Der Greifswalder Student Paul Dean* besuchte Mitte August Israel. Während des Besuches wurde er Zeuge mehrerer Raketenangriffe der Hamas. Er berichtet über seine Emotionen, Erlebnisse und Gedanken, die während der dauerhaften Angriffe in seinem Kopf kreisten.

Die Sirene, die einen Raketenbeschuss ankündigt heult auf. Sie ist laut, sehr laut. Es ist ein in Mark und Bein gehendes Geräusch. Sie schreit einem förmlich zu „lauf, renn so schnell du kannst“. Ich stehe mitten im israelischen Beerseba, zittere am ganzen Körper und spüre Todesangst. Wo bin ich hier? Wie kann es so weit kommen? Ist das das Ende? Ich denke an eine mir wichtige Person und verspüre den unendlich großen Wunsch, sie nur noch einmal wiederzusehen. Scheiße, was soll ich machen? Ich schaue mich um, versuche zu erkennen, ob ich Einheimische sehe, denen ich folgen kann. Ich weiß, dass ich maximal zwei Minuten Zeit habe, bis die Rakete einschlägt. Da sehe ich zwei Israelis, ich fühl mich sicher. Doch was machen sie? Sie können sich doch nicht ernsthaft unter einen Baum stellen und Schutz suchen. Da sehe ich ein Gebäude, 300 Meter entfernt. Es ist ein Geschäftsgebäude, das geschlossen aussieht. Ich renne, nein ich sprinte zum Gebäude und bereite mich innerlich darauf vor, die Tür einzutreten. Es ist noch geöffnet. Ich renne in den Keller und sehe einen israelischen Sicherheitsmann. Ihn spreche ich an, will reden, muss reden, kann mich nicht beruhigen, erwarte mir eine positive Reaktion. Doch er schreit mich auf hebräisch an, dass er kein Englisch könne. Ich sehe mich erschrocken um, prüfe die Wände, weiß nicht ob sie sicher sind.

Angst, Einsamkeit, tödliche Stille

Die palästinensische antiisraelische Hamas kämpft, wie hier zu sehen, für ein Palästina vom Fluss (Jordan) bis zur See (Mittelmeer)

Dann diese Einsamkeit in der Angst. Der Sicherheitsmann ist da, aber sehr unfreundlich, ich kann mich nicht mit ihm verständigen. Ich bin einsam, ich fühl mich verlassen. Dann diese Stille. Diese unmenschliche Stille, die einem wie eine Ewigkeit vorkommt. Diese Stille zwischen dem Alarm und den Einschlägen raubt mir jede Kraft. In dieser Stille denke ich wieder daran, ob es auch sicher ist. Ich versuche zu hören, ob ich Raketen wahrnehmen kann und ich denke wieder an diese Person, die ich unbedingt wiedersehen will. Dann macht es zweimal Bumm. Ziemlich laut. Ich renne wieder auf die Strasse und den ganzen Weg zur Unterkunft zurück. 1,5 Kilometer bei 30 °Celsius mit meiner schweren Tasche und ohne brauchbare Laufschuhe. Egal, ich renne. Ich will nicht nochmal von einem Alarm überrascht werden. Ich komme in der Unterkunft an und breche fast zusammen. Voller Adrenalin sinke ich auf den Boden, rufe meine Kommilitonin an, sie kommt zu mir, wir öffnen ein Bier und ich rede. Reden hilft, ich muss reden. Wir haben das Bier noch nicht zur Hälfte getrunken, da kommt der nächste Alarm. Wir rennen in den Bunker. Nun sitzen wir da. Diesmal bin ich nicht allein. Dann die Einschläge. Wir hören elf Explosionen. Der Bunker vibriert. Eine Rakete schlägt voll in der Stadt ein. Ein Mensch wird getötet, vier werden verletzt. Der getötete hinterlässt seine schwangere Frau. Ein ungeborenes Kind wird seinen Vater nie kennenlernen. Warum?

Gewaltspirale muss gestoppt werden

Wegen der Raketen, die in der Woche vom 15.08.2011 bis zum 21.08.2011 auf den Süden Israels abgefeuert wurden. Sie wurden wahllos und ohne Ziel aus dem Gazastreifen abgefeuert. Ziel der Terroristen war es, die Menschen in Israel aus ihrer Routine und ihrer Normalität herauszureißen. Ich habe diese Woche hautnah erlebt. Ich bin nachts von der Sirene geweckt wurden und musste in einen Bunker rennen. Ich wurde aus der Normalität herausgerissen und in eine plötzliche Krisensituation gestürzt. Mit mir hunderttausende Israelis. Diese Gewalt muss ein Ende finden. Diese immer weitergehende Gewaltspirale muss gestoppt werden. Israel ist hier gefordert, aber auch diese unmenschlichen Terroristen im Gazastreifen müssen umdenken. Deutschland und Europa sollten Druck auf beide Parteien ausüben, anstatt sich immer wieder nur auf eine Seite zu stellen.

Foto: Hoheit/ wikipedia.de (Hamas), Elias/ jugendfotos.de (Panzerwrack, Aufmacher)

* Name von der Redaktion geändert.