Plötzlich war er da. Der große Knall. Ganz unerwartet kam er. Und alles, was vorher war, ist Vergangenheit, rast wie eine U-Bahn im Tunnel an einem vorbei. All der Glanz, der Reichtum, das Geld – alles ist mit einem Schlag hinweg gefegt. Genau in dem Moment wird der kürzlich freigelassene Gordon Gekko zum Star des Bankensystems und der Medien. Er ist es, der allen anderen die Welt erklärt, wie sie funktioniert, was falsch läuft und warum es die Finanzkrise gibt.
Gekko ist einer der Schlüsselfiguren im Film „Wall-Street-2“, der als Fortsetzung des ersten Teiles seit einigen Wochen in den deutschen Kinos läuft. Er übernimmt auf der einen Seite die Doppelfunktion des gefallenen Börsenhais, für den seine Karriere im Gefängnis endete. Andererseits repräsentiert die von Michael Douglas gespielte Figur den Siegertyp der Handlung. Einer, der immer durchs Leben kommt und vor allem einer, der weiß, wie er aus der Krise Gewinn abschöpfen kann. Und so ist der Zuschauer gespalten, wenn es darum geht, Gekko zu bewerten. Mal ist er der geläuterte Börsianer, erweckt den Eindruck, als wolle er sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens, der Familie zuwenden. Dann ist er plötzlich doch wieder der skrupellose Finanzhai, dem es nicht um Geld, sondern um „das Spiel mit den Menschen geht“, um das gegenseitige ausstechen.
Jacob Moore als Kontrast zu Gekko
Jacob Moore bildet besonders gelungen den Kontrast zum routinierten, erfahrenen und größtenteils emotionslosen Börsenhai. Durch sein Engagement für alternative Energien verkörpert er das gute Gewissen der Finanzwelt. Er ist der „Mensch“ im Film. Mit dieser Maxime ist er im Bankenwesen zum scheitern verurteilt. Die Bank, für die er arbeitet, ist die Erste, die Bankrott geht, worauf hin sein Vorgesetzter Selbstmord begeht. Der alte Zabel, Lehrmeister Moores, wird von Frank Langella eindrucksvoll gespielt. Ihm gelingt es besonders gut, dass sich der Zuschauer in die Person hinein versetzen kann. Er spürt die Verzweiflung in ihm. Das Wissen, dass alles unter geht, dass er seine Bank, sein Leben, nicht mehr retten kann. Angesichts der Erfahrenheit und Besonnenheit, der Ruhe und Ausgeglichenheit, die Moores Lehrmeister ausstrahlt, löst sein Selbstmord beim Zuschauer selbst Betroffenheit aus.
In dem Streifen von Oliver Stone wird besonders facettenreich gezeigt, wie Geld auf der einen Seite Existenzen zerstören kann, auf der anderen Seite durch Geschick und fragwürdige Handlungen andere zu neuem Glanz erstrahlen. Das wird nicht alleine durch die handelnden Charaktere, sondern auch durch das Umfeld, in dem sich diese bewegen, dargestellt. Sie wirken als unterstützendes, manchmal sogar auch tragendes Element, um dem Betrachter die Stimmung zu vermitteln. Wenngleich sich alles um die Geldvermehrung durch Spekulation dreht, so ist die Börse nicht der einzige Schauplatz der Handlung. Es wird sehr oft mit Metaphern gearbeitet. So ist das Motoradrennen zwischen Moore und seinem neuen Vorgesetzten keineswegs bloß ein Rennen zwischen zwei begnadeten Rennsportlern. Die Szene ist nur eine von vielen, die besonders farbenreich den Kampf um die Vorherrschaft, den Wettlauf an der Börse, das „Spiel mit den Menschen“, von denen Gekko am Ende des Filmes spricht, repräsentiert.
Gelungener Film, der Geld einspielen soll
Der Film wartet insgesamt mit einer spannenden, abwechslungsreichen Handlung auf, die zwischen Idylle und Abgrund, zwischen Schein und Sein wandelt. Zwischen Menschlichkeit, Emotionen und kaltschnäuzigem Egoismus. Es dominieren zahlreiche tiefsinnige Szenen, die Figuren wurden zu vielschichtigen Charakteren ausgeformt, die nicht ohne weiteres austauschbar sind. Sei es Gekko, Moore oder die Tochter Gordons. Und so trägt der Film insgesamt vor allem Menschlichkeit in sich. Es geht darum, dass Familien zerstört werden und wieder zueinander finden. Eine grundlegende Kritik am Finanzsystem findet hingegen nicht statt. Wer das in diesem Streifen erwartet, dem seien doch besser andere Filme zu empfehlen. „Wall-Street 2“ zeigt nichts weiter, was der Zuschauer nicht sowieso schon längst weiß: Dass die schrankenlose Marktwirtschaft einfach zu dereguliert ist. Die Antwort des Filmes ist nichts weiter als eine Standardaussage: Wäre die Marktwirtschaft menschlicher, würde es allen besser geben und der Kapitalismus würde funktionieren.
Und so wird das eigentliche Ziel des Film doch irgendwie verfehlt. Oder geht es nicht um eine kritische Auseinandersetzung mit der Finanzwirtschaft? Vielleicht hatte Stone tatsächlich nur im Sinn, aufzuzeigen, dass sowohl finanzieller Schaden, als auch finanzieller Reichtum Familien zerstören können. Trotz alledem ist es vor allem hinsichtlich der schauspielerischen Leistung und der Inszenierung ein empfehlenswerter Film. Eine spektakuläre, neue Sicht der Dinge darf man jedoch nicht erwarten. Auch keine Abrechnung mit der Marktwirtschaft. Es ist ein Film der Geld einspielen soll. Und daher ist er so beschaffen, dass die Handlung jedem gefällt und ist eher in die Kategorie qualitativ des hochwertigen Mainstreams made by Hollywood einzuordnen.
Foto: Martin St-Amant via Wikipedia
Vor allem kann der Film – wen wundert dies noch – keineswegs an Teil Eins anschließen, der wirklich zu seiner Zeit wachrüttelte. Gerade Micheal Douglas ist es doch, der den Film an einigen Stellen noch am Leben hält. Ein Shia Labouf kann keineswegs einen grandiosen jungen Charlie Sheen ersetzen. Oliver Stones Zeiten sind lange vorbei.
Ich hadere dabei mit der Aussage zum "Mainstream". Ich möchte mal dabei gemein sein und einem Teil des Publikums das wirtschaftliche Wissen absprechen. Denn wo wir jetzt stehen wissen wir ja und dass wir alle einen Teil der Verantwortung tragen auch.
Den Cameoauftritt Sheens unterschlagen dabei viele Berichte 🙂