Seit Montag sind wieder Gremienwahlen. Mit Plakaten, Flyern und Internetauftritten versuchen die vielen Hochschulgruppen, Listen oder Einzelpersonen wieder eifrig die Gunst der Wähler zu gewinnen. Überall gibt es Forderungen und Ziele zu lesen oder die Kandidaten präsentieren ihr liebstes Portrait von sich. Wir haben für euch ein paar schöne Exemplare herausgefischt und kommentiert.
Zunächst wären da die Werbemittel der AG-Wahlen. Diese Arbeitsgruppe bereitet schon seit einigen Wochen die Gremienwahlen vor, und hat diese Plakate entworfen, wo der gute alte Mr. Pac-Man als Maskottchen herhalten muss. Jener arme Videospiel-Held aus den 80ern, der sich auf der Suche nach Futter durch ein unendliches Labyrinth quälen muss und dabei von gehässigen Monstern verfolgt wird. Der seltene Glücksmoment auf dieser ziellosen Hatz sind Erdbeeren oder Kirschen, welche ihm für kurze Zeit Unbesiegbarkeit verleihen. Doch worum geht es hier wirklich? Den ziellosen Studenten vielleicht, der sich im Irrgarten der Universität von Semester zu Semester scheuchen lässt? Unterwegs findet er plötzlich eine Gremien-Kirsche, welche ihn kurz verschnaufen lässt, da die Regelstudienzeit verlängert wird. Also Schutz vor dem BAföG-Monstrum, das ihn verfolgt und nur darauf wartet, dass er nicht alle ECTS-Punkte findet. Vielleicht geht die Interpretation zu weit, doch warum musste gerade Pac-Man für die Öffentlichkeitsarbeit herhalten?
Die Plakate von die Linke.SDS sind wohl die provokantesten und zeigen in eine eindeutige Richtung: Die fünf Kandidaten posieren auf die gleiche Art und Weise wie in einer altbekannten Abbildung kommunistischer Denker und Diktatoren. Hier gibt es ein Konzept. Zwar sind sie nicht so schön der Bartdichte nach sortiert, aber dennoch ist die Ähnlichkeit mit dem Original unverkennbar: Gido Marx, Marian Engels, Marvin Iljitsch Lenin, Martin Stalin und Marco Tse-tung versammeln sich hier oder war das anders herum? Was sollen sich die potentiellen Wähler dabei denken? Den gleichen Führungsstil wie die großen Vorbilder? „Wir sind die Studierenden, die Uni gehört uns!“ ist das Motto vom Quintett aber hätte „Studierende aller Fakultäten vereinigt euch!“ vielleicht auch gepasst?
Die Liberalen Hochschulgruppe (LHG) und der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) treten gemeinsam als Bürgerliche Allianz für den Senat an. Als größtmöglicher Gegenpol zur Gruppe der Neo-Kommunisten erfüllt die Allianz dennoch eine von deren beliebtesten Forderungen, welche der SDS aber mit seinen Kandidaten nicht erfüllen kann: Geschlechtergleichheit. Denn fast die Hälfte der Kandidaten ist weiblich. Alle zusammen lächeln den Betrachter nett in einer bunten Collage an, dass dieser den Rechtschreibfehler in einem ihrer Namen fast verzeihen mag. Alles zusammen sieht so richtig schön altmodisch und undurchdacht aus. Dieses Plakat hätte ohne Probleme schon seit 15 Jahren an der Mensatür kleben können, niemand hätte es bemerkt. „Projekt Zukunft“ (RCDS) sieht anders aus.
Die Liste „Solidarische Universität“ gibt sich da wesentlich moderner. Das Aufgebot von 22 Studierenden welche, ungebunden und aus Hochschulgruppen, gemeinsam für den Senat antreten verspricht, über alle Fakultätsgrenzen hinweg die gesamte Studierendenschaft vertreten zu wollen. „Eine Liste für alle Fakultäten“ lässt darauf schließen, dass hier wirklich auch alle Fakultäten versammelt sind. Und genau diesem Anspruch werden sie nicht gerecht, denn wenigstens ein Vertreter aus der Theologischen Fakultät fehlt in diesem Bündnis, was zwar nicht auf den Flyern aber auf der Homepage auch eingeräumt wird. Dennoch konnte durch die Menge an Kandidaten wohl auch das meiste Geld investiert werden. Das aufwändige Material aus Plakaten, Flyern, Programmheften und einer eigenen Homepage ist am ansprechendsten gestaltet, und im universitären Alltag überall präsent. Mit Twitter-Account und QR-Code wird zudem voll auf den mobilen Studierenden mit exzessiven Smartphone-Dauereinsatz von heute gesetzt.
