Für Aufregung sorgen zur Zeit Recherchen von Spiegel Online. Danach sollen im Zwischenlager Nord in Lubmin die Gebäude nicht unter hohen Kosten für die Beseitigung der Radioaktivität abgerissen werden, sondern die nächsten 50 Jahre stehenbleiben, bis die Radioaktivität von alleine abgeklungen ist. Die Gebäude sollen dann wie normale Häuser abgerissen werden. Der Betreiber des Zwischenlagers, die Energiewerke Nord, dementierten dies als „kompletten Quatsch“.
Abriss erst, nachdem Radioaktivität abgeklungen ist
Spiegel Online stützt sich auf ein 90 Seiten umfassendes Gutachten, dass unter anderem von dem ehemaligen Geschäftsführer der Energiewerke Nord (EWN), Dieter Rittscher verfasst wurde. Danach sollen die Maschinen sofort von Radioaktivität dekontaminiert werden, nicht jedoch unbedingt die Gebäude selber. Hier soll abgewartet werden, bis die Radioaktivität in 50 Jahren im Boden und in den Mauern abgeklungen ist. Die Gebäude sollen dann wie normale Häuser abgerissen werden.
Ursprünglich war geplant, die betroffenen Gebäude „mit einem möglichst geringen Aufwand“ zu erhalten. Auch wenn „Luken oder Gebäudeöffnungen undicht werden“, oder dass „Feuchtigkeit eindringen könnte“ und Radioaktivität austrete. Bei diesem Worst-Case-Szenario, bliebe die Strahlenbelastung auf einem niedrigen Niveau.
Energiewerke Nord: Keine „Billig-Entsorgung“, prüfen aber Wirtschaftlichkeit
Als „völlig haltlos und einfach nur Quatsch“ weist EWN-Chef Henry Cordes die Behauptungen zurück. Man plane keine „Billig-Entsorgung“ des Kernkraftwerkes. Er räumt aber entsprechende Planungen indirekt ein: „Es geht darum, unsere Mitarbeiter, die im Rückbau unserer Kernkraftwerke Hand anlegen müssen, so weit wie möglich vor Strahlenbelastung zu schützen. Deshalb überlegen wir, die schwache Reststrahlung in den ehemaligen Kraftwerksgebäuden kontrolliert und auf natürlichem Wege abklingen zu lassen, bevor wir sie dann in circa 50 Jahren abreißen.“ In diesem Rahmen sei natürlich auch die Wirtschaftlichkeit abgeprüft worden. […] Wirtschaftlich ist auf Dauer nur das, was sicher ist.“ Diese Überlegungen wurden Behörden in Bund und Land vorgestellt worden, seien aber noch nicht abgeschlossen.
Einsparungen möglich
Der Rückbau eines Atomkraftwerkes kann laut bund.net auf drei Arten erfolgen: Der „sichere Einschluss“ bedeutet, dass um das stillgelegte Kernkraftwerk beispielsweise eine Betonglocke gebaut wird, die das AKW von der Umgebung völlig abschirmt. Hingegen wird beim „direkten Rückbau“ das Kernkraftwerk nach Laufzeitende auseinandergebaut, die verstrahlten Bauteile müssen vor Ort aufwendig zerlegt und gereinigt werden. Verknüpft werden beide Methoden beim „Rückbau nach Einschluss“, bei der das AKW zuerst mit einer Betonglocke von der Außenwelt abgeschnitten wird und Jahrzehnte später erfolgt dann der Rückbau.
Für den Standort Lubmin bedeutet die Variante mit dem normalen Hausabriss, dass sich dadurch erhebliche Kosten einsparen ließen. Zudem fällt weniger radioaktiver Müll an, der entsorgt werden müsste. Jedoch müsste auch mehr Personal für die lange Zeit bereit gestelllt werden, was zusätzliche Ausgaben bedeute. Dies sei aber bei der Schätzung der Ersparnisse berücksichtigt, so Cordes.
Fotos: Zwischenlager Nord – EWN (keine CC-Lizenz); Cordes – David Vössing\ web-Moritz-Archiv