Vor etwa 90 Gästen im Konferenzsaal des Unihauptgebäudes warnte Professor Jan Körnert vor der ausufernden Staatsverschuldung, die die Politik mit der Bankenrettung rechtfertigen wolle. Sein Vortrag zur Finanzmarktkrise, die 2007 begann, steht in der Reihe „Universität im Rathaus“. Körnert, der an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät tätig ist, ging auf die Notwendigkeit von Banken und die Bankenrettung ein.

Professor Jan Körnert warnte vor einer zunehmenden Staatsverschuldung

Zu Beginn seines Vortrages erklärte der gelernte Bankkaufmann den Sinn von Banken: „Kapitalgeber wollen kleine Beträge für kurze Zeit ohne Risiken anlegen, Kapitalnehmer hingegen wollen große Beträge, lange Fristen und gehen Risiken ein. Hier übernehmen die Banken eine Zwischenfunktion. Sie bringen die unterschiedlichen Wünsche unter einen Hut. Dies können nur Banken sicherstellen“, sagte Körnert und schränkte aber gleich ein: „Wir brauchen nur das Gesamtsystem der Banken, einzelne Banken sind entbehrlich.“ Bevor einer Bank aber das Aus droht, haftet sie mit ihrem Eigenkapital, was sich aus dem Vermögen abzüglich Schulden ergibt. „Kreditausfälle sind nicht schlimm, solange das Eigenkapital zur Haftung ausreicht. Problematisch wird es erst, wenn dies nicht mehr ausreicht. Dann droht Insolvenz wegen Überschuldung.“ Oder anders gesagt: „Die Bank bricht zusammen.“

Wann droht ein Dominoeffekt?

Bleiben die Kreditausfälle denn auf eine Bank beschränkt oder kommt es zu einem Dominoeffekt? Denn Ausfälle einer Bank führten zu Ausfällen bei anderen Banken. Hinzu können zusätzliche Effekte kommen: „Es treffen sich in der Wolgaster Straße zwei Personen und sprechen miteinander. ‚Wohin gehst du?‘, fragt einer den anderen. Der antwortet: ‚Ich gehe in die Stadt und hebe mein Geld von Bank XY ab.‘ ‚Dann prüfe ich das bei meiner Bank AB auch einmal‘, erwidert der erste“, illustrierte Körnert einen Dominoeffekt, wenn eine Bank von Ausfällen betroffen ist. Es spricht sich die Krise herum, sodass Banken betroffen sind, die ursprünglich gar nichts mit den Ausfällen zu tun hatten. Folgeinsolvenzen bei anderen Banken sind möglich.

Das Verhalten der Banken kritisiert Körnert als katastrophal.

Wenn nun doch ein Bankenzusammenbruch droht, kann der Staat durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz für eine staatliche Bankenrettung sorgen: Körnert kritisierte aber das Gesetz, das in der Rekordgeschwindigkeit von nur einer Woche im Herbst 2008 in Kraft gesetzt wurde: „Es hat immense Fehler. So führt die Aufwertung von Fortführungsprozessen in der Insolvenzordnung zu einer Abwertung der vertrauensbildenden Rolle des Eigenkapitals.“ Von Fortführungsprozessen in der Insolvenzordnung spricht man, wenn zahlungsunfähige Unternehmen auf eine Fortführung hoffen können. In Banken wurde dies teilweise auch als Vollkaskoschutz vor jedem Risiko verstanden.

„Es kam zu Kreditklemmen, die zu Arbeitslosigkeit führen“, führte Körnert fort. Erhalten Unternehmen keine Kredite mehr von den Banken (Kreditklemme), können sie keine Investitionen mehr tätigen und Arbeitsplätze gehen verloren. Um gerade eine Kreditklemme und Arbeitsplatzverluste zu vermeiden, mache „die Bankenaufsicht eine Gratwanderung: Eine einzelne Bank soll ausfallen dürfen, allerdings darf die Stabilität des Gesamtsystems durch Dominoeffekte nicht gefährdet werden.“ Problematisch sei nur, dass „jede Bank zum System gehört.“ Weiterhin kritisierte Körnert die Too-big-to-fail-Problematik: „Einzelne Banken sind zu groß, um sie ausfallen zu lassen.“ Mit Blick auf Länder wie die Schweiz, Island oder Irland, wo das Vermögen der Banken ein Vielfaches über der jährlichen Wirtschaftsleistung liegt, warnte Körnert vor einer „großen Gefahr: Diese kleinen Länder sind größenwahnsinnig mit ihren großen Banken.“ Als Gegenmaßnahme forderte Körnert, der schon bei Banken von Frankfurt bis New York beschäftigt war: „Wenn Banken zu groß sind, müssen wir sie kleiner machen.“

Körnert: „Staatsverschuldung ist Politik- und Parteienversagen.“

Etwa 90 interessierte Zuhörer waren zum Vortrag zur Finanzmarktkrise gekommen.

Verbunden mit der staatliche Bankenrettung ist auch eine Verschuldung der öffentlichen Haushalte. „Die öffentlichen Finanzen werden aber nur zahlungswirksam belastet durch Eigenkapitalkredite, aber nicht durch Garantien oder Bürgschaften“, schränkte der Diplom-Kaufmann Körnert ein und warf der Politik vor: „Die höhere Verschuldung will die Politik durch die Bankenrettung rechtfertigen. Die Verschuldung ist aber ein politisches Problem und kein Bankenproblem.“ Körnert sieht den Generationenfrieden durch die Verschuldung gefährdet und kritisierte in diesem Zusammenhang auch das Aufweichen des Maastricht-Vertrages. Dieser Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht eine Begrenzung der öffentlichen Verschuldung in der EU vor. „Die Staatsverschuldung in Europa steigt durch skrupellose Tabubrüche beim Maastricht-Vertrag.“ So dürfe der Haftungsgrundsatz, wonach jedes Land für seine eigenen Schulden verantwortlich ist, „nicht außer Kraft gesetzt werden“.

In seinem Fazit machte Körnert deutlich, dass das  Bankensystem gesamtwirtschaftlich unerlässliche Funktionen erfülle, was im Ausnahmefall staatliche Hilfe erzwinge. Jedoch werde durch schlechte Konzeptionen an Gesetzen Arbeitsplätze gefährdet. „Die Staatsverschuldung sei politisch gewollt, aber sachlich problematisch“, warf er Politik und Parteien Versagen vor. In der anschließenden Diskussionsrunde stellte Körnert aber auch klar: „Das Verhalten der  Banken war katastrophal. Viele haben gar nicht verstanden, was sie getan haben.“

Veranstaltung-Organisator Professor Karl-Heinz Spieß will die Vortragsreihe im nächsten Sommersemester fortsetzen: „Ich hoffe neue Themen und Referenten dafür zu gewinnen.“

Fotos: David Vössing