Auf diese Gruppe setzen auch die Hochschulpiraten. Die Symphatisanten der „Solidarischen Universität“ präsentieren sich mit einem schlichten aber dennoch sauber strukturierten Flyer. Er ist in schwarz-weiß gehalten, das Budget wurde hier nicht zu stark belastet. Dafür heben sich die Piraten auf andere Weise von der Konkurrenz ab, denn ihre „smarten“ Themen Freies WLAN, Online-Abstimmungen und Open Source Software bieten die anderen Wahlkämpfer nicht. Einzig Kultur- und Sportangebote haben die Piraten wie alle anderen auch zu bieten, dafür mit einem Freigetränk. Das spricht die Massen an! Der aufmerksame Wähler weiß jetzt außerdem, wo Pac-Man seinen hübschen Doktor-Hut gefunden hat.
Die Junge Union Greifswald gibt sich ähnlich schlicht, setzt dafür aber auf Tradition. Diese wird durch das Stadtwappen, den Greifen, und das Hauptgebäude der Universität vermittelt. Modernes Denken wie bei den Piraten symbolisiert dennoch die Forderung nach einer Studentenwerk-App. Dieses Internet scheint beim Wähler gut anzukommen, auch wenn auf den Hinweis zur eigenen Online-Präsenz verzichtet wurde. Den brauchen sie zum Wahlkampf auch nicht, denn die neun Kandidaten sind sich ihres Sieges so sicher, dass beim Vermerk der Wahlfrist gleich auf zwei Tage verzichtet wurde, obwohl auch für das StuPa angetreten wird.
Auch die Juso-Hochschulgruppe Greifswald hat angeblich einen Flyer in Umlauf gebracht, dieser konnte bisher jedoch nicht gefunden werden. Bleibt das digitale Exemplar vom hauseigenen Blog. Schon vom bloßen Angucken fallen hier die aufgestellten Ziele wieder in sich zusammen. Bei den Kandidaten sieht das nicht anders aus, die Namen stürzen einfach nur so dahin, als könnten sie sich nie für eine Position entscheiden. Und auch den Jusos ist die korrekte Schreibweise ihrer Kandidaten weniger wichtig, als auf ein möglichst anstrengendes und verwirredes Design zu achten. Hauptsache alles irgendwie schnell fertig gebracht, so auch die Arbeit im StuPa? Quantität geht vor: Gleich sechs Plätze im Studierendenparlament werden angestrebt, welche aufgrund der geringen Gesamtzahl von Kandidaten jetzt schon fast sicher sind.
Trotz aller Kritik am Äußeren gilt jedoch für jeden Kandidierenden, dass das zählt, was am Ende für Arbeit im jeweiligen Gremium geleistet wird. Wichtig ist es nicht, sich möglichst provokant zu präsentieren, möglichst viele Forderungen aufzustellen oder populär zu sein. Auch wenn das Bild, das man sich gibt, nicht aufregend oder professionell erscheint, so zählt es doch vor allem, die gebrachten Forderungen später in Senat, Fakultätsrat, Studierendenparlament oder Fachschaftsrat glaubhaft zu vertreten und keine falschen Versprechen gegeben zu haben.
Fotos: Simon Voigt
Alle weiteren Flyer wurden den Seiten der jeweiligen Gruppen oder des AStAs entnommen.
Bild „Marx Engels Lenin Stalin Mao“: flickr-user agitprop, Lizenz: CC BY 2.0
Lasst 100 Blumen blühen!
Die beste Satire ist doch das Leben selbst.
Danke Jusos für soviel "Hihi, jetzt machen wir es mal wie die großen Genossen und verschicken beleidigte und mahnende Pressemitteilungen".
Betreff: Artikel „Pac-Man auf der Flucht vorm BAföG-Amt? – Die Werbemittel der Gremienwahlen“
des Web-Moritz vom 12. Januar 2012
Im Artikel setzt sich der Verfasser mit den Werbematerialien der AG-Wahlen sowie der zu
den Gremienwahlen antretenden politischen Gruppierungen auseinander – in einer Art,
die sowohl journalistische Qualität als auch Seriosität vermissen lässt.
Unabhängig zu unserer eigenen politischen Herkunft stellen wir den Inhalt des Artikels
in Frage und bezweifeln den ernsthaften Umgang des Verfassers mit dem Thema
Gremienwahlen.
