Wie sollen künftig die Langzeitarbeitslosen im Kreis Vorpommern-Greifswald betreut werden? Darüber könnte es demnächst einen Bürgerbescheid geben. Bisher ist die Betreuung unterschiedlich. In Greifswald und im Altkreis Uecker-Randow gibt es eine Arbeitsgemeinschaften (Argen) aus Arbeitsagentur und Stadt beziehungsweise Kreis, hingegen nutzte der Altkreis Ostvorpommern die Option der Eigenverwaltung und führte eine Sozialagentur ein. Nachdem der Kreistag Ende Februar beschlossen hatte, dass die Betreuung von Langzeitarbeitslosen künftig die Argen im ganzen Kreis Vorpommern-Greifswald übernehmen sollen und damit der Sozialagentur faktisch die Grundlage entzogen, initiierten drei ehrenamtliche Bürgermeister einen Bürgerbegehren dagegen.
Verwaltungsgericht stoppt Umsetzung von Kreistagsbeschlüssen
Das Verwaltungsgericht Greifswald gab am letzten Freitag einem Antrag der Bürgerinitiative „Pro Option“ statt, mit dem nun die Kreistagsbeschlüsse zur Sozialagentur vorläufig nicht umgesetzt werden dürfen. Einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens ist Burkhard Wank, Bürgermeister von Krien, das westlich von Anklam liegt: „Unser Ziel ist, dass auch künftig für den Altkreis Ostvorpommern die Option Sozialagentur möglich ist. Die Sozialagentur arbeitet vorzeigbar.“ In einer bundesweiten Auswertung belege die Sozialagentur die vorderen Plätze. Damit das möglich ist, solle die Klage der Landrätin fortgeführt werden. Die Landrätin Babara Sybre (Die Linke) klagt gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern, damit Schwerin die sogenannte Zebra-Lösung zulassen soll, was heißt, dass das Land mehrere Möglichkeiten zur Betreuung Langzeitarbeitsloser in einem Kreis zulässt, also Sozialagentur und Argen gemeinsam in getrennten Gebieten des Kreises. Momentan ist dies nach Landesrecht nicht möglich. Allerdings hatte der Kreistag auch die Kreisverwaltung gefordert, die Verfassungsklage zurückzuziehen.
Damit wird das schlechte Verhältnis von Landrätin und Kreistag deutlich. Daher forderte der Kreistag erneut am Montagabend die Rücknahme der Verfassungsbeschwerde der Landrätin: „Der Kreistag beauftragt die Landrätin, gegen den […] Beschluss des Verwaltungsgerichtes Greifswald Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht einzulegen.“ Weiter heißt es, der Kreis beauftrage einen Rechtsanwalt, der vom Finanzausschuss ausgewählt wird und damit nicht von der Landrätin kommt. Auch hier wird der Vertrauensbruch zwischen Kreistag und Landrätin deutlich. Sie ließ sich aus Krankheitsgründen vom ersten Beigeordneten Jörg Hasselmann vertreten. Er verwies auf eine am Montag eingegangene Stellungnahme des Innenministeriums, wonach das Bürgerbegehren grundsätzlich zulässig sei, aber nicht in dieser Form. So müsse beispielsweise der Text des Bürgerbegehrens umformuliert werden, sodass die Sozialagentur dann für den ganzen Großkreis zuständig sei und nicht getrennt neben Argen agieren könne.
Schlechte Chancen für Bürgerbegehren
Die erste Hürde hat der Bürgerentscheid schon genommen, denn für seine Zulassung müssen 4.000 Unterschriften vorliegen, die Initiatoren haben bereits 5.882 Stimmen gesammelt. Aber eine Zustimmung für ihr Anliegen ist eher zweifelhaft. Dafür müssen nach der Kommunalverfassung mindestens eine Mehrheit von 25 Prozent aller Wahlberechtigten mit Ja stimmen, nicht nur in Ostvorpommern, sondern auch in Greifswald und dem Altkreis Uecker-Randow. Ob das Bürgerbegehren zulässig ist, wird der Kreistag in einer Sondersitzung entscheiden. Eine Dringlichkeitsvorlage, die dies vorsah, wurde von der Tagesordnung genommen.
Fotos: David Vössing
Leider fehlen in dem Artikel aus meiner Sicht einige wichtige Details:
Zum Beispiel scheint mir erwähnenswert, dass Burkhard Wank selbst Mitglied der Partei Die Linke ist und in der Kreisverwaltung, welcher von seiner Parteifreundin Syrbe geleitet wird, angestellt ist.
Ein weiterer Iniator des Bürgerbegehrens, Marcel Falk, Bürgermeister in Stolpe (Peene) seinerseits hat bis vor wenigen Monaten selbst bei der Sozialagentur gearbeitet.
Das Frau Syrbe als Chefin der Verwaltung sich einfach über Kreistasbeschlüsse hinwegsetzt und deren Umsetzung bereits so weit hinausgezögert hatte, dass ein solches Bürgerbegehren tatsächlich noch eine Grundlage hat scheint mir in diesem Lichte doch überaus erwähnenswert.
Und dann noch am Rande. Da das Bundesverfassungsgericht die Zusammenarbeit von Kommunen und Bundesagentur in der ursprünglichen Form für verfassungswidrig erklärte gab es 2010 eine Novellieren. Seitdem firmieren die gemeinsamen Einrichtungen unter dem Label "Jobcenter" auf einer rechtlich sauberen Basis.
Nicht nur, aber besonders im zweiten Absatz befinden sich noch erhebliche Rechtschreib- und Formulierungsfehler.
Zur Sache: Dass die Sozialagentur bundesweit vordere Plätze belegt, ist ja schön. Diese Statistik ins Feld zu führen, kann aber nur realsatirisch gemeint sein, da der ehemalige Landkreis OVP (für den damit behauptet wird, auch vorne mitzuspielen) eine desaströse Bilanz hat. Die Option kann eine sinnvolle Lösung sein, muss es aber nicht. Stattdessen muss sie zur Situation des jeweiligen Landkreises passen. Hier geht es um Postensicherung, denn wer wäre wohl als erster nicht mehr der Big Player in der Region? Richtig, der Chef der Sozialagentur. Auf dessen (Mit-)Initiative ist das Bürgerbegehren zurückzuführen. Option heißt im Übrigen auch völlige juristische Verantwortung für die Kommune. OVP durfte kürzlich mehr als 100.000 € nicht ordnungsgemäß abgeführter Rentenversicherungsbeiträge als Nachzahlung leisten. Sollte es einmal zu ähnlichen Nachforderungen infolge schuldhaften falschen Handelns der Sozialagentur kommen, werden die bisherigen Schulden von rund 100 Mio. Euro weiter erhöht.
Die Zulässigkeit ist in der Tat fragwürdig, weil das Zustandekommen der Unterschriften einigermaßen abenteuerlich war und es um eine Angelegenheit der inneren Organisation der Verwaltung geht. Darüber den Bürger entscheiden zu lassen, ist nach § 20, Abs. 1 der Kommunalverfassung MV aber gar nicht vorgesehen.