Der juristische Streit um den geplanten Aufmarsch der NPD hat nun ein Ende. Wie das Oberverwaltungsgericht Greifswald  Freitag Vormittag mitteilte, wurde das von der Stadt Greifswald verhängte und dem Verwaltungsgericht Greifswald bestätigte Verbot aufgehoben. „Anders als das Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht eine Strafbarkeit des Mottos ‚Unsere Heimat – Unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen!‘ nicht zu erkennen vermocht“, so das Urteil der Justiz.

NPD darf unter Auflagen demonstrieren

Begründet wird der Richterspruch damit, dass das Demonstrationsmotto zwar in weiten Teilen der Bevölkerung mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werde. Andererseits werde die Äußerung hier offensichtlich in einen anderen Zusammenhang, nämlich den der Arbeitnehmerfreizügigkeit, gestellt. Auch der Begriff „Fremdarbeiterinvasion“, beziehungsweise „Fremdarbeiter“, lasse nicht zwangsläufig den Tatbestand der Volksverhetzung erkennen. Weiterhin heißt es in der Begründung: „Auch wenn in dem Wort„Fremdarbeiterinvasion“ eine ausländerfeindliche Grundstimmung deutlich werde, sei eine solche Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, die grundsätzlich auch rechtsextreme Äußerungen schütze.“

Zudem habe das Oberverwaltungsgericht der NPD zahlreiche Auflagen erteilt. Wie die Auflagen aussehen werden, ist derzeit noch nicht bekannt.Oberbürgermeister Dr. Arthur König bedauert diese Entscheidung, müsse sie jedoch akzeptieren. Er rufe aus diesem Grund alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, am 1. Mai für Demokratie und Toleranz zu demonstrieren. Wie die Polizei auf einer Presseveranstaltung in Anklam mitteilte, werden rund 1.000 Polizeikräfte im Einsatz sein. Bereits in den vergangenen Tagen wurde das Personal, das Nachts in Greifswald im Einsatz ist, von zehn auf 35 erhöht. Grund sind die Ereignisse der vergangenen Tage, wie beispielsweise der Brandanschlag auf ein Auto eines Bewohners des IKuWo und ein weiterer Brandanschlag auf eine Scheune im alternativen Wohnwagendorf Alt-Ungnade. Zudem werden auch Wasserwerfer in Greifswald abgestellt, allerdings nicht, wie im vergangenen Jahr in Rostock, Streife fahren.

Polizei geht von friedlichen Demonstrationen und Blockaden aus

Bislang wird von Seiten der Polizei nicht davon ausgegangen, dass weder von den Sitzblockaden, noch von der Demonstration oder den Mahnwachen Gewalt ausgehe. „Die Anmelder der Versammlungen kommen alle aus dem bürgerlichen Spektrum“, erklärte Einsatzleiter Olaf Kühl auf der Presseveranstaltung. Mit den Blockierenden wolle man „besonnen“ umgehen und zusammen mit den Konfliktmanagern nach Lösungen suchen. Allerdings wurde auch deutlich gemacht: „Wo es konsequentes Handeln gibt, ist, wenn Steine fliegen, Flaschen und pyrotechnische Erzeugnisse zum Einsatz kommen.“ Dann werde die Polizei ohne Vorwarnung einschreiten. Für Autonome seien sowohl Sitzblockaden, als auch eine Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch kein geeignetes Mittel des Widerstandes gegen Neonazis. Dennoch erwartet die Polizei die Ankunft von Linksautonomen aus dem Raum Hamburg. Zudem gäbe es klare Anzeichen, dafür, dass sich Gewaltbereite im Umfeld der Neonazidemo aufhalten werden, um sie zu stören. Das Gefahrenpotential wird, so die Polizei, dementsprechend hoch eingeschätzt. Schließlich seien die Entwicklungen in den vergangenen Tagen keine guten Vorboten.

Flächendeckende Straßensperrungen werde es nicht geben, allerdings könne es punktuell zu Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit der Bewohner der jeweiligen Stadtteile kommen. Zudem gäbe es bestimmte neuralgische Punkte, an denen mit einem erhöhten Polizeiaufkommen zu rechnen ist. Genauere Angaben, um welche Punkte es sich dabei handele, wollte die Polizei nicht machen, weil dies Teil der Polizeitaktik sei, die nicht an die Öffentlichkeit dringen soll.
Abschließend erklärte die Polizei in Anklam, dass nicht „nach der persönlichen Meinung“ gefragt werde, wenn es um die Durchsetzung der Versammlungsfreiheit gehe. „Wir können den Wunsch der Greifswalder nach einem Verbot der Demonstration verstehen. Solange allerdings rechtsstaatliche Organe sagen, dass eine Demokratie das aushalten muss, sind wir daran gebunden.“

Urteil des Oberverwaltungsgerichtes ist fahrlässig

Kommentar
Dass das von der Stadt verhängte und vom Verwaltungsgericht bestätigte Verbot des NPD-Aufmarsches keinen Bestand haben würde, war abzusehen. Auch an der Begründung des Urteils kann leider nicht viel kritisiert werden. Ausländerfeindlichkeit ist per Verfassung nicht explizit verboten, folglich werden derartige Äußerungen auch durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, dass zwar Auflagen angekündigt, jedoch bislang nicht offiziell erteilt wurden und die Neonazis folglich bislang noch am Flüchtlingsheim vorbei ziehen dürfen. Angesichts der Tatsache, dass 1992 bereits ein Flüchtlingsheim in Rostock brannte, ist es fahrlässig, über 500 Neonazis fast 20 Jahre später an einem solchen Heim, nur eben in Greifswald, vorbei ziehen zu lassen. Insbesondere die Brandanschläge auf das IkuWo und die Scheune in Alt-Ungnade haben gezeigt, dass mit der hiesigen Neonaziszene nicht zu spaßen ist. Inwiefern das Oberverwaltungsgericht die nicht von der Hand zu Weisende Gefahr eines Pogroms gegen ausländische Flüchtlinge in ihre Urteilsverkündung einbezogen hat, darf ernsthaft bezweifelt werden. mw
Fotos: Torsten Heil/ webMoritz Archiv