Die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung MV hatte ins Koeppenhaus geladen – und knapp 50 Besucher, mehrheitlich Studenten, waren der Einladung gefolgt. Angelehnt an die UN-Dekade zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ dreht sich dieses Jahr bei den elften Entwicklungspolitischen Tagen in Mecklenburg-Vorpommern alles um das Thema Stadt. So auch der Vortrag am vergangenen Donnerstag: Prof. Dr. Helmut Klüter, Inhaber des Lehrstuhls für Regionalgeographie an der Ernst-Moritz-Arndt Universität, referierte zum Thema „Schrumpfende Städte“. Gerade angesichts der derzeit recht prekären Wohnungssituation in Greifswald ein Thema von großem Interesse.
Theoretisch, kurzweilig, interessant
Obwohl Prof. Klüter zu Beginn ankündigte, dass der Vortrag eher theoretisch bleiben würde, da er Überschneidungen mit den Themen anderer Veranstaltungen vermeiden wolle, erwies dieser sich als kurzweilig und interessant. Zur Einführung wurden erst einmal die Entwicklungen der Einwohnerzahlen großer ostdeutscher Städte präsentiert. Tatsächlich sah es so aus, als ob diese Städte seit der Wende stetig Einwohner verlören. Dabei setzte damals nur die Suburbanisierung ein, so Klüter. Wichtig sei, die Ursachen zu hinterfragen, und Entwicklungen nicht als gottgegeben hinzunehmen. Während viele Politiker den demographischen Wandel quasi als „Religion“ ansähen, an der man nichts ändern könne, sei diese Entwicklung in Wirklichkeit nur ein Teufelskreis aus schlechten Entscheidungen und den resultierenden Reaktionen der Bürger. Als Beispiel führt Klüter hier den Stadtumbau Ost an, insbesondere den Abriss von günstigem Wohnraum. Bei den damaligen Planungen wurden wichtige Effekte wie die Verkleinerung der Haushaltsgrößen und die einsetzende Bildungswanderung sträflich vernachlässigt. Als Folge stehe heutzutage nicht ausreichend günstiger Wohnraum zur Verfügung, was man auch hier in Greifswald merkt.
Schrumpfende Städte sind „Papiertiger“
Gegenläufig zu diesen Effekten, die zur Abwanderung aus den Städten führen, gibt es laut Klüter aber auch Effekte, die neue Einwohner, gerade aus sehr ländlich geprägten Räumen, in die Kleinstädte locken. Die bedeutendsten Faktoren seien hier zum einen das unterdurchschnittliche Serviceangebot im öffentlichen Dienst auf dem Land, und zum anderen die EU-Förderpolitik im Agrarsektor. Diese begünstigten die „neofeudalen“ Großbetriebe, die aus den LPGs der DDR hervorgegangen sind, während Gemeinden und kleine Bauernhöfe das Nachsehen hätten.
Zum Abschluss des Vortrags erörterte Prof. Klüter noch die Frage, ob das Schrumpfen insbesondere der Landstädte positive Effekte für Mittel- und Großstädte habe. Tatsächlich sei durch die bereits erwähnten Fehlentscheidungen auf Verwaltungsebene eine weitere Landflucht zu erwarten. Nichtsdestotrotz „findet Zukunft Stadt“, denn die Groß- und Mittelstädte wachsen. Der Begriff der schrumpfenden Städte sei „ein Papiertiger“, der nur durch politische Fehlentscheidungen, besonders in den Bereichen Bildung und Familien, Macht besäße.
An den Vortrag schloss sich noch eine rege Diskussion an. Auf die abschließende Frage, wie er die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung in der Region Vorpommern sehe, antwortete Klüter, dass ohne eine Änderung der politischen Maßnahmen und Programme eine weitere Abwanderung zu erwarten sei.
Foto: Erik Lohmann
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