Spätestens seit Stuttgart 21 ist „Bürgerbeteiligung“ jedem ein Begriff – meist für die viel zu späte Einbindung von Bürgern in einen Planungsprozess. Dass es auch anders geht, bewies die Stadt Greifswald am 17. April mit der ersten Bürgerversammlung zum Projekt „Soziale Stadt mobil gemacht“, welche im Koeppenhaus stattfand. Im Rahmen des Projektes soll in den Stadtteilen Fleischervorstadt und Innenstadt das Interesse und die Anforderungen der Anwohner an ein Carsharing-Angebot ausgelotet werden.
Eingeladen hatte die Stadt Greifswald, unter Federführung des Klimabeauftragten Oliver Reif-Dietzel. Mit auf dem Podium saßen außerdem Lutz Wüllner im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und Michael Glotz-Richter, der in Bremen Referent für Nachhaltige Mobilität beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr ist.
Warum Autos so schwierig sein können
Herr Wüllner als Vertreter der Geldgeber betonte eingangs die Wichtigkeit der Bürgerbeteiligung bei Projekten der Stadtentwicklung gegenüber den rund 50 anwesenden Greifswalder Bürgern.
Danach gab Oliver Reif-Dietzel einen recht ausführlichen Exkurs in die verschiedenen Formen städtischer Mobilität und legte dar, welche Probleme das herkömmliche Modell der Automobilität mit sich bringt: Schadstoffausstoß, Lärm, Verkehrsstaus und vor allem Flächenmangel und Nutzungskonkurrenz in den Wohnvierteln. Autos in Deutschland würden durchschnittlich nur eine halbe Stunde am Tag genutzt, den Rest der Zeit verbrauchten sie einfach nur Platz. Von daher sei es für die Lebensqualität als auch den eigenen Geldbeutel von Vorteil, verstärkt auf alternative Mobilitätsformen wie Carsharing zu setzen. Um dessen Potential auszuloten, sei das Projekt „Soziale Stadt mobil gemacht“ ins Leben gerufen worden. Gemeinsam mit dem Bürgern der Stadt soll in zwei Workshops und einer Haushaltsbefragung im Sommer 2012 die Anforderungen an ein Carsharing-Projekt ermittelt werden. Die Auswertung dieser Datenerhebung ist für 2013 geplant und zielt auf die Frage ab: Braucht Greifswald Mobilitätsstationen, an denen Carsharing, Fahrradmiete und ähnliches möglich ist?
Carsharing spart Geld und schafft Platz
Wie solch ein flächendeckendes Netz von Mobilitätsstationen aussehen und funktionieren kann, führte im Anschluß Herr Glotz-Richter am Beispiel von Bremen vor. Dabei hob er besonders die notwendige Verflechtung der verschiedenen innerstädtischen Verkehrsträger Bus, Fahrrad und Auto an den einzelnen Mobilitätsstationen hervor. Bei guter Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer sei durchaus eine Reduzierung des PKW-Bestandes um den Faktor 10 möglich, was letztendlich auch der öffentlichen Hand weitreichende Kostenersparnisse brächte. Zum Abschluß betonte der Umweltreferent noch, dass es keine Schwarz-Weiß-Diskussion gebe, ob Autos gut oder schlecht seien. Es gehe einfach nur um das Platzproblem, dass durch den hohen PKW-Besatz in deutschen Städten entsteht.
In der anschließenden regen und von vielen interessierten, aber auch skeptischen Fragen charakterisierten Diskussion standen die drei Referenten den Bürgern Frage und Antwort. Während einige Fragen die generelle Möglichkeit der Umsetzung eines Carsharing-Angebots in Greifswald zum Ziel hatten (Wirtschaftlichkeit trotz relativ niedriger Bevölkerungszahl, Verfügbarkeit von Flächen für die Einrichtung der Mobilitätsstationen), ging es anderen Bürgern um konkrete Potentiale und Kapazitäten eines solchen Konzeptes (Verfügbarkeit, Anzahl Stationen, mögliche Betreiber).
Immer wieder betont wurde in den Vorträgen und auch der Diskussion: Für Pendler lohnt sich das Carsharing-Modell nur in seltenen Fällen. Als Richtwert gab Herr Reif-Dietzel an, dass ab etwa 12.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr der eigene PKW die wirtschaftlichere Variante darstelle.
Konzept mit Potential
Alles in allem scheint der im Rahmen des Projektes praktizierte Ansatz der frühzeitigen Bürgerbeteiligung auf rege Resonanz zu stoßen. Wie und ob das Carsharing-Konzept in Greifswald Einzug halten wird, bleibt abzuwarten. Wie bei allem Neuen überwiegt erst einmal die (gesunde) Skepsis – und das ist gut so, denn Carsharing ist sicherlich kein Allheilmittel für die Probleme, die Verkehr im städtischen Raum induziert.