Die dahinter stehenden Motive sind fragwürdig. Soll dieser Artikel zur allgemeinen
Belustigung beitragen oder gar eine mediale Machtdemonstration gegenüber
potentiellen Mandatsträgern der nächsten Legislatur darstellen?
"Vom Webmoritz wünschten wir uns eine Auseinandersetzung mit den politischen
Inhalten der jeweiligen Gruppierungen und keine Beurteilung der künstlerischen
Fähigkeiten. Dies ist keine politische Berichterstattung sondern gehört in den Feuilleton."
betonte der Sprecher der Juso-Hochschulgruppe, Christopher L. Riemann
Die Berichterstattung der Universitätsmedien muss selbstverständlich sowohl inhaltlich
als auch stilistisch frei erfolgen, dies darf allerdings nicht in, wie in diesem Artikel
geschehen, unbegründetem "Umsichschießen" in alle Richtungen ausarten.
Wir fordern den Web-Moritz zu einer differenzierteren Berichterstattung auf.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an…
Christopher L. Riemann
Sprecher Juso-Hochschulgruppe Greifswald
Auch wenn ich unser Plakat persönlich nicht für undurchdacht halte (was wohl darin liegt, dass ich einen groben Einblick in den dafür betrieben Aufwand habe), halte ich die PM/E-Mail/was genau eigentlich? für etwas überzogen. Immerhin finde ich durchaus inhaltliche Auseinandersetzung und, hey, wir haben unseren Frauenanteil ohne Quote oder überhaupt irgendeine Debatte erreicht. Die Kenntnisnahme und den Vergleich empfinde ich schon als Lob!
Aber was ich eigentlich wissen wollte: Quelle? Wo kann man den netten Bericht im Original nachlesen?
Die Pressemitteilung ging direkt per Mail an uns. So weit ich weiß, lief sie noch über den Mail-Verteiler der Jusos. Anscheinend werden die Pressemitteilungen aber wirklich nicht online veröffentlicht.
Was auch immer dieses Schriftstück genau ist und wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet: Der Verfasser offenbart ein erbärmliches Verständnis von der Freiheit unserer Berichterstattung.
In den letzten Jahren hat es immer wieder Versuche seitens der Gremien der verfassten Studierendenschaft gegeben, eine "Hofberichterstattung" einzufordern. Dabei ist es gerade der große Pluspunkt unserer moritz-Medien, dass ihnen kaum inhaltliche Vorgaben gemacht werden. Und ich bin mir sicher: Wer daran rüttelt, senkt die Attraktivität der Redaktionen so erheblich, dass sich binnen kürzester Zeit ein eklatantes Nachwuchsproblem ergibt, was letztlich zur inhaltlichen und personellen Marginalisierung der moritz-Medien führen würde…
…ganz abgesehen davon, dass die Jusos tatsächlich mal bessere Werbematerialien hatten.
"Dies ist keine politische Berichterstattung sondern gehört in den Feuilleton."
Ja und? Was genau ist jetzt daran schlecht? Bzw. warum ist es aus Sicht der Verfassenden falsch, sich mit den Werbematerialien auseinanderzusetzen? Schließlich zeigt bereits die Qualität der Werbung, wie viel einem der potentielle Wähler/ die potentielle Wählerin Wert ist. Freilich, ein Artikel, in dem sich inhaltlich mit der Sache auseinandergesetzt wird, hätte auch noch kommen können.
Einer der Vorteile des webMoritz war ja immer, dass die Grenzen zwischen den Ressorts ließend sind. Und: Feuilleton ist sächlich, hihi.
"Und: Feuilleton ist sächlich, hihi." – Ich wollte mal nicht als der Obergermanist dastehen und andere bezüglich ihrer alternativen Art und Weise des Schreibens und Verwendens von Wörtern, bzw. der freien Genustransformation von Wörtern maßregeln.
Du hast dich ja auch kunstsprachlich ausgedrückt, indem du bei "fließend" das "f" hast wegfallen lassen. Ich überlege nur immer noch, welche Bedeutung dahinter steckt…
Keine.
Auch schön ist, dass man sich in einer (nichtöffentlichen?) Pressemitteilung aufregt, es doch selber aber nicht besser macht (und vor allem stilistisch weniger gut – siehe dem wunderschönen Präsi…ach ne, Jusos im StuPa-Blog).
Den Artikel find ich ja persönlich bombe.