Tolerant. Weltoffen. Frei. Sympathisch. Humorvoll. – All diese Eigenschaften schreiben sich die studentischen Vereine und Projekte auf ihre Fahnen. Sie wedeln damit bei jeder Gelegenheit wild umher, damit auch ja jeder von ihrer Lebensphilosophie Kenntnis nimmt. Jedes Semester wird aufs Neue nach Erstis geschrieen, damit die Vereine auch zukünftig weiterexistieren können. Alles legitim so weit; das einzige Problem was ich damit habe: die Mitglieder dieser Initiativen zelebrieren ihr Dasein in der Regel fernab dieser Ideale. Sie predigen Wasser, und saufen Wein en masse.
Wovon ich hier spreche? Nun ja, von einer gewissen Pseudotoleranz der Meisten, die dazu führt, dass sich Vereinigungen eher abschotten als nach außen hin öffnen. Sie glucken aufeinander, feiern sich für ihre Ideen und lassen keine Kritik zu. Sie wissen scheinbar wie der Hase läuft – was gute Musik ist, wie man sich korrekt anzieht und wie man richtig demonstriert. So kommt es, dass viele Greifswalder_innen nach erstem, euphorischem Hereinschnuppern das Terrain fluchtartig verlassen. Wer will schon gerne der Ausgestoßene sein?
Es ist eben ein Unterschied, ob man sich nur als offen für Neues bezeichnet oder es auch tatsächlich ist. Neuankömmlinge passen den eingeschworenen Mitgliedern oftmals nicht ins Bild, da gilt man als Frau schnell als zu tussig oder als Mann als nicht alternativ genug. Man soll einfach nicht dazu gehören, und kennt ja auch noch kein Mitglied, das einen da reinschleusen kann. Da wird man ganz fix rausbugsiert, bevor es zu eigenen Ideen kommen kann. Diese Erkenntnis denke ich mir nicht aus, sie beruht auf Beobachtungen bei Freunden und eigenen Erfahrungen.
Da fragt man sich doch: Wie und wann haben die denn selbst mal mit dem Engagement angefangen? Waren sie im Gegensatz zu den Verschmähten ausreichend alternativ von Anfang an? – Kann ich mir nicht vorstellen, ist ja noch kein Alternativmeister vom Himmel gefallen. Im Übrigen sind sie ja auch gar nicht so individuell, wie sie meinen. Im Endeffekt ist das alles eine Suppe.
Doch möchte ich nicht die Aktionen dieser Einheitsbreiaktivsten missen, das will ich klar stellen. Ich freue mich sehr über Events wie das am Tag der Befreiung oder die Fête de la Musique – Greifswald will und braucht solche Ideen!
Aber, wenn man die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkennt, kann es passieren, dass diese Aktionen zukünftig aussterben werden. Wenn man nicht endlich mal wahrhaftig offen für jedermann und jederfrau ist, dann ist die Maus bald im Aus. Denn die Vorzeigeaktivsten werden Greifswald früher oder später verlassen, nehmen ihre Ideen mit und lassen den Verein hier. Nachhaltig ist diese Handlungsweise folgerichtig nämlich nicht, sie ist sogar ziemlich egoistisch.
Scheuklappen absetzen, Lächeln ins Gesicht und Chancen geben – mehr braucht es nicht. Meinetwegen können dann die Fahnen auch wieder kräftig gewedelt werden.
Fotos: Gabriel Kords (Porträt), Esther Müller via jugendfotos.de (Fahnen), Jakob Pallus (cc-by-na)
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Oliver Wunder.
Schöner und meiner Meinung nach berechtigter Kommentar. Die Katze beißt sich aber nur an dem Punkt in Schwanz, wo die „tussige Frau“ und der „nicht-alternative Mann“ nicht tolerant genug sind um über den „alternativen“ Habitus hinwegzuschauen um die Ideen zu verwirklichen, die ihnen wirklich am Herzen liegen. Klar, ist es nicht einfach, wenn da schon so ein alternative homogene Masse ist, aber ich glaube nicht dass diese eine/n in voller Absicht bewusst rausbugsiert. Die Frage woher das Unwohlsein kommt sollte dann in solchen Situationen gestellt werden und von allen Betroffenen mal reflektiert werden. Das sind liebe Menschen hinter den großen bunten Sonnenbrillen, die sich über jede/n Neue/n freuen. Und das „Alternative“ ist Gewöhnungssache.
da hast du dir aber 2 komische Beispiele ausgesucht.