Foto: Erik Lohmann; Auto – Wirtschaftsförderung Bremen/Frank Pusch via Pressedienst Bundesland Bremen (keine CC-Lizenz)
Mein Eindruck ist, dass Greifswalds Herausforderung gar nicht so sehr die umweltfreundliche Mobilität in der Stadt ist, sondern eher die Mobilität zwischen Greifswald und den andern Zielen in der Umgegend. Ich besitze mein Auto insbesondere, weil bereits die Fahrt in eine der anderen größeren Städte im Land eine einzige Tortur ist (Paradebeispiel: Greifswald – Neubrandenburg, per ÖPNV nicht unter 2 Stunden), von einer Fahrt aufs Land ganz zu schweigen. Das gleiche Bild bietet sich, wenn das Ziel außerhalb des Landes liegt: Entweder fährt man stundenlang in stinkenden Regionalzügen. Oder man richtet seine gesamte Reiseplanung auf die verbleibenden zwei bis drei täglichen DB-Fernzüge aus. Oder man nimmt eben doch das Auto. Vom nationalen Flugverkehr ist M-V selbstverständlich auch abgeschnitten. Aber der ist ja auch nicht gerade ökologisch.
Langer Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, wichtiger als die lokale Mobilität ist die regionale. Wir brauchen einen sehr viel besseren öffentlichen Regional- und Fernverkehr auf der Straße und der Schiene. Dafür sollte sich die Stadt stärker einsetzen, auch wenn es eigentlich nicht ihre Aufgabe ist.
Und einen Radweg nach Lubmin 😉
@Jockel: dann aber nicht nur in Richtung Lubmin, in Richtung Süden gibt es nach der Stadtgrenze auch nur die Bundesstraße. Du kannst übrigens auch über den Hafen Vierow und dann an der Steilküste auf dem Trampelpfad entlang nach Lubmin gelangen.
@Gabriel: nimm mal Waren(Müritz): je nach Verbindung sind das bis zu 3-4 Stunden … bei den 100 Kilometern sind das 25 Km/h auf die Luftlinie gerechnet
Als CarSharer sparen Sie Geld.
Gleich ein Paradebeispiel wie günstig Carsharing ist:
Eine einstündige Einkaufsfahrt mit einem Kleinwagen inkl. MwSt
inkl. 6 km, inkl. Sprit, inkl. Versicherung mit 350 € Selbstbeteiligung kostet nur 4 €.
Eine einstündige Einkaufsfahrt mit einem 9-Sizter-Bus inkl. MwST
inkl. 10 km, inkl. Sprit und inkl. Versicherung mit 350 € Selbstbeteiligung kostet 10 €
Eine Stunde Fahrt mit dem Transporter (3 m lange, 1,80 m hohe Ladefläche) inkl. MwSt inkl. 10 km, inkl. Sprit, inkl. Versicherung (350 € Selbstbeteiligung) kostet 12 €.
CarSharing ist für Sie dann sinnvoll (rentabel), wenn Sie nicht täglich ein Auto benötigen und weniger als 12.000 km im Jahr fahren. Wenn Sie sich kein eigenes Auto anschaffen, sparen Sie sich pro Jahr circa 3500 € Festkosten. Da Sie bei CarSharing nur dann zahlen, wenn Sie fahren, haben Sie als CarSharer unter dem Strich geringere Kosten als ein Autobesitzer.
Als CarSharer werden Sie langsam vom Autofahren “entwöhnt”.
Sie nutzen mehr den preiswerteren öffentlichen Nahverkehr, steigen in ein Taxi, fahren mit dem Fahrrad oder gehen wieder mehr zu Fuss.
50% der Fahrten eines Bundesbürgers sind Kurzstrecken bis zu 5 km/Fahrt. Bei diesen Fahrten wird der kalte Motor sehr beansprucht und der Spritverbrauch ist um circa 100% höher als bei warmen Motor (hoher CO2-Ausstoß).
Mit CarSharing werden Gestank, Lärm, klima- und gesundheitsschädliche Abgase reduziert.
Wieso fährt ein CarSharer weniger Kurzstrecken?
Das CarSharingauto steht nicht direkt vor der Haustür (z.B. 300 m entfernt) und man muss für eine Fahrt erst bei der Buchungszentrale anrufen. Bevor man also für eine Kurzstreckenfahrt in die Stadt sich die Mühe macht, sich ein CarSharingauto zu buchen, schwingt man sich lieber aufs Fahrrad oder geht zu Fuss. Ein CarSharer fährt dadurch deutlich weniger Kurzstrecken bis 5 km; diese Kurzstrecken bei kaltem Motor verbrauchen besonders viel Sprit (11 Liter/100 km) und schaden dem Motor.
Ein Carsharingauto macht durchschnittlich 6 Privatautos überflüssig. Da für die Produktion eines Autos 300.000 Liter Wasser verschmutzt werden und die Energie von 3200 Liter Benzin benötigt wird, leisten sie als Carsharer einen Beitrag zum Klimaschutz. In den Städten sind weniger Stellplätze nötig; die geringere Bodenversiegelung wirkt der Hochwassergefahr entgegen.
Mehr Infos zum CarSharing: http://www.carsharing-infos.com