„Finanzierung der Universitäten aus Drittmitteln ist Prostitution für Forschung und Lehre.“ – Mit diesen markanten Worten steigt StuPa-Präsident Erik von Malottki während des alternativen Bildungskongresses in die Debatte über das Für und Wider zur finanziellen Unterstützung von Hochschulen durch Unternehmen ein. Hans Kreher, bildungspolitischer Sprecher der FDP sieht das Naturgemäß anders. Für ihn ist die Finanzierung der Universitäten aus Drittmitteln besonders wichtig. Schließlich werde die Wirtschaft damit ihrer Verantwortung gegenüber Wissenschaft und Lehre gerecht. Im Lauf der Debatte betonte Mathias Brodkorb, hochschulpolitischer Sprecher der SPD, jedoch, dass bisher kein einziges Unternehmen eine Hochschule im Land Mecklenburg-Vorpommern finanziell unterstützen würde. Die Drittmittel stammen demnach ausschließlich aus Stiftungen und Verbänden. Damit widersprach er auch der Ansicht Wenke Brüdgam-Picks (Die Linke.), dass Hochschulen durch die Einwerbung von Drittmitteln von der Wirtschaft abhängig würden.
StuPa-Präsident fordert Drittelparität im Greifswalder Senat
Um Abhängigkeiten ging es auch in der Frage darüber, inwiefern Hochschulen autonom agieren sollten. Für den Rostocker AStA-Vorsitzenden Christian Berntzen stellt die gegenwärtige Hochschulautonomie noch eine viel zu große Abhängigkeit zur Landesregierung dar und fordert beispielsweise einen Globalhaushalt. In einem solchen Fall würde das Land Mecklenburg-Vorpommern der Universität ohne feste Verbindlichkeiten einen Geldbetrag überweisen. Dass würde bedeuten, dass die Universität vollkommen frei über die Mittel verfügen und damit eigenständig entscheiden könnte, an welchen Stellen das Geld finanziert wird. Mathias Brodkorb sprach sich entschieden gegen diesen Vorschlag aus: „Ein Globalhaushalt würde bedeuten, dass die Universitäten grundsätzlich nur noch in die Forschungszweige investieren, die in der Wirtschaft und international über entsprechendes Prestige verfügen“, erläutert Brodkorb den Anwesenden. „Lehramtsstudiengänge würden beispielsweise wegfallen, weil diese bei der Wirtschaft kein Renomee haben“, so Brodkorb weiter. Der Greifswalder StuPa-Präsident unterstützte die Argumentation des hochschulpolitischen Sprechers der SPD dahingehend, dass sich am grundsätzlichen Verhältnis zwischen Land und Hochschule nichts ändern sollte. Die Landesregierung könne, so von Malottki, ein wichtiger Ansprechpartner werden, wenn eine Hochschule von einem Rektor geleitet wird, der den Interessen der Studierenden nur marginale Beachtung schenkt. Aus dieser Position heraus argumentierte der Jungsozialist weiter, dass die Studierenden stärker im Senat vertreten sein müssten und forderte für das genannte Gremium eine Drittelparität. Gerade in Bezug auf die Hochschulautonomie wurde deutlich, dass in der Rostocker Universität ein grundsätzlich anderes Verhältnis zum Rektorat besteht, als es an der Greifswalder Alma Mater der Fall ist.
Workshops zu Ganztagsschulen, Studium der Zukunft und Militarisierung im Bildungswesen
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion folgten auf dem Kongress zahlreiche Workshops zu verschiendenen Themen. So führten beispielsweise Claudia Sprengel (Linke.SDS) und Susann Fiss (Bildungsbündnis Greifswald) einen Workshop zum Thema Ganztagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern durch. Es wurden in diesem gemeinsam mit Schülern Ziele der Ganztagsschulen erarbeitet und darüber diskutiert, inwiefern die Theorie in die Praxis umgesetzt wurde.
Ebenfalls auf dem Plan standen unter anderem Workshops zur Militarisierung von Schulen und Hochschulen (GEW), zum Studium der Zukunft (Jusos), sowie eine Diskussion über Grenzen der Bildung im Kapitalismus (SAV). Am Sonntag erfolgte schließlich die Präsentation der Workshopergebnisse. Insgesamt war die Teilnehmerzahl an dem Wochenende mit etwa 100 Studierenden, Schülern und zum Teil auch Lehrenden, darunter sowohl Dozenten, als auch Lehrer, vergleichsweise gering, wenn man bedenkt, dass vor einem Jahr das Interesse an einem besseren Bildungswesen innerhalb genannter Kreise deutlich höher war. Schülerinnen und Schüler, von denen Bildungsstreikaktionen ursprünglich ausgegangen sind und getragen wurden, waren unter den Teilnehmenden auffallend gering vertreten.
Fotos: Anja Kreher
Ein Globalhaushalt kann nur eine Lösung sein, wenn die Hochschulen enthierarchisiert werden, Studierende die Fähigkeit des selbstständigen, kritischen Denkens erlernen wollen und es nicht ihr Ziel ist, blind wirtschaftlichen Forderungen und Maßgaben zu folgen, um ihren destruktiven Egoismus auszuleben.
Slavoj Zizek äusserte sich vor kurzem in Le monde diplomatique wie folgt:
"Man sollte heute mehr denn je im Kopf behalten […], was Kant in einer berühmten Passage seines Aufsatzes "Was ist Aufklärung?" als "öffentlichen Gebrauch der Vernunft" bezeichnet hat – die egalitäre Universalität des Denkens. Unser Bemühen sollte daher jene Aspekte der gegenwärtigen "Restrukturierung" im Auge haben, die den transnationalen offenen Raum bedrohen. Ein Beispiel dafür wäre der sogenannte Bologna-Prozess der EU, der darauf zielt, "die Architektur des europäischen Hochschulsystems zu harmonisieren" und in Wahrheit ein konzertierter Angriff auf den öffentlichen Gebrauch der Vernunft ist.
Zugrunde liegt diesen Reformen das Bestreben, die Hochschulbildung der Aufgabe unterzuordnen, konkrete gesellschaftliche Probleme durch Herstellung von Expertenmeinungen zu lösen. Dabei verschwindet die wahre Aufgabe des Denkens: nicht nur Lösungen für Probleme anzubieten, die von der "Gesellschaft" – in Wirklichkeit von Staat und Kapital – geschaffen worden sind, sondern über die eigentliche Form dieser Probleme nachzudenken; ein Problem auch genauso zu erkennen, wie wir ein Problem wahrnehmen.
Die Reduzierung der Hochschulbildung auf die Aufgabe, gesellschaftlich nützliches Expertenwissen zu produzieren, ist die paradigmatische Form von Kants "privatem Gebrauch der Vernunft" – das heißt ein Vernunftgebrauch, der durch kontingente, dogmatische Vorannahmen beschränkt ist – innerhalb des heutigen globalen Kapitalismus. In Kant'schen Begriffen bedeutet dieser Vernunftgebrauch, dass wir als "unmündige" Individuen handeln, nicht als freie menschliche Wesen, die sich in der Dimension der Universalität von Vernunft bewegen.
Es ist wichtig, den Vorstoß zur stromlinienförmigen Vereinheitlichung der Hochschulbildung – nicht nur in Form direkter Privatisierung oder Assoziierung mit der freien Wirtschaft, sondern auch in dem allgemeineren Sinne, dass Bildung auf die Produktion von Expertenwissen ausgerichtet wird – mit dem Prozess der Privatisierung von intellektuellem Gemeingut in Zusammenhang zu bringen. Dieser Prozess ist selbst Teil einer globalen Transformation der ideologischen Benennungen."
Den kompletten lesenswerten Artikel mit dem schönen Titel "Zeit der Monster – Ein Aufruf zur Radikalität" kann man unter http://www.monde-diplomatique.de/pm/2010/11/12.mo… abrufen.