Dieser Rundumschlag schreit ja gerade danach genauer unter die Lupe genommen zu werden. Deshalb würde ich es gerne genau wissen:
„Tolerant. Weltoffen. Frei. Sympathisch. Humorvoll. – All diese Eigenschaften schreiben sich die studentischen Vereine und Projekte auf ihre Fahnen.“ Wer sind die studentischen Vereine? Welche Belege gibt es, dass DIE studentischen Vereine sich jene Eigenschaften zuschreiben? Haben sie nicht vielmehr jeweils konkrete Ziele? Studentenclubs: Parties Theater: Theater spielen Greenpeace: Welt retten, …
„Sie predigen Wasser, und saufen Wein en masse.“ Beispiele! Undzwar für alle, wenn du schon alle studentischen Vereine in einen Topf schmeißt.
„Einheitsbreiaktivsten“ Wer gleicht hier wem? Die Capufaktur den Hedonisten oder der Mensaclub den Grypsnasen? Der Debattierclub dem Anti-Atom-Bündnis?
Im Allgemeinen gilt wohl, dass innerhalb einer Gruppe, die etwas auf die Beine stellt, die Leute auch irgendwie zueinander passen. Komme ich als neue Person dazu, schaue ich ob die Arbeitsweise der Gruppe, die Ziele und die Menschen auf meiner Wellenlänge liegen. Im Allgemeinen geben das schon die inhaltlichen Ausrichtungen einer Gruppe in groben Maße vor (Greenpeace: Welt retten, Capufaktur: Geld verdienen). Wie wichtig eine gemeinsame persönliche Basis ist, zeigen die diversen Austritte, Rücktritte und Zwistigkeiten innerhalb der Hochschulgruppen und der studentischen Selbstverwaltung. Ich selbst habe rund zwei Jahre gebraucht, um die Gruppen zu finden, zu denen ich passe.
Und im Zweifel gilt immer: Selber machen, besser machen.
gutes Thema und auf jeden Fall ein guter Aufhänger um dieses Thema mal ausführlicher zu durchleuchten.
Ich denke, dass da ganz viele Aspekte eine Rolle spielen und es demzufolge auch nicht darum gehen sollte, dass der "schwarze Peter" hin- und hergeschoben wird. Sondern viel mehr, sollte man sich intensiv Gedanken über Gruppen- bzw. Sozialpsychologie und die Wahrnehmung von Gruppen machen. Also darüber, wie Gruppen funktionieren und wie sie wirken.
Auffällig ist, dass scheinbar viele Vereine und Initiativen über Nachwuchsprobleme klagen bzw. unterbesetzt sind und dass es häufig wirklich nicht sonderlich gut gelingt neue Menschen zu integrieren. Dies ist häufig Resultat von negativer Gruppendynamik und leider finden Gruppen häufig zu wenig Zeit sich damit auseinanderzusetzen und dies ist sicher einer der Hauptgründe, welcher bei Gruppen schief läuft, naja und wenn es sich um eine Masse handelt, ist sowieso alles verloren.
Menschen, die in Gruppen schon länger zusammenarbeiten, teilen gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse und natürlich definieren sich Gruppen auch durch eine Abgrenzung nach aussen, sie bauen also quasi eine Mauer auf. Dies müssen sie aber, weil sonst das Identitätsstiftende (z.B. gemeinsame Werte) verloren geht. Dies äussert sich vor allem indem eine Gruppe nach aussen hin als homogen auftritt, obwohl sie sich aus eigenständigen Individuen zusammensetzt d.h. von Natur aus schon heterogen ist. Gerade bei Gruppen mit sehr "hohen" Zielen entsteht dadurch, der erste Eindruck man könne diesen Zielen nicht gerecht werden. Der zweite Eindruck ist realistischer, nur dass die Autorin ihn zur selbstgerechten (Ab)Wertung "mehr Schein als sein" nutzt und ihn nicht konstruktiv zu erklären versucht.
Natürlich gibt es in Gruppen auch immer wieder Verstößen gegen die selbstaufgestellten Regeln, dies ist Ergebnis unterschiedlicher Charaktere, Erfahrungsintensität und -dauer in der Vergangenheit, persönlicher Lebenssituation etc. also Ausdruck der erwähnten Heterogenität.
Man findet sich also in Gruppen zusammen um gemeinsame Ziele zu verwirklichen (dazu gehört sicherlich auch sich in der Gruppe wohlzufühlen) jedoch nicht um seine Individualität aufzugeben. Je größer die Ziele, die man erreichen will, desto komplexer wird es natürlich (verfolgt man gemeinsame Zwecke oder Ideale?)
Was die Normenverstöße angeht, so ist dies gerade der Punkt, der gerade Neulingen nachgesehen wird und letzlich zählt bei hohen Zielen immer "All of old. Nothing else ever. Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better." (Samuel Beckett). Ich glaube, dass bei diesem Punkt neue Leute häufig auch zu verkopft und egozentrisch sind bzw. sich viel zu viel Gedanken darüber machen, was andere denken könnten.
Meine Erfahrung ist, wenn man mit ein wenig Selbstbewusstsein, Geduld und dem Ansatz, sich ja nicht mit allen super verstehen zu wollen/müssen, herangeht. Desweiteren berücksichtigt, dass es immer zu Missverständnissen kommen kann und man diese auch nicht immer sofort ausräumen kann. Man am Anfang viel beobachtet, gerade um die Gruppenstruktur und Rollen von Gruppenmitgliedern zu checken und auch fundiert kritisieren zu können. Wenn man neue Ideen einbringt, auch auf deren Ablehnung gefasst ist, quasi nicht gleich mit dem Kopf durch die Wand will, wenn sie einem wichtig sind aber trotzdem verfolgt, dann kann viel schönes daraus entstehen.
Gerade in Gruppen geht es sehr viel um Toleranz und Vertrauen. Und das ist eigentlich das schöne daran und wieso es sich lohnt Anstrengungen zu investieren um dann Freiheiten zu erhalten und Ziele zu erreichen, die einem sonst verwehrt geblieben wären.
Gerade was Gruppen angeht, sollten sich viele Menschen von der Illusion befreien, es gäbe ein Leben ohne Anstrengung und Leid. Arbeit in Gruppen ist immer anstrengend, da es verdammt viel Zeit und Kraft (z.B. in der Kommunikation) verlangt um gemeinsam was auf die Beine zu stellen und da die Rezipient_innen häufig aber nur das tolle Ergebnis einer Gruppenarbeit sehen, wird dieses häufig nicht genug gewürdigt, wenn nicht sogar abgewertet und so etwas schweisst eine Gruppe erst recht zusammen (Gruppendynamik), wenn die Profiteure der Arbeit diese nicht zu würdigen wissen. Bei einem Theaterstück ist es noch recht einfach zu verstehen, was dort für Arbeit drin steckt, bei einer Party oder gar einem Kulturprojekt ist dies schon wesentlich schwieriger.
Roman Ende und ich freue mich auf Antworten und will diesen Punkt gerne weiterdiskutieren.
Gut! Das war meine Intention: einfach mal offen drüber reden, was wohl schief läuft oder auch nicht.
Ich denke die Rolle des schwarzen Peters ist bei dieser Frage fehl am Platze. Wer hat Schuld daran, dass XY sich unwohl in der Gruppe fühlt? Die Gruppe, die sich zusammenrauft und gemeinsam auf den Einzelnen starrt? Oder doch XY, welche_r mit seinem eigenen Unwohlsein gegenüber der Gruppe kämpft? Schwierig! Ich glaube das bedingt sich beides, denn die Gruppe vermittelt XY scheinbar nicht, dass er/sie willkommen ist und fängt seine Unsicherheit auf, nein, sie verstärkt diese sogar noch. Dies führt dann zum Gruppenexit.
Zunehmend hab ich außerdem den Eindruck, dass das Mutprobendenken bei den meisten Gruppen immer noch vorherrschend ist, so veraltet und unsinnig es im Grunde auch ist. Einzelpersonen müssen sich der Gruppe beweisen, sei es indem sie ganz super coole Freunde haben, besonders krasse Aktionen gestartet haben, Verfechter einer voll konsequenten Politik sind oderoderoder..
Ich finde das schade.
Ich glaube im Übrigen, dass durch dieses Verfahren viele tolle Menschen ausgesiebt werden, die vielleicht nicht so eine Hau-Drauf-Mentalität haben und erst auf den zehnten Blick ihre Ideen präsentieren können. Es ist eben nicht jeder Mensch so extrovertiert und selbstsicher, dass er sich bis zur dritten Sitzung in der Runde behaupten kann. Muss auch nicht sein, wird aber erwartet. Leider.
Ich kann ja natürlich auch immer nur aus meinen subjektiven Erfahrungen mit "nicht-hierarchischen" Gruppen sprechen, aber da ist die "Mutprobe" letztlich: einfach mal auf das Plenum gehen. Dabei muss ich allerdings zugeben, dass ich da mit 14 auch mal dran gescheitert bin, um dann 2 Jahre später von Freunden in die gleiche Gruppe gebracht zu werden. (war wohl Bestimmung =;o)
Von der Greifswalder Sektion der hedonistischen Internationalen, weiss ich z.B. dass die seit bestimmt 6 Monaten Flyer auslegen, auf denen sie ihr Konzept erklären und auch ne e-mail-adresse vermerkt ist, wo man sich melden kann, wenn man mitmachen will und mir wurde vor kurzem erzählt, da hätte sich noch nicht eine Person gemeldet. Da kann natürlich auch der Eindruck entstehen, dass es vielleicht nicht in ist sich zu engagieren bzw. die Menschen mit ihrem Studium beschäftigt sind. Denn eigentlich halte ich den Ansatz der Hedonist_innen für recht niedrigschwellig und die meisten Leute, die ich von denen kenne, haben vorher noch nie in einer Gruppe gearbeitet, die sich als politisch versteht.
Hast du Erfahrungen gemacht, die deinen EIndruck (coole Freunde, krasse Aktionen, Konsequenz) bestätigt haben?
Was du in deinem letzten Absatz beschreibst, sollte m.M. gerade in Gruppen mit emanzipatorischem Ansatz nicht vorkommen, da dort der Ansatz von nicht-hierarchischer Vielfalt und nicht von Konkurrenz und Verdrängung bestimmend sein sollte.
Den Eindruck, dass viele tolle Menschen sich nicht engagieren, weil sie nicht involviert werden bzw. sich abgeschreckt, ausgesiebt im Sinne von abgewertet fühlen, kann ich auf jeden Fall teilen bzw. ich hoffe, dass es noch mehr Menschen gibt, die sich mit ehrenamtlicher Arbeit zu einem gewissen Teil auch selbstverwirklichen wollen.
btw: als ich die ersten 2Monate beim IKuWo-Plenum war, hab ich glaube ich erstmal fast nix gesagt, nicht mal aus Schüchternheit (okay, ich wollte auch nix dummes sagen, was aber auch quatsch ist, weil wenn man irgendwas nicht weiss, ist man ja nicht gleich dumm) sondern, weil ich aufgrund vorheriger Erfahrungen soziale Zusammenhänge gerne analysiere um effektiver arbeiten zu können, indem man z.B. auf Eigenheiten Rücksicht nimmt. Wenn man das erste mal zu einer Gruppe kommt, sollte man (auch wenn es für einen selbst besonders ist) aber auch nicht erwarten, dass der rote Teppich ausgerollt und ein Fass aufgemacht wird, aber ien herzliches willkommen sollte natürlich trotzdem drin sein.
Ach ja, und wer im IKuWo mitmachen will, ist natürlich immer herzlich zum Plenum am Dienstag 19Uhr eingeladen, welches auch in der Sommerpause stattfindet, denn es gibt ja immer was zu tun bzw. Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen.
bizarro. gut das ich dinge die sich explizit studentisch schimpfen eh verdächtig finde 😉
absolut! merci, dass das auch mal gesagt wurde.
Für die bei Twitter angekündigte Bombe ist es in der Kommentarspalte erschreckend ruhig …
Von einer Bombe war nie die Rede. 😉
"Die morgige Kolumne könnte eventuell Wellen schlagen" klang für mich nach Wasserbombe 😉