Neulich auf facebook: Mal wieder ein neues Party-Fotoalbum, in dem mehrere meiner „Freunde“ verlinkt waren. Mehrmals auf meiner Startseite erschienen die Fotos, das Album und die unzähligen „Gefällt mir“. Na gut, bei so einer Penetranz klickte ich drauf. Und sah das Übliche: Lächeln hier, Gepose da. Dann wurde geliked, kommentiert, verlinkt. Für mich wirkte das ein bisschen so, als wolle man mir sagen: „Tja, du hast echt was verpasst. Wir sind supigute Freunde, hatten einen tollen Abend und du warst nicht dabei. Ätsch!“
Dieses Foto-Gepose nervt mich: Nicht nur das Onlinestellen an sich, sondern auch dieses unnatürliche Verhalten vor der Kamera. Auch vor ein paar Tagen bei einer anderen Party war eine Truppe feierwütiger Mädels. Sie tanzten ausgelassen. Die eine kramte in ihrer Tasche, holte eine kleine Digitalkamera heraus und schrie: „Fotooooo!“ Die anderen vier verstanden. Alle drehten ihr Gesicht, setzten so ein Zähnelächeln auf, worum sie manch Zahnpasta-Werbespot beneiden würde oder machten ein Duckface. Vielleicht wollen die zu Germany´s Next Topmodel, dachte ich bei mir. Dann ein heller Blitz im dunklen Raum. Die Fotoaktion störte anscheinend nicht nur mich, nahmen die fünf doch so viel Raum ein, dass andere beim tanzen gestört wurden. Warum werden aber solche Abende mit vielen Leuten geteilt, die man gar nicht oder nur wenig kennt? Das dient doch nur der Selbstprofilierung, um den anderen „da draußen“ zu zeigen: Ich bin cool drauf, mache Party, sehe sexy aus und habe viele Freunde!
Bin ich selbst aber besser? Ich durchblättere zunächst meine digitalen Fotoalben. Mein einziges reines Partyalbum war das von Marys Abschiedsparty im vergangenen Jahr. Okay, wir posen auch. Aber nicht nur. Oft habe ich versucht, meine Freunde so unauffällig wie möglich in normalen Situationen zu fotografieren. Als Flo eine lustige Anekdote erzählte und Mary darüber so herzhaft lachen musste. Oder als Markus ganz gespannt irgendeiner Geschichte lauscht. So möchte ich meine Freunde in Erinnerung behalten, in lockerer und natürlicher Atmosphäre – und nicht mit verkrampftem Lächeln und merkwürdigen Verrenkungen.
Apropos Verrenkungen: Seit vergangenem Sommer mache ich mir einen Spaß aus gestellten Fotos und übertreibe sie. Die Idee dazu kam mir während der Reise mit Markus nach Stettin. Wir couchsurften bei „Z“, dessen eigentlicher Name für uns wegen den massenhaft aufeinanderfolgenden Konsonanten unaussprechlich war. Gemeinsam mit Z, Tiffany aus China und zwei anderen Couchsurfern hatten wir einen wunderbaren Abend. Bei Bier und Bratkartoffeln betrachteten wir später die Fotos von Z´s Urlaub in Japan. Markus und mir fiel auf, dass auf jedem Bild eine japanische Frau dieses Peace-Zeichen machte. „Warum?“, fragten wir Tiffany. Sie antwortete ganz selbstverständlich: „Weil das süß aussieht! Kawai!“ Wir wollten auch süß aussehen und machten ab sofort auf jedem Bild „Kawai“, wie wir es dann nannten: Zwei Finger gespreizt und dann ein übertriebenes Lächeln aufgesetzt. Damit haben wir unsere Freunde in den vergangenen Monaten zwar sehr genervt, aber für mich war es eine gute Übertreibung dieses Foto-Geposes und gleichzeitig mein Ventil.
Vergangenes Wochenende hatten wir auch einen Mädelsabend, einen der letzten gemeinsamen dieser Art. Wir wollen die Zeit, die uns noch bleibt, genießen. Eine Kamera war auch dabei und jede schoss ein paar Fotos: Ganz natürliche Bilder, aber auch gestellte. Die Ergebnisse werden aber nicht auf facebook gestellt, die sind nur für uns gedacht. Ätsch!
Fotos: Gabriel Kords (Porträt), Julia L. via jugendfotos.de (Ente), Jakob Pallus (Grafik)
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Überraschung!!!
Endlich hat mal jemand das Wort ergriffen! Die Welt braucht keine Duckfaces. Blitzlicht hier, Schnute und große Kulleraugen da. Das nervt. Sehr schön geschriebener Beitrag und eine Erleichterung, dass man nicht der/die einzige ist, dem diese entliche (!) Popularität auffällt.
entlich *tschihi*
sehr schön. ich hasse es auch…duckfaces.
wer dir böses wollte, könnte auf deinem kolumnisten-foto allerdings auch eine art schnute erkennen. aber natürlich nur, wenn man dir böses wollte.
Wenn ich mit meinen Freundinnen unterwegs bin, machen wir auch solche Fotos. Nächsten Tag sind die dann alle bei Facebook und ich verlinkt. Eine schöne Erinnerung an einen schönen Abend. Ab und zu sind auch irgendwelche Deppen im Hintergrund drauf, die sich auf unsere schönen Fotos geschlichen haben. Ich finde, das ist ein viel größeres Problem und verdient die Aufmerksamkeit einer Kolumne. Vielleicht in der nächsten?
photobomb rockt!