Geht es euch manchmal auch so, dass eine Band oder ein Song es schafft, euch vollkommen ausflippen zu lassen? Das ihr in einer anderen Welt seid und nur noch die Musik wichtig ist? Oder macht ihr selbst Musik und seid so vertieft in eure Rhythmen und Melodien, dass ihr Raum und Zeit vergesst?
Der Musikpsychoanalytiker Dr. phil. Bernd Oberhoff beschäftigt sich mit diesem tranceartigen Phänomen. Am vergangenen Freitag war er im Koeppenhaus zu Gast und berichtete aus seinen Forschungen. Sein Vortrag Im Reich des schönen Wahnsinn. Musik und die Dimension des Unendlichen fand im Rahmen der Reihe Psychoanalyse und Kunst statt.
Moderiert wurde der Abend von Dr. Fridjof Gebhardt, Mitglied vom Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse Mecklenburg-Vorpommern e.V. Nachdem er die zahlreichen Zuhörer begrüßt hatte, musste er zuerst eine bedauerliche Ankündigung machen: Aufgrund von Etatkürzungen könne die Vortragsreihe ab dem kommende Jahr nicht mehr vom universitären Institut für Psychologie begleitet werden, als neuer Partner wurde die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (DGPT) gefunden. Die Reihe kann also fortgesetzt werden, für das kommende Jahr stehen schon einige Termine fest.
Expedition zwischen Genie und Wahn
Dr. Oberhoff betonte, dass es sich nicht nur um einen Vortrag handle, sondern vielmehr um eine Expedition in der er das Publikum zwischen Genie und Wahn begleiten möchte. Mit angenehmer Stimme führte der Referent die aufmerksamen Zuhörer in die verzerrten Wirklichkeiten des Surrealismus und dessen Künstler. Er stützte sich auf die Hintergründe der Malerei des Surrealismus und erstellte Bezüge zu Ernst, Breton und nicht zuletzt Dalí. Letzterer wird nur allzu gern für Genie und Wahnsinn heranzitiert.
Von der Kunst ging es dann zu den Genies der klassischen Musik über und zitierte reihenweise Brahms, Wagner, Strauss und Haydn. Aufschlussreich stellte er die Inspirationsprozesse der berühmten Komponisten dar und führte Beweise auf, wie oft Genie und Wahnsinn dicht beieinander liegen. Bei den Wechselwirkungen von Bewusstsein und Unterbewusstsein stützte Oberhoff sich zu einem Gutteil auf Sigmund Freud.
Leider basierten Oberhoffs Thesen und Analysen stark auf klassische Musik und bildende Kunst. Gerade den jüngeren Zuhörern fehlte der Bezug zu zeitgenössischer Musik, welchen der Titel der Veranstaltung erhoffen ließ. Ein paar Querverweise wären hier nicht verkehrt gewesen, auch wenn Dr. Oberhoff mit seinen Forschungen erst bei Wagner angelangt ist. Denn nicht nur die Klassik brachte Genies hervor, auch die gegenwärtige Musik wird durch kontroverse, wie auch sehr interessante Künstler bereichert. Zu nennen sind hier zum Beispiel Florence Welch, Björk, Dredg oder auch Marilyn Manson.
In jedem Fall lohnt es sich aber, ein Ohr offen zu halten für die weiteren Ergebnisse Oberhoffs Forschungen. Und so lange genießen wir einfach das Gefühl, dass uns die Musik gibt.
Die Reihe Psychoanalyse und Kunst wird im kommenden Jahr vorerst fortgesetzt. Geplant sind beispielsweise Filmbesprechungen zu Casablanca oder Waltz with Bashir.
Hier einige Fakten über den Surrealismus:
Der Begriff leitet sich aus dem Französischen surréalisme ab, was soviel wie „Überwirklichkeit“ bedeutet. Der Surrealismus befasst sich mit der Auflösung der Wirklichkeit und fixiert Traumwelten und Phantasien in verschiedenen Kunstmedien. Nach dem ersten Weltkrieg kam diese neue Strömung in Paris auf. Max Ernst, André Breton, Salvador Dalí, Joan Miró sind wichtige Vertreter. Wer sich weiter mit Thema befassen möchte findet kann hier weiter lesen.