überlegen ist, nicht nur körperlich. Bane weiß, wer Wayne ist. Präsentiert als schmerzresistentes Scheusal, das bösartig veranlagt ist, wirkt Bane trotzdem sympathisch-charismatisch. Aufgrund seiner Maske ist kaum etwas von seinen Gesichtszügen zu sehen. Aber der Rest, der zur Verfügung steht, ist sehr gut in Szene gesetzt, um der Glaubwürdigkeit der brutalen Gewaltmacht zu dienen/um die brutale Gewaltmacht glaubwürdig zu machen: die Augenpartie, der mit Muskeln aufgepumpte Körper und seine Stimme. Dank der deutschen Synchronisation geht dieses letzte Attribut leider verloren und wird nicht sinngerecht dargestellt. Und ja, das Böse hat auch Emotionen und Tom Hardy vermittelt sie eher und teilweise besser, als die des Guten zu spüren wären.
Was die beiden noch verbindet, sind die zwei Frauen, die ihnen in dem Film zur Seite stehen. Die moralisch flexible, edle Diebin Selina Kyle (gespielt von Anne Hathaway) und die wohlhabende Geschäftsfrau und Umweltschützerin Miranda Tate (gespielt von Marion Cotillard). Nolan setzt einiges auf die beiden Damen, und mischt sie in den Kampf für eine bessere und gerechte Welt. Vor allem verleiht er Selimas Rolle mehr Inhalt, in dem sie nach einem Ausweg aus dieser Gesellschaft und nach einem Neustart sucht. Sie tut das nicht für alle, sondern nur für sich. Wie es Katzen so mögen, sie gehen ihren Weg. Dabei wird sie ihrer erotischen Funktion, die eine Catwoman seit ihrer ‚Entdeckung‘ verliehen bekommen hat, gerecht. Trotzdem stehen beide Damen eher im Hintergrund der Haupthandlung, bis erst am Ende des Films die Rolle von Miranda Tate einen Sinn bekommt. Jedenfalls lockern sie beide den anstrengenden moralischen Kampf zwischen Batman und Bane auf. Zur Lockerung trägt auch das neue Gesicht unter den alten in der Batman-Saga bei, der Detektiv John Blake (gespielt von Joseph Gordon-Levitt). Er tanzt aus der Reihe aller Polizisten, weil er blinden Gehorsam vermeidet. Es scheint so, als ob er das wahre heldenhafte Herz verkörpert und zwar ohne Maske.
Während im ersten Teil des Films alle nötigen Vorbereitungen für den Kampf zwischen Gut und Böse vollzogen werden, zeigt Nolan, was einen echten Helden ausmacht.
Kurz vor ‚dem Sturm‘ hat Batman endlich den Staub von seinem Umhang geschüttelt und seine Kampfspielzeuge und Prothesen eingeölt, die eigentlich hintergründig dazu dienen sollen, Batman-Waynes Verletzlichkeit zu kaschieren. Ohne diese kann er kein Held Gothams sein. Und nur durch das Geld von Wayne Inc. und deren Nebenorganisationen schafft Wayne den Umschwung zur Kampfmaschine. Angesichts der Trauer und Wut, in der er lebt, stürzt er sich entsprechend zornig in den Kampf. Es ist vielleicht das einzige Gefühl, das der Zuschauer von der Doppelpersönlichkeit ‚Wayne-Batman‘ wahrhaftig spürt, dass er sich selbst in den Tod stürzen will. Nun weiß der Zuschauer, dass Batman auferstehen wird. Er muss sich dieses Mal nicht seinen Ängsten stellen, sondern er muss sie in sich wieder finden. Hiermit hat Nolan Batman vom ersten Teil der Trilogie weiterentwickelt. Es ist nicht die Maske, die ihn zum Helden macht, sondern die Todesangst.
Nolan hat schon wieder einen komplexen Film gedreht, der allerdings trotz der Überlänge nicht die genügende Tiefe hat, um alle aufgeworfenen Themen auszuschöpfen. Dennoch schadet das nicht seiner Spannung. Schade, dass dies das Finale war.
The Dark Knight Rises, der dritte Teil der Batman-Trilogie von Christopher Nolan läuft noch bis zum 29. August in Greifswald.
Bilder & Trailer: Warner Bros. Pictures (ohne CC-Lizenz)
Bane gleich als Occupy zu identifizieren, finde ich ja ein bißchen hart. Er hat ja die Gesellschaftsordnung nicht verändert, ich habe ihn eher als Faschisten verstanden. Mit der Atombombe und seinen Knastbrüdern ersetzt er einfach die alten Machtstrukturen, Scarecrow(wunderbar, dass der wieder mit dabei ist) stellt mit seinem Tribunal die Justiz.Von Anarchie ist also nicht viel zu sehen, ebensowenig von Sozialem in Banes "Revolution". Die Börsenszene war insgesamt sehr hübsch gemacht und hat leicht satirisch die ganze Dekadenz und Widerwärtigkeit dieser Institution dargestellt. Ich fand übrigens gerade die Stimme von Bane sehr eindrucksvoll und sehr gut im deutschen dargestellt, hat die Synchro mal gezeigt, was sie kann, wenn sie will.