„Was weißt du eigentlich über Studierendenverbindungen?“, fragten die Kommilitoninnen Tina, Janette, Katja und Marie nicht nur die Zuhörer ihrer gleichnamigen Präsentation, sondern zuvor auch sich selbst. Die Fragestellung war Kern ihres Seminars „Performative Recherche“ im Studiengang Kommunikationswissenschaft. In dem mit vier Teilnehmerinnen paradiesisch kleinen Seminar widmeten sich die Studentinnen der selbst gestellten Frage durch intensive Recherche in alle möglichen Richtungen. Am Donnerstagabend stellten sie ihre Ergebnisse vor – im bis auf den letzten Platz gefüllten Hörsaal in der Alten Augenklinik.

Viele Fakten, aber methodisch kreativ

Die vier Studentinnen versuchten, zwischen den Greifswalder Verbindungen anhand von Schlagwörtern zu differenzieren.

Die vier Studentinnen versuchten, zwischen den Greifswalder Verbindungen anhand von Schlagwörtern zu differenzieren.

Ihre Dozentin Hedwig Golpon erklärt die angewandte Technik: „Performative Recherche bedeutet, mit künstlerischen Mitteln auf Untersuchung zu gehen.“ So kann bei der Recherche zur Fragestellung mit sehr viel freier gewählten Methoden gearbeitet werden als in der klassischen wissenschaftlichen Forschung und auch bei der Darstellung der Ergebnisse werden künstlerische und dramaturgische Möglichkeiten berücksichtigt. Die Forscherinnen wurden im Wortsinne zu Darstellerinnen: Durch einen Teil des Vortrags wurden die Zuschauer etwa von der als Student des 19. Jahrhunderts verkleideten Tina Winterstein geführt, immer wieder wurde die Präsentation dialogisch zwischen den vier Kommilitoninnen gehalten.

Dennoch ging es der Seminargruppe im Kern um ihr Thema, dem sie sich zunächst mit einer Straßenumfrage unter Greifswalder Passanten näherten und aufzeigten, welche Vorurteile es gegen Verbindungen gibt. Die dabei aufgefangenen Statements reichten von „nationalistisch“ über „unsympathisch“ bis hin zu „Studentenverbindung? Das ist heute doch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), oder?!“. Nach diesem Einstieg blieben die Studentinnen dann aber betont sachlich und informativ. Sie arbeiteten nacheinander die grundsätzliche Geschichte der Studentenverbindungen, ihre Traditionen, ihre Differenzierung und anschließend ihre lokale Ausprägung ab. Dabei gelang es ihnen, das hochkomplexe und nicht besonders leicht durchdringbare Thema verständlich und weitestgehend verzerrungsfrei aufzuarbeiten. Weil dabei durchgängig auf jede direkte Wertung verzichtet wurde, wäre der Vortrag wahrscheinlich schnell langweilig geworden, wenn die Gruppe nicht immer wieder selbst entwickelte kreative Darbietungsformen eingesetzt hätte.

Kritik kam nur am Rande vor

Plakat

Plakat

Kritik am Verbindungsstudententum spielte indes kaum eine Rolle. Während Mitglieder von Verbindungen indirekt selbst zu Wort kamen, wurde beinahe vollständig darauf verzichtet, Äußerungen von Kritikern mit einzubauen. Nicht nur die regelmäßigen Leserkommentar-Debatten auf dem webMoritz zeigen, dass es solche Kritiker und ihre Kritik zur Genüge gibt. Auch die zahlreich kursierenden Präjudizien wurden zwar benannt und als solche bezeichnet, ihre durchaus interessante und differenzierbare Genese spielte aber keine Rolle. So blieb bis zum Schluss ein wenig unklar, ob den Kommilitoninnen eigentlich bewusst war, auf welches Pulverfass sie sich mit ihrem Thema gesetzt hatten. Die Tätlichkeiten zwischen Verbindungen und Verbindungsgegnern in Greifswald in den letzten Jahren wurden allerdings in Form einer Chronologie aufgezählt.

Letztlich blieb es jedem Zuhörer selbst überlassen, sich ein eigenes Bild über das Thema zu machen. Wie viele der Besucher bereits vor dem Abend eine gefestigten Meinung zum Thema hatten, lässt sich nicht abschätzen – aber es dürften einige gewesen sein. Dennoch gab es lang anhaltenden Applaus für die Darstellung der Kommilitoninnen und im Anschluss zahlreiche lobende Worte. Markomanne und Stupist Christoph Böhm (Junge Union) lobte die sachlich weitestgehend richtige Darstellung durch die Studentinnen und ihre „fundierte Recherche“. Ein anderer korporierter Student sagte, der Vortrag sei „erfreulich ideologiefrei“ gewesen. Das Fazit von Marie Nickel über die Arbeit der Seminargruppe klingt derweil so: „Wir haben eine Menge über das Thema gelernt, das uns vorher völlig unbekannt war. Und wir wissen jetzt vor allem, dass man zwischen den vielen Verbindungen in vielerlei Hinsicht differenzieren muss.“

Bilder: Gabriel Kords (Foto), Seminargruppe (Plakatmotiv)

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