Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen über Erfahrungen im Ausland. Dieses Mal berichtet die Greifswalder Studentin Jenny Dittberner über die bisherigen Eindrücke ihres Auslandssemesters im polnischen Zielona Góra.

Nachdem ich die Gebäude und den Lehrbetrieb ein wenig vorgestellt habe, möchte ich zum Abschluss ein „privateres“ Feld des polnischen Studentenlebens betreten: das Studentenwohnheim (poln.: akademik). Ich bin in Zielona Góra in einem sehr schönen, modernen Wohnheim untergebracht. Insgesamt hat es acht Stockwerke, und ich wohne im obersten, in einem Einzelzimmer, das an ein Doppelzimmer grenzt: Zu dritt teilt man sich ein kleines Bad und eine geräumige Küche. Das Wohnheim liegt auf demselben Campus wie „meine“ Uni-Gebäude, zu Fuß etwa fünf Minuten von einander entfernt.

Wie der gesamte Campus grenzt auch das Wohnheim an einen Wald: Von meinem Zimmer aus blicke ich auf lauter Bäume, und wenn ich mich aus dem Fenster lehne (was nicht ganz einfach ist, da das Fenster so eine Art „Unfall- und Selbstmordsicherung“ hat, die es nicht erlaubt, das Fenster ganz zu öffnen, sondern nur einen gewissen Spalt breit – allerdings bin ich schlank genug, mich durch diesen Spalt hindurchzuquetschen), kann ich ganz links die Uni sehen.

Meine Mitbewohner sind viel unterwegs, fahren am Wochenende meist nach Hause, sodass ich die kleine Wohnung oft für mich alleine habe – insgesamt lebt es sich hier also recht ruhig und angenehm. Eins allerdings muss ich gestehen: Wie in der Uni, so ist auch im Wohnheim bei manchen Dingen kaum etwas von „studentischer Freiheit“ zu spüren. Das bezieht sich nicht nur auf das Fenster, das man nicht vollständig öffnen darf, sondern beginnt z. B. gleich am Eingang des Wohnheims.

Ein Pförtner für alle Fälle

Blick auf den Campus und Umgebung vom Wohnheim aus

Jeder, der das akademik betritt, muss zunächst am Pförtner vorbei, der das Recht hat, nach dem Zimmerschlüssel zu fragen oder danach, wen man besuchen möchte – hat man als Besucher dann die Zimmernummer angegeben, zu der man möchte, muss man zudem auch noch seinen Studentenausweis beim Pförtner hinterlegen. Spätestens um 23 Uhr müssen dann alle Gäste das Wohnheim verlassen haben, ansonsten bezahlen sie eine „Übernachtungsgebühr“.

Im gesamten akademik gelten strenge Regeln: Es darf nicht geraucht werden und auch das Mitbringen alkoholischer Getränke ist verboten. „Wie im Gefängnis.“, kommentiert eine Studentin aus dem fünften Stock, die ich nach dem Alkoholverbot frage. Und noch etwas Weiteres erinnert mehr an eine Haftanstalt, als an ein Studentenwohnheim: Alle acht Stockwerke des Gebäudes sind videoüberwacht, jeden Winkel des Flurs kann der Pförtner von seinem Posten aus beobachten – eine Option, von der er offensichtlich auch Gebrauch macht, wie ich selbst erfahren musste.

Ich stand einmal in meiner Haustür und unterhielt mich mit jemandem auf dem Flur, es war neun Uhr abends. Auf einmal klingelte meine Gegensprechanlage. Ich wollte erst gar nicht abnehmen, da es schon recht spät war und ich keinen Besuch erwartete. Doch es klingelte weiter und weiter, und als ich schließlich den Hörer abnahm, war der Pförtner dran, der mir sagte, dass er noch ein Paket für mich habe (sämtliche Post wird hier nämlich beim Pförtner abgegeben). Sollte ich das nun lediglich freundlich finden, dass der Mann mir Bescheid gesagt hat? Oder ist es nicht auch ziemlich bedenklich, dass er mich offensichtlich auf seinem Monitor beobachtet hat und somit genau Bescheid wusste, dass ich jetzt gerade zu Hause bin und die Post entgegennehmen kann?

Die Stadt bei Nacht

Aber wie dem auch sei, trotz dieser 24-stündigen Rundum-Überwachung gibt es im Studentenwohnheim natürlich immer noch genug wilde Parties, genug Alkohol, genug ungemeldete Gäste. Und da die Studenten wegen der Feuermelder nicht in ihren Zimmern rauchen können, gehen sie zum Rauchen eben ins Treppenhaus, dem einzigen Teil des Wohnheims, wo es keine Feuermelder und keine Kameras gibt (Und ich wette: Wenn es eines Tages auch im Treppenhaus Kameras geben sollte, dann werden die Studenten eben in den Fahrstühlen rauchen…).

Vom Studentenwohnheim habe ich somit denselben Eindruck, wie von der restlichen Universität: Es gibt allerhand Regeln und Vorschriften, alles scheint auf den ersten Blick sehr straff organisiert zu sein, eigentlich sogar wesentlich straffer, als ich es von Greifswald her gewohnt bin. Aber auf den zweiten Blick zeigt sich, dass die Studenten sich auch ziemlich Mühe geben, diese Regeln zu untergraben, und dass sie so einige Tricks kennen, um sich eben jene studentischen Freiheiten zu „erschleichen“, die ihnen offiziell nicht zuerkannt werden.

Fotos: Artikelbild und Campus – Jenny Dittberner; Nachtbild – user “tb808” via wiki-commons