Ein Gastbeitrag von Christine Quasdorf
Am vergangenen Dienstag jährte sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal. Diesen Jahrestag, aber auch die Atomkatastrophe in Japan und die anhaltende Debatte um die Castor-Transporte nach Lubmin nahmen die Evangelischen Kirchengemeinden zum Anlass, um das Pro und Contra der Atomkraft zu diskutieren.
Gut 200 interessierte Greifswalder Bürger und Bürgerinnen ließen nicht auf sich warten und fanden den Weg in den Dom St. Nikolai, um sich rege an der Diskussion über die umstrittene Technologie zu beteiligen. Unter der Moderation von Nikolaus Möbius stellten sich die neun geladenen Podiumsteilnehmer aus Greifswald und Umgebung, den Fragen der interessierten, aber auch besorgten Bürger. Zu den Experten gehörten unter anderem Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche, Anti-Atom-Mitglied Ulrike Berger, die beiden Bürgerrechtler Dr. Rosmarie Poldrack und Dr. Sebastian Pflugbeil und Dr. Henning Klostermann, Mitglied im Kernenergie-Beirat des Landes MV.
Früh zeichnete sich ab, dass es, laut Dr. Sebastian Pflugbeil „Keinen offensiven Befürworter für die Atomkraft in der Runde gibt“, so verschob sich die Frage vom Pro und Contra der Atomkraft hin zu dem Thema der nachhaltigen Energie. Was, wenn nicht Atomkraft, können wir zukünftig zur Energiegewinnung und Speicherung verwenden? Wie werden sich erneuerbare Energien auf die Stromkosten auswirken und kann der hochgefährliche Abfall sicher gelagert werden, gerade auch mit Blick auf Lubmin als Zwischenlager? Viele Fragen wurden zwischen den Teilnehmern kontrovers diskutiert. Vor allem die Aussagen des neuen Geschäftsführers der Energiewerke Nord, Henry Cordes, der sich deutlich für das Zwischenlager Lubmin einsetzt und einen schnellen Atomausstieg auch für nötig, aber nicht für möglich hält und die, durch den Vertreter der Greifswalder Stadtwerke, vorhergesagte Stromkostenerhöhung durch einen Atomausstieg, entfachte die Diskussion immer wieder heftig. „Eine Energieversorgung ohne Atomkraft ist möglich“, machte indes die Diskutantin Dr. Rosmarie Poldrack deutlich. Sie forderte eine sofortige Abschaltung sämtlicher Kernkraftwerke. Außerdem will sie keine Transporte mehr nach Lubmin zulassen, sondern nur noch einen von Lubmin in ein Endlager. Das sehr breit gemischte Publikum bezeugte seine Zustimmung durch spontanen Applaus oder mit kurzen Kommentaren zu den Sitznachbarn.
Nach gut anderthalb Stunden deutete sich das Ende der offenen Podiumsdiskussion an. Moderator Möbius bedankte sich noch einmal für die rege und aktive Teilnahme und lud alle Interessierten noch zu kleinen, persönlichen Gesprächen mit den Podiumsteilnehmern ein, sofern noch Fragen offen geblieben waren. Sicher ist das Greifswald auch an diesem Abend mit der engagierten Diskussion wieder ein deutliches Zeichen gegen die Atomkraft gesetzt hat. Es geht nicht mehr um das Für- und Wider der Atomkraft, sondern um eine Zukunft ohne Kernenergie: Um die Bereitstellung von erneuerbaren Energien, um eine zufriedenstellende Lösung im Bereich der sicheren Lagerung von Atommüll, sowie um die Abwendung von Risiken für künftige Generationen. Auch wenn die Veranstaltung nicht alle Fragen restlos klären konnte, reiht sie sich doch, nach Demonstrationen und Mahnwachen, gut in das derzeitige Stadtbild von Greifswald ein.
Fotos: Simon Voigt (Dom), David Vössing (Pflugbeil)
Inwiefern sind ein ein Bischof und zwei Bürgerrechtler (auch wenn Herr Pflugbeil vor 40 Jahren mal Physik studiert hat) Experten für Kernenergie?
Was ist ein „Anti-Atom-Mitglied“?
Ein selten schlechter Artikel, was wohl auch an der Veranstaltung gelegen haben kann. Allein wenn man schon "Atomkraft" liest, hört man die Unwissenheit heraus. Wir haben eines der zukunftsträchigsten Projekte, den Wendelstein 7-X, vor der Haustür, daher sollten gerade wir Greifswalder doch eine ganz andere Sensibilität zu dem Thema haben.
Zu dem Kommentar über mir ist nicht viel zu sagen. Expertenrunde ohne Experten wird nur zum Meinungsaustausch.
Der Wendelstein 7-X wird wahrscheinlich gestrichen, aufgrund der momentanen Stimmung.
Dabei brauchen wir solche Projekte. Jeder weiß, dass man nicht den ganzen Strom mit Windrädern und Solaranlagen produzieren kann und von Biosprit gar nicht erst zu reden (meiner Meinung nach der größte Bockmist, so wie sie ihn momentan herstellen).
1. chris63: "jeder weiß"? Nö. Gibt schließlich auch Speichermethoden…
2. Wendelstein 7-X ist technologisch was anderes. Um nicht zu sagen, was ganz anderes. (das sage ich wertungsfrei.)
Stimmt natürlich, dass das eine recht sonderbar expertenfreie Expertenrunde war…
Das Problem ist diese erneuerbaren Energien sind unzuverlässig. Im Sommer müssen die Photovoltik-Anlagen abgeschaltet werden, weil sie sonst überhitzen und die Windräder müssen bei zu starken Wind auch abgeschaltet werden auch wegen Überhitzung.
Die EU will das in jedem Kraftstoff mindestens 10% Bioethanol enthalten ist, um das zu gewährleisten bräuchte eine Anbaufläche von 60.000 km² (fars dreifache Größe von MV). Also um auf diese Fläche zu kommen gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Wälder abholzen, und
2. Umstellen von Nahrungsmittelproduktion auf Bioethanol, was zu einer Verteuerung der
Lebensmittelpreise führen wird.
Die Speichermethoden sind vor allem Pumpspeicherwerke, dafür brauchen wir schöne große Staudämme und Stauseen. Außerdem Strom wie in einem kleinem Akku zu speichern geht im Großformat nicht.
Ich weiß was der Wnedelstein /-X ist, aber es wurden trotzdem aufgrund der momentanen Stimmung die Gelder etwas gekürzt. Und wie es so oft ist folgt nach der ersten Kürzung die nächste usw bis es gestrichen wird.
BK’IN DR. MERKEL (in Bezug auf mögliche Kürzungen in einer PK am 15. April): Wir haben heute überhaupt nichts gekürzt. Wir haben nichts Schlimmes vereinbart. Alles kann in Ruhe weiter forschen. Es gibt höchstens noch jemanden, der vielleicht durch neue Forschungsprogramme Möglichkeiten bekommt. Keinem ist heute etwas weggenommen worden.
Gut, dass du weisst, was jeder weiss, aber weisst du auch, dass Atomkraftwerke jetzt nicht unbedingt zuverlässiger sind?
AKWs müssen im Sommer mitunter auch runtergefahren werden, weil das Kühlwasser aus den Gewässern, an denen sie stehen, selbst zu warm wird, um noch effizient kühlen zu können.
Von den geradezu alltäglichen Defekten, die übrigens auch gern gleichzeitig in verschiedenen Kraftwerken auftreten, will ich lieber erst gar nicht sprechen.
Das Problem ist dann doch ein bisschen komplexer, als dass du es hier mit ein paar vermeintlich umwerfenden argumenten umreißen könntest.
Zu der substanzlosen Wendelstein-Panikmache, die die OZ ja kürzlich auch befeuert hat, hat b_strahlemann ja gerade schon was geschrieben.
Ich weiß. Ich bin auch gegen Atomkraftwerke. Mich kotzt bloß an, dass Leute denken mit Windrädern und Photovoltikanlagen sind alle Energieprobleme gelöst.
Momentan finde ich keine der aktuellen Methoden als dauerhaft und effizient